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Die Luft ist raus. Die Transaktionssteuer ist deutlich geschrumpft, seit die EU-Kommission einen ersten Vorschlag vorgelegt hat.

© dpa

Kosten der Finanzkrise: Wie Banken gegen die Finanztransaktionssteuer kämpfen

Elf EU-Staaten arbeiten an Details einer Steuer auf Finanzprodukte. Unter Druck gesetzt werden sie dabei von einer mächtigen Lobby, die im Akkord Studien über negative Auswirkungen der Steuer herausgibt.

Von Carla Neuhaus

Am Anfang lachen die Banker noch. 2001 ist das. Sven Giegold hat in Deutschland gerade das Globalisierungsnetzwerk Attac gegründet und fordert eine Steuer auf Finanzprodukte. Branchenvertreter nehmen den Vorschlag nicht ernst, tun ihn als linke Spinnerei ab, die sich kaum durchsetzen wird. Heute lacht keiner mehr.

Seit Monaten kämpfen Banker, Vermögensverwalter und Anlagestrategen gegen die Finanztransaktionssteuer. Elf EU-Staaten wollen sie einführen und die Branche so an den Kosten der Finanzkrise beteiligen. Kommende Woche könnten sich die Finanzminister in Brüssel auf die letzten Details für die Steuer einigen. Allerdings hat die Abgabe, die derzeit noch im Gespräch ist, wenig mit dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission zu tun. Das dürfte zu einem großen Teil an der Arbeit der Lobbyisten liegen.

Nach der Vorstellung der EU-Kommission sollte die Steuer alle Finanzinstitute, alle Märkte und alle Finanzinstrumente treffen. Die Brüsseler Beamten nennen das den „Big-Bang-Approach“. Auch die Bundesregierung hat sich laut Koalitionsvertrag eine Steuer auf „Aktien, Anleihen, Investmentanteile, Devisentransaktionen und Derivatekontrakte“ vorgestellt. Eingeführt wird die Steuer nun aber wohl nur auf Aktien und ausgewählte Derivate – und damit auf einen Bruchteil der Finanzprodukte am Markt.

Studien über negative Auswirkungen der Steuer im Akkord

Die Transaktionssteuer zeigt wie kaum ein anderes politisches Vorhaben, wie groß der Einfluss der Finanzindustrie ist. Der österreichische Ökonom Stephan Schulmeister spricht von einer „konzertierten Kampagne der Finanzlobby“ gegen die Steuer. So sollen Banker und Anlagestrategen über Monate immer wieder versucht haben, Politiker aus allen Lagern und Ländern mit Studien, persönlichen Gesprächen und gezielt gestreuten Informationen zu verunsichern. Dabei war die Lobby zunächst unvorbereitet. 2011 überrascht die EU-Kommission sie mit dem ersten Entwurf für eine Steuer auf Finanzprodukte. „Die Finanzindustrie hat die Forderungen, eine Transaktionssteuer einzuführen, lange nicht ernst genommen“, sagt Dorothea Schäfer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Doch die Gespräche der Staats- und Regierungschefs ziehen sich hin. Bis aus der ersten Idee der Kommission ein Plan wird, zu dem sich elf Mitgliedstaaten bekennen, dauert es zwei Jahre. Die Lobbyisten nutzen die Zeit. Als die Staaten ab 2013 über die Details der Steuer sprechen, bringen Banken, Verbände und Unternehmensberatungen im Akkord Studien über die negativen Auswirkungen der Steuer heraus. Dabei gehe es rein um Quantität – nicht Qualität, meint Wissenschaftler Schulmeister. Die Masse an Gutachten soll die Politiker abschrecken und erschrecken.

Für besonders viel Furore sorgt ein Papier der US-Investmentbank Goldman Sachs. Die Lobbyisten verteilen es zunächst bewusst an ausgewählte Politiker, statt es breit zu streuen. In der Studie heißt es, die Steuer werde Europas Großbanken in die Verlustzone treiben. Betroffen seien vor allem Banken aus Frankreich und Deutschland – also Institute aus den beiden Ländern, die sich besonders stark für die Transaktionssteuer einsetzen. Außerdem sind die GoldmanSachs-Zahlen extrem hoch. Die Steuer werde die Banken 170 Milliarden Euro kosten, rechnen die Banker vor. Dabei kommt die EU-Kommission selbst in ihren Schätzungen gerade einmal auf 35 Milliarden Euro.

Altes Argument: Steuer gefährdet die Altersvorsorge

In Deutschland ist es in erster Linie das Deutsche Aktieninstitut (DAI), das gegen die Finanztransaktionssteuer wettert. Die Lobbyisten argumentieren, dass die Abgabe nicht Banken, sondern Unternehmer und Sparer treffe. In einer Studie, die das DAI bei der Beratungsfirma Oliver Wyman in Auftrag gegeben hat, heißt es, die Steuer werde diese Gruppe in Deutschland jährlich fünf bis sieben Milliarden Euro kosten. Verstärkung bekommt das DAI vom deutschen Fondsverband BVI. Der argumentiert, dass die Steuer die Altersvorsorge angreife. „Mit der einen Hand fördert der Staat mit viel Geld das Riester-Sparen, mit der anderen nimmt er es dem Sparer über die Steuer wieder weg“, sagt Hauptgeschäftsführer Thomas Richter.

Dass die Steuer die Altersvorsorge gefährdet, ist ein Argument, das Lobbyisten immer wieder bringen. Dabei sagt Forscherin Schäfer: „Die Auswirkungen der Transaktionssteuer auf die Altersvorsorge werden überschätzt.“ Schließlich soll Geld, das fürs Alter zurückgelegt wird, langfristig angelegt werden. Stark belasten würde die Steuer die Altersvorsorge dagegen nur, wenn das Geld besonders häufig umgeschichtet würde.

Parallel zur Studien-Flut suchen die Lobbyisten das persönliche Gespräch. So beobachtet Wissenschaftlerin Schäfer immer wieder, wie Mitarbeiter des Finanzministeriums im Anschluss an Diskussionsrunden zum Thema von Branchenvertretern umringt werden. Bundestagsabgeordnete berichten von etlichen Besuchen von Bankern. Schulmeister vermutet, dass die Lobbyisten versuchen, die politischen Unterhändler gegeneinander auszuspielen: die Franzosen gegen die Deutschen, die EU-Beamten gegen die Finanzminister der Mitgliedsstaaten.

Großbritannien schickt hochrangige Lobbyisten

Selbst aus Ländern, die sich an der Steuer nicht beteiligen, kommt Gegenwind, vor allem aus Großbritannien. Das Land hat gegen die Steuer vorm Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklagt – und verloren. Jetzt schicken die Briten ihre Top-Lobbyisten. So waren erst vergangene Woche hochrangige Vertreter der Banken-Lobby TheCityUK in Berlin, um sich mit den deutschen Bankenverbänden über die Steuer auszutauschen.

Wie es derzeit aussieht, können die Interessenvertreter die Einführung der Steuer zwar nicht ganz verhindern. Allerdings haben sie sie kräftig abgeschwächt. Laut einer Studie, die die Bundesregierung bei der Beratungsfirma Copenhagen Economics in Auftrag gegeben hat, hätte die ursprünglich geplante Steuer jährlich 17,6 Milliarden Euro in die Staatskasse gespült. Die verwässerte Abgabe bringt dagegen nur 2,5 Milliarden Euro.

Und das Ringen um die Steuer geht weiter. Schäfer vermutet, dass es bis 2016 dauert, bis die Staaten die Abgabe einführen. Selbst wenn sich die Länder bis Jahresende auf Details einigen, dauert es, bis alle technischen Vorbereitungen abgeschlossen sind. Der Branche gibt das Zeit, um neue Produkte zu entwickeln. Zum Beispiel Derivate, „die den Aktienhandel nachbilden, ohne mit den eigentlichen Aktien zu handeln“, sagt Schäfer. Also Finanzprodukte, die die Steuer umgehen.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 02. Dezember 2014 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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