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Wer an der Durchfallerkrankung leidet, muss sofort mit ausreichender Flüssigkeit versorgt werden.

© Foto: Reuters/Stringer

Verseuchtes Wasser aus dem Euphrat: Syrien droht eine Cholera-Epidemie

Tausende Infizierte, Dutzende Tote: In Syrien breitet sich die Cholera rasant aus. Erste Fälle gibt es jetzt auch im Libanon und im Irak.

Erst der Krieg, dann Armut und Hunger – nun droht Syrien auch noch eine verheerende Epidemie. Seit Wochen breitet sich die Cholera mit enormer Geschwindigkeit aus. Vor allem im Nordosten und Nordwesten des Landes sind Tausende Menschen erkrankt, Dutzende bereits gestorben. Besonders betroffen ist die Region Aleppo.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) meldeten die syrischen Gesundheitsbehörden bisher mehr als 10.000 Fälle. Es wird befürchtet, dass sich die Epidemie im Nahen Osten großflächig ausbreiten könnte.

Denn wie viele Menschen sich schon infiziert haben, weiß niemand. Klar ist nur: Auch im Libanon und dem Irak wurden jetzt erste Fälle registriert. In beiden Ländern lebt die große Mehrheit der Bevölkerung, wie in Syrien, unter der Armutsgrenze.

Cholera ist eine durch Bakterien ausgelöste Durchfallerkrankung, die äußerst ansteckend ist und zu lebensbedrohlichem Flüssigkeitsverlust führen kann. Sie geht mit Erbrechen und hohem Fieber einher.

Die Ansteckung erfolgt meist durch Trinkwasser, das mit Fäkalien oder Erbrochenem von Kranken verseucht ist. Ohne medizinische Versorgung können Menschen innerhalb weniger Stunden sterben. Bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr ist die Überlebenschance groß.

Die hygienischen Bedingungen in Flüchtlingscamps sind katastrophal. Oft ist das zugängliche Wasser verschmutzt.

© Foto: AFP/Delil Souleiman

Sauberes Wasser ist in der Region rar. Nach Angaben der Hilfsorganisation International Rescue Committee gibt es im von Not und Gewalt heimgesuchten Syrien 40 Prozent weniger Trinkwasser als vor zehn Jahren.

Das liegt zum einen am Krieg. Pumpwerke, Kläranlangen, Brunnen und Leitungen sind beschädigt oder ganz zerstört. In Wohngebieten fehlt vielerorts eine funktionierende Kanalisation. Zum anderen verschärfen Klimawandel und damit einhergehende Hitzeperioden und Dürren die Knappheit zusätzlich.

Der aktuelle Choleraausbruch wird von Experten auf verunreinigtes Wasser aus dem Euphrat zurückgeführt. Der Fluss – an einigen Stellen kaum noch als solcher zu erkennen – ist die Hauptversorgungsquelle für mehrere Millionen Menschen.

Dass sich die Cholera so rasant ausbreiten kann, liegt auch am desolaten Zustand des syrischen Gesundheitssystems. Im ganzen Land sind nur 65 Prozent der Kliniken und etwas mehr als die Hälfte der Gesundheitszentren voll funktionsfähig. Pflegekräfte, medizinisches Personal und Ärzte fehlen überall.

„Dies macht es sehr viel schwieriger auf mögliche Epidemien und den aktuellen Choleraausbruch zu reagieren“, sagt Tanya Evans, Syrien-Direktorin von International Rescue Committee.

Das sieht man bei Save the Children ähnlich und verweist zudem auf die große Gefahr für Kinder und deren Familien. Denn der Ausbruch der Cholera geht zeitlich einher mit dem Schulstart in Syrien.

Gefährdet seien nicht nur Mädchen und Jungen, die selbst erkrankten. „Wir sorgen uns auch um jene, deren Angehörige sich anstecken, sodass das Familieneinkommen wegbricht“, sagt Beat Rohr, Interimsländerdirektor von Save the Children Syrien. Zudem könnten sich viele Familien notwendige Hygieneartikel und Medikamente nicht leisten.

10.000
Cholera-Fälle meldet die syrische Gesundheitsbehörde.

Besonders große Sorgen bereitet den Hilfsorganisationen die Lage in den Flüchtlingscamps und provisorischen Unterkünften, etwa in Garagen oder Ruinen. Ärzte sprechen von einer tickenden Zeitbombe. Denn Millionen geflüchtete Syrer leben unter miserablen hygienischen Bedingungen.

Auch Lebensmittel sind oft verschmutzt. Wenn es überhaupt Wasserbehälter gibt, sind sie häufig gesundheitsgefährdend verdreckt – der ideale Nährboden für eine Durchfallerkrankung.

Weil Wasser knapp ist, sind viele Menschen auf Lkw-Lieferungen von privaten Anbietern angewiesen. Aber die werden kaum kontrolliert, sind teuer und nutzen auch ungeschützte Quellen, in denen sich Abwässer befinden.

Insgesamt ist die Zahl der Cholera-Ausbrüche nach Angaben der WHO in diesem Jahr wegen zahlreicher Krisen und Konflikte, Armut und des Klimawandels weltweit gestiegen. In den ersten neun Monaten hätten schon 27 Länder Fälle gemeldet. Die Entwicklung sei besorgniserregend, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus vor Kurzem.

Es gebe nicht nur mehr Ausbrüche, sondern es kämen dabei auch mehr Menschen ums Leben. Die Todesrate sei in diesem Jahr fast dreimal so hoch wie im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Cholera, breite sich dort aus, wo Armut und Konflikte herrschten und Menschen mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen hätten. Wie in Syrien.

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