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Wirtschaftsminister Peter Altmaier

© dpa/Michael Kappeler

Wachstumsdelle mit Folgen: Wie die Konjunktur die Pläne der Regierung gefährdet

Das Wachstum lässt nach, 2019 wird ein schwächeres Jahr. Was bedeutet das für den Bundeshaushalt? Wie reagiert die Regierung? Ein Überblick.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist nicht zu beneiden. In kurzen Abständen muss er verkünden, dass der Motor stottert und klappert. Zwar geht es nicht abwärts mit der deutschen Wirtschaft, aber das Wachstumstempo hat dramatisch nachgelassen in den vergangenen Monaten.

Am vorigen Mittwoch nun, bei der traditionellen Frühjahrsprognose der Bundesregierung, konnte Altmaier nur noch ein Mini-Wachstum von 0,5 Prozent präsentieren – eine Voraussage wohlgemerkt, die am Ende des Jahres eintreten kann oder auch nicht.

Aber bleibt es dabei, wird 2019 wirtschaftlich eines der schwächeren Jahre seit der Einheit werden. Die Korrektur der Wachstumsprognose, schon die zweite seit dem Herbst, als regierungsamtlich noch propere 1,8 Prozent angenommen worden waren, hat Folgen – für die Steuerentwicklung, für die Haushaltsplanung, für die gesamte Regierungspolitik. 

Was bedeutet die Wachstumsdelle?

Die Halbierung der Wachstumsprognose auf 0,5 Prozent wird die offizielle Steuerschätzung Anfang Mai vorsichtiger ausfallen lassen als zuletzt im November. Zweimal jährlich schätzen Experten der Finanzministerien und von Verbänden die Entwicklung. An den Ergebnissen richten Bund und Länder Etatplanungen aus. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat seinen Entwurf für 2020 allerdings auf Basis der mit einem Prozent ebenfalls schon deutlich reduzierten Januar-Prognose der Bundesregierung aufgestellt.

Die war um 0,8 Prozentpunkte geringer ausgefallen als die Herbstschätzung, der nun mutmaßlich nötige Anpassungsschritt ist also etwas geringer. Das bedeutete, dass Scholz die Einnahmen in seinem im März vorgelegten Etatentwurf um fünf Milliarden Euro niedriger ansetzte. Die neuerliche Korrektur dürfte also etwas darunter liegen. 

Wie ist die Haushaltssituation im Bund?

Nach wie vor ziemlich gut, auch wenn die Zeit der Überschüsse vorbei ist und die Koalition die Rücklagen gerade sozusagen vervespert. Doch Etatrisiken sind da und wachsen mit der Abkühlung der Konjunktur. Das von der Union verlangte Baukindergeld etwa verschlingt schon mehr Geld als geplant. Die von der SPD geforderte Grundrente – Ausgabevolumen im mittleren einstelligen Milliardenbereich – ist derzeit alles andere als finanziert. Das gilt auch für die von der Union verlangten höheren Verteidigungsausgaben.

Der Vorschlag von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Ferntickets der Bahn einzuführen, würde wiederum zu Mindereinnahmen führen. Noch ist Schwarz-Rot im jahrelang eingeübten Ausgabemodus nach dem Motto: Geld ist da, wohin damit?

Doch nun droht dem Bund im ersten Quartal erstmals seit längerem wieder ein Einnahmeminus, weil zum Beispiel die Körperschaftsteuer weniger erbringt und höhere Zahlungen an die EU fällig sein könnten. Zudem dürften sich die Prioritäten verlagern – hin zu mehr Konjunkturbelebung. Die schwarze Null ist aber weiterhin oberstes haushaltspolitisches Gebot – schon weil das Grundgesetz mit der dort verankerten Schuldenbremse den ohne Neuverschuldung ausgeglichenen Etat in Wachstumszeiten praktisch verlangt.

Immerhin hat der Bund im Gegensatz zu den Ländern einen etwas größeren Verschuldungsspielraum, der eventuell für neue Kredite genutzt werden könnte, um Impulse zu setzen. Aber Pläne dafür gibt es in der Regierung vorerst nicht. Sowohl Altmaier als auch Scholz lehnen das ab. Man will das Pulver trocken halten für den Fall, dass aus der Wachstumsdelle eine längere angespannte Phase werden könnte. Wobei die Wachstumserwartungen in der Haushaltsplanung bis 2023 nicht exorbitant sind – pro Jahr wird im Schnitt mit einem Plus von einem Prozent gerechnet.

Was will die Regierung tun, um das Wachstum aufzupeppen?

Klassische Konjunkturpakete wird es nicht geben, deren große Zeit ist ohnehin längst vorbei. Altmaier sprach in dem Zusammenhang von „Strohfeuern“ die damit entzündet würden – also nur mit kurzfristiger Wirkung. Und da die Wirtschaft weiterhin wächst, wenn auch mit geringeren Raten, und sowohl die Auslastung der Unternehmen als auch der Beschäftigungsgrad sehr hoch sind, gelten neue Milliardenprogramme für Investitionen in der Regierung als nicht sinnvoll. Der Wirtschaftsminister sucht daher nach Wegen, der Wirtschaft durch Entbürokratisierung zu helfen.

Zwar gibt es Ökonomen, die dafür plädieren, die extrem niedrigen Zinsen für kreditfinanzierte Ausgaben in Infrastruktur oder Digitalisierung zu stecken. Aber die Erfahrungen mit den Kommunalprogrammen des Bundes in den vergangenen Jahren oder auch dem Energie- und Klimafonds deuten darauf hin, dass solche Mittel eher langsam abfließen. Apropos niedrige Zinsen: Die Europäische Zentralbank wird den Leitzins noch längere Zeit unten halten – Unternehmen und auch Privatleute können also weiterhin zu günstigen Konditionen selber an Geld kommen. Und der Staat kann seine Altschulden billig refinanzieren, was die Zinslasten senkt und damit Freiräume in den öffentlichen Haushalten schafft.

Wie steht es mit steuerlichen Entlastungen?

Altmaier möchte seit längerem eine nennenswerte steuerliche Entlastung der Wirtschaft, stößt aber auf Widerstand bei der SPD. Auch eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, was gerade Unternehmen entgegenkäme, konnte er bisher nicht durchsetzen. Zuletzt hat das Kabinett allerdings ein Steuerpaket zur Förderung von Forschung und Entwicklung in den Unternehmen auf den Weg gebracht. Ein Vorziehen der Soli-Abschaffung für das Gros der Steuerzahler, bisher für 2021 vorgesehen, könnte in der Konjunkturdelle den Konsum beleben – der zuletzt etwas lahmte, aber auch nicht eingebrochen ist.

Eine größere Entlastung – sozusagen ein Vierer im Lotto, also eine spürbare Summe – ist nicht in Sicht. Dafür wird Scholz nicht müde, auf all die kleinen Dreier-Gewinne zu verweisen, welche die Koalition den Arbeitnehmern beschert hat: Ausgleich der kalten Progression, höheres Kindergeld, Entlastung in der Krankenversicherung durch höheren Arbeitgeberanteil, geringere Sozialbeiträge für Geringverdiener, Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung.

Wie erklärt sich die hohe Steuerquote? Wie steht es mit der Abgabenquote?

Aber die Steuerquote in Deutschland ist derzeit dennoch so hoch wie lange nicht. Zuletzt lag sie laut Bundesfinanzministerium bei 23,7 Prozent – und sie wird nach der Prognose im aktuellen Stabilitätsprogramm der Bundesregierung bis 2023 auf dem Niveau bleiben. Zuletzt lag die Steuerquote 1980 ähnlich hoch, 2004 war sie dagegen auf 20,6 Prozent gesunken, wegen der damals recht hohen Arbeitslosigkeit und auch wegen der aus dem Ruder gelaufenen rot-grünen Unternehmenssteuerreform, die zu Mindereinahmen geführt hatte.

Dass sie nun wieder nahe an 24 Prozent liegt, hat auch mit der guten Wirtschaftslage und den steigenden Einkommen sowie Unternehmensgewinnen zu tun. Sie wachsen zusammen stärker als das Bruttoinlandsprodukt, was auch erklärt, dass das Wachstum derzeit vor allem durch die Binnennachfrage, also den Konsum, am Leben erhalten wird. Wegen der internationalen Handelskonflikte und wegen der Brexit-Unklarheiten scheibt die Exportwirtschaft das Wachstum derzeit kaum an. Auch die Sozialbeitragsquote bleibt konstant bei etwa 17 Prozent.

Addiert man die Steuerquote hinzu, kommt man auf die Abgabenquote: Sie lag 2018 bei 40,5 Prozent, ein Wert, der im EU-Vergleich im Mittelfeld liegt. Diese Abgabenquote wird nach der Regierungsprognose bis 2023 nicht sinken, trotz aller Entlastungsschritte, welche die Regierung für sich reklamiert. Letztlich veranstaltet die Koalition für Arbeitnehmer und Unternehmen also ein Nullsummenspiel.

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