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In Ankara wird gegen die Stationierung der Patriots demonstriert

© AFP

Türkei/Syrien: Vereint gegen den Westen

Offiziell begrüßt Ankara die Stationierung von Patriot-Raketenabwehrsysteme. Doch eine bisher kleine Protestbewegung findet Widerhall in weiten Teilen der türkischen Bevölkerung.

In der Türkei formiert sich Widerstand gegen die Stationierung deutscher, amerikanischer und niederländischer Patriot-Raketenabwehrsysteme. Die Ankunft der ersten Bundeswehrsoldaten in der Türkei diese Woche markiere den „Beginn der Besatzung durch die Mörder-Nato“, erklärte die nationalistische Jugendorganisation TGB, die Demonstrationen gegen die Patriots mitorganisiert hat. Auch aus dem linken Lager kommt Protest. Mehrere hundert türkische Soldaten werden aufgeboten, um die Nato-Einheiten zu schützen. Offiziell wird die geplante Stationierung von rund 1200 Nato-Soldaten im türkisch-syrischen Grenzgebiet begrüßt – schließlich hatte Ankara selbst um den Schutz durch das Bündnis gebeten. Die ausländischen Gäste werden ihre Waffen in Südostanatolien aufbauen, wo sie das türkische Staatsgebiet vor möglichen Raketenangriffen aus dem Unruheland Syrien schützen sollen.

Dort bleibt die Lage angespannt. Der Chef der syrischen Militärpolizei lief zu den Gegnern von Präsident Baschar al Assad über. „Die Armee hat Städte und Dörfer zerstört sowie Massaker an der unbewaffneten Bevölkerung verübt, die auf der Straße Freiheit forderte“, begründete General Abdelasis Dschassim al Schalal in einem auf Youtube veröffentlichten Video seinen Schritt. In Rebellenkreisen hieß es, Schalal sei in die Türkei geflohen. Im Norden Syriens wurden nach Oppositionsangaben durch Armeebeschuss 20 Menschen getötet, darunter mindestens acht Kinder.

In der Türkei hatte eine Gruppe von 39 Bundeswehrsoldaten mehrere Tage lang in der Nähe der Stadt Kahramanmaras, rund 120 Kilometer von der Grenze entfernt, die Rahmenbedingungen für die Stationierung des deutschen Kontingents geprüft. Nach Weihnachten sollten die deutschen Patriots in der Bundesrepublik auf Schiffe verladen und Richtung Türkei geschickt werden. Spätestens Anfang Februar sollen die Raketen dann in Kahramanmaras einsatzbereit sein. Doch in der Türkei trifft das Engagement der Deutschen und der anderen Partner der Allianz nicht auf ungeteilte Zustimmung.

Bei Demonstrationen in türkischen Städten hatten in den vergangenen Wochen nationalistische, kurdische und linke Gruppen in ungewohnter Eintracht gegen das westliche Bündnis protestiert. Die bisher kleine Protestbewegung wird von einem Grundkonsens geeint, der nach Ansicht von Meinungsforschern in weiten Teilen der türkischen Bevölkerung Widerhall findet: „Von Anfang an haben die Türken klargemacht, dass sie unter keinen Umständen eine Auseinandersetzung mit Syrien wollen“, sagte der angesehene Demoskop Adil Gür dem Tagesspiegel. „Schließlich ist Syrien auch ein muslimischer Staat.“ Gür glaubt aber nicht, dass die bei den Patriot-Protesten sichtbar gewordenen anti-westlichen Ressentiments mehrheitsfähig sind.

In der Protestbewegung selbst wird das ganz anders gesehen. Selbst Wähler der Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seien gegen die Patriots, sagte der parteilose linke Parlamentsabgeordnete Levent Tüzel. „Wir wollen keine deutschen, niederländischen oder anderen Nato-Soldaten“, sagte er. „Die wollen uns doch bloß als Flugzeugträger im Nahen Osten benutzen.“ Tüzel ist wie viele Patriot-Gegner überzeugt, dass es bei dem Nato-Einsatz in Wirklichkeit nicht um Syrien geht, sondern um den Schutz für den amerikanischen Verbündeten Israel, das in der Türkei mit Abstand unbeliebteste Land der Region. Die Überlegung dahinter lautet, dass Israel früher oder später die Atomanlagen des Irans angreifen und zerstören wird, um eine iranische Atombombe zu verhindern. Teheran werde das nicht auf sich sitzen lassen – und deshalb wolle die Nato iranische Gegenschläge mit Hilfe ihrer Patriots beim iranischen Nachbarn Türkei verhindern.

Damit liegen Tüzel und andere auf der Linie der iranischen Regierung, die den Patriot-Plan der Nato scharf kritisiert hat. Teheran machte der Türkei schon im vergangenen Jahr wegen der Stationierung einer Nato-Radaranlage in Kürecik in der Nähe der südostanatolischen Stadt Malatya schwere Vorwürfe. Experten der Nato und der türkischen Armee schauten sich auf der Suche nach geeigneten Patriot-Stationierungsorten in den vergangenen Wochen auch in Kürecik um – was die Stationierungsgegner in ihrem Verdacht weiter bestärkte. (mit rtr)

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