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Besonders zum SPD-Kanzler Willy Brandt hatte Konrad Rufus Müller einen guten Draht.

© dpa/Markus Scholz

Update

Konrad R. Müller mit 83 Jahren gestorben: Der „Kanzlerfotograf“ – frech wie Dreck und rührselig rüpelhaft

Seine Fotos, alle analog, ohne zusätzliches Licht, waren Landschaftsbilder – von Gesichtern. Jetzt erlag der Fotograf Konrad Rufus Müller einer langen schweren Krankheit. Ein Nachruf.

| Update:

Er hat in Bonn gelebt, genauer: in Königswinter, aber ist immer Berliner geblieben. Herz mit Schnauze, das war Konrad Rufus – eigentlich Reinhard – Müller, einer der großen Fotografen der westdeutschen Republik. Er war schlicht „der Kanzlerfotograf“. Müller kannte sie alle, hatte sie alle vor der Linse, vom alten Adenauer angefangen. Jetzt ist er nach schwerer Krankheit 83-jährig in Königswinter gestorben.

Frech wie Dreck konnte Konrad sein, rührselig rüpelhaft. Und dabei so charmant! Wenn er mit seiner Rollei und dem Stativ – mehr brauchte und wollte er nicht – anrückte, war er der Chef. Er duzte, wie und wenn es ihm gefiel. Auch wann. Und weil seine Bilder, immer schwarz-weiß, gefielen, ja tiefen Eindruck machten, konnte er eine Nähe schaffen wie kein Zweiter.

Das Studium der Malerei – in Berlin – hatte er aufgegeben, stattdessen das Medium Foto für sich entdeckt. Mit einem Fotoapparat, einer Rollei von 1935, die er im Schrank seines Vaters gefunden hatte und reparieren ließ, begann er, begann es: das Leben als Lichtbildner, Fotokünstler. Papst Johannes XXIII., der „Sozialpapst“, war das erste große Porträt. Dabei war er Autodidakt.

„Kanzlerfotograf“ war nur ein gerühmter, berühmter Teil von Müller

Seine Fotos, alle analog, ohne zusätzliches Licht, in der eigenen Dunkelkammer entwickelt, waren Landschaftsbilder – von Gesichtern. Es war für ihn immer das Gesicht, das zählte. Eine Ausnahme sind die schönen Hände von Willy Brandt, wie er mit einem Streichholz spielt. Das konnte er sich nicht entgehen lassen.

Fotograf Konrad Rufus Müller mit Porträts von Konrad Adenauer und Angela Merkel.
Fotograf Konrad Rufus Müller mit Porträts von Konrad Adenauer und Angela Merkel.

© Imago/Christian Schroth

Später entdeckte er tatsächlich die Landschaften und über Politiker hinaus Autoren, Musiker, Schauspieler, Bergsteiger, Einsiedler. Dann Schreibtische und, gänzlich anders, fehlgebildete Föten aus der Charité. Besonders sind seine Fotografien von Holocaust-Überlebenden.

„Kanzlerfotograf“ war nur ein gerühmter, berühmter Teil von ihm. Berühmt, weil Konrad das wahre Gesicht zeigte, das war stets und überall sein Anspruch, ikonografisch von Adenauer, von Brandt, von Schmidt, von Kohl. Auch vom großen Österreicher Kreisky und dem großen Franzosen Mitterrand. Oder Putin, den die Welt am liebsten vergessen würde.

Gelebtes Leben, darum ging es ihm. Falten adelten seine Porträts, nie sahen die Porträtierten edler aus. Frech war er, aber dadurch auf seine Weise respektvoll, honorig. Wenn einer, eine ein Gesicht hatte. Kohl bekam eines durch ihn. Diese Augen! Nie hatte zuvor jemand dessen lange Wimpern gesehen.

Dass er das zeigte, hat ihm nicht nur Begeisterung eingetragen. Er wohnte mit großen Journalisten als Nachbarn in Königswinter; das war die „Akademie“, und die Nachbarn waren eher sozialdemokratisch.

Immer durfte er nah dran sein, sehr nah, bei vielem dabei. Und oft sehr lange. Bei Kreisky waren es fünf Monate. Meistens war er diskret, verschwiegen. Einmal nicht, es ging um Schröder, da war Müller im Fernsehen mal zu „gut drauf“, der Weißwein hatte geschmeckt. Das hat er sich selbst nur schwer verziehen. Gegrämt hat es ihn bis zuletzt. Sie hatten danach lange nicht miteinander gesprochen.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat Konrad R. Müller fotografiert.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat Konrad R. Müller fotografiert.

© dpa/Oliver Berg

Von Schröder machte er in den Jahren 300 Fotos. Mit Angela Merkel hatte Müller seine Probleme. Nur zwei kurze Treffen, das Licht falsch, sie wollte alles kontrollieren, „ein Kontrollfreak“ – das war nichts für den künstlerischen Freigeist. Die Bilder gelangen ihm trotzdem, dem Schöngeist in der rauen Schale. Er hätte sie gern noch einmal fotografiert, mit Zeit, jetzt, nach ihrer Kanzlerzeit.

3000 Fotos sind das, was man ein Oeuvre nennen kann. So viele hat Konrad Rufus Müller mindestens gemacht. Er wollte noch mehr Frauen porträtieren, „viel mehr“, Annalena Baerbock vor allem. Weil ihr, der jungen Frau, Macht und Verantwortung mit der Zeit ins Gesicht geschrieben stehen wird, da war er sicher. Und weil er vielleicht spät verstand, dass über die betonte Männlichkeit nun wirklich die Zeit hinweggegangen ist.

Kommendes Jahr sollte es eine große Ausstellung in Berlin geben, mit Olaf Scholz als Schirmherr. Ja, auch ihn hat er fotografiert. Und wer wissen will, wie dieser Kanzler ist, schaue ihm ins Gesicht.

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