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Vater mit Baby auf dem Arm

© imago/Westend61

Update

Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Elternschaft: Wer ein Kind zeugt, muss als Vater eine Chance haben

Leiblichen Vätern wurde es zu lange zu schwer gemacht, den Status als rechtlicher Vater zu erlangen. Das Gericht hat das erkannt - und stellt sie ab sofort unter den Schutz des Elterngrundrechts

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Die Zeit, die alle Wunden heilt, hilft oft auch in Konflikten vor Gericht. Sie klärt Positionen, zeigt auf, welche Folgen sie haben, bevor eine Entscheidung fällt. Manchmal aber ist Zeit ein Problem. Schlimmer: Ihr Ablauf schafft das Problem. So war bei einem Mann, der jahrelang erfolglos darum kämpfte, rechtlicher Vater seines leiblichen Kindes werden zu können. Jetzt hat er mit seiner Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gewonnen.

Unstreitig ist der Mann der Erzeuger. Kurz nach der Geburt aber hat sich die – mit ihm nicht verheiratete – Mutter von ihm getrennt und ist eine neue Beziehung eingegangen. Nun sieht es das deutsche Recht so: Mutter ist immer die Frau, die das Kind geboren hat, rechtlicher Vater hingegen nur, wer ihr Ehemann ist, die Vaterschaft anerkennt oder für wen sie gerichtlich festgestellt wurde. Gezeugt zu haben, zählt nicht viel – bisher. Nun hat das Bundesverfassungsgericht erstmals geurteilt, dass sich ein leiblicher Vater auch in solchen Konstellationen auf das Elterngrundrecht berufen kann.

Das wird Vätern, die sich um ihr Kind kümmern wollen, künftig helfen. Denn Termine beim Standesamt zur Vaterschaftsanerkennung hatte die Mutter im jetzt entschiedenen Fall platzen lassen. Stattdessen gab sie ihr Einverständnis, dass der neue Partner als Vater eingetragen wird. Der Versuch wiederum, diese Vaterschaft anzufechten, scheiterte: Eine solche Anfechtung ist nach Paragraf 1600 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ausgeschlossen, wenn eine „sozial-familiäre Beziehung“ des rechtlichen Vaters zum Kind besteht.

Diesen Paragrafen hat das Gericht jetzt für nichtig erklärt und dem Parlament aufgegeben, solche Fälle neu zu regeln - und zwar mit Rücksicht auf das Elterngrundrecht des leiblichen Vaters.

Paragraf 1600 nimmt keine Rücksicht. Er ist starr. Er lässt sich, zugespitzt gesagt, missbrauchen.

Jost Müller-Neuhof, Tagesspiegel

Ein weiterer Fortschritt, denn: Früher einmal waren leibliche Väter sogar ganz vom Anfechtungsrecht ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hatte das 2003 korrigiert, der Gesetzgeber reagiert. Mit dem Schutz der „sozial-familiären Beziehung“ trug er der Einsicht Rechnung, dass der Familienfriede für das Kindeswohl wichtiger sein kann als das Interesse eines Erzeugers, sich in die Vaterrolle zu drängen.

In vielen Fällen mag das auch sachgerecht sein. Schief wird es aber, wenn, wie hier, ein leiblicher Vater, der sich von Anfang an kümmern, für das Kind zahlen und für es da sein will, von der rechtlichen Vaterschaft ausgeklammert wird. Wenn die „sozial-familiäre Beziehung“ des Kindes zum neuen Mann nur entstehen kann, weil die Mutter sie zum alten nicht entstehen lässt.

Paragraf 1600 nimmt darauf bisher keine Rücksicht. Er ist starr. Er lässt sich, zugespitzt gesagt, missbrauchen. Dem hat das Bundesverfassungsgericht jetzt einen Riegel vorgeschoben: Leibliche Väter, die – auch gegen den Willen von Müttern – rechtliche Väter ihrer Kinder werden wollen, stehen künftig vor überwindbaren Hürden.

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