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Arbeiter bauen Masten für Hochspannungsleitungen auf einer Tennet-Baustelle.

© dpa/Marco Rauch

Zurück zur Oberleitung: Beim Stromnetzausbau braucht es dringend einen Kurswechsel

Aus Angst vor Bürgerprotesten werden Stromkabel immer öfter unterirdisch verlegt. Doch das ist teuer und dauert viel zu lange. Die Ampelkoalition sollte umsteuern.

Ein Kommentar von Felix Hackenbruch

Die Zahlen sprechen für sich: 14.000 Kilometer neue Stromleitungen müssen in den kommenden Jahren verlegt werden, damit in Deutschland künftig Wärmepumpen betrieben, E-Fahrzeuge rollen und Güter produziert werden. Ohne Öl, Gas und Kohle wird grüner Strom zur Lebensversicherung für die Republik. Doch von den benötigten 14.000 Kilometern sind bislang nur magere 1900 Kilometer in Betrieb.

„Wir können in diesem Tempo nicht weitermachen“, hat Wirtschaftsminister Robert Habeck beim Baubeginn eines Konverters an der Stromautobahn Suedlink am Donnerstag selbstkritisch erkannt. Die 700 Kilometer-Trasse soll ab 2028 grünen Strom von Nord- nach Süddeutschland bringen. Es ist eines der wichtigsten Vorhaben der Energiewende und sollte ursprünglich 2022 fertiggestellt werden. Doch trotz aller Dringlichkeit sind von dem Projekt bislang nur 17,6 Kilometer genehmigt.

Vor allem die Genehmigungen sollen nun endlich beschleunigt werden, verspricht Habeck. Tatsächlich sind die Regularien völlig überbordend. Für Schwertransporte bei Suedlink müssen etwa 8000 Genehmigungen einzeln erteilt werden. Bis eine vorliegt, vergehen in der Regel zwölf Wochen. Habeck gelobt Besserung: „Das muss jetzt wie Brezelbacken gehen“, sagte der Grünen-Politiker. In dieser Legislatur müssten alle Bauabschnitte des Suedlinks genehmigt werden.

Doch mit schnelleren Genehmigungsverfahren allein ist es nicht getan. Aus Angst vor Bürgerprotesten werden große Teile der Stromnetze inzwischen unterirdisch verlegt. Das verdoppelt bis verdreifacht die Kosten, verzögert die Planung und erschwert die Reparatur im Schadensfall. Und anders als erhofft, halten auch die Proteste gegen Vorhaben wie die Suedlink-Trasse an. Bauern befürchten Ernteausfälle, Umweltschützer ein Artensterben und Austrocknen der Böden.

Beim Netzausbau braucht es dringend einen Kurswechsel. Vor der verbreiteten not in my backyard Mentalität darf sich die Ampel nicht mehr bremsen lassen. Wie beim Ausbau von Windkraftanlagen sollte die Politik den Mut haben, die Dringlichkeit von oberirdischen Stromnetzen zu erklären. Sie stabilisieren das Netz und senken damit die sogenannten Redispatch-Kosten, die bei der Abschaltung von Windkraftanlagen entstehen. Mehr als vier Milliarden Euro kostete das die Verbraucher allein in 2022.

Natürlich gewinnt man mit großen Stromtrassen, die wie eiserne Wäscheständer in der Landschaft stehen, keinen Schönheitspreis. Doch für eine sichere Energieversorgung braucht es schnell deutlich mehr Stromleitungen. Das Gelingen der Energiewende und damit auch die wirtschaftliche Prosperität im Land hängt davon ab.

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