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Ellen Kobe inszeniert den „Abend über Potsdam“

© Ellen Kobe / Ellen Kobe/Promo

Abendmahl und Sprengstoff: Ellen Kobe inszeniert den „Abend über Potsdam“

Die Potsdamer Künstlerin transformiert das Werk in einen Film. Drehort ist eine Freifläche in der Nähe des Winzerbergs, nicht weit vom historischen Geschehen.

Von Richard Rabensaat

Ganz nah am tatsächlichen Geschehen soll es sein. Die nun in Potsdam wohnende und 1968 in Dresden geborene Künstlerin Ellen Kobe hat das Bild „Abend über Potsdam“ nachgebaut. Gemalt von der 1937 nach Schweden emigrierten Lotte Lasertein hängt das Bild heute im Foyer der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Für die 1993 verstorbene Laserstein war das Werk so wichtig, dass es zeitlebens prominent in ihrem Wohnzimmer platziert war.

Laserstein inszenierte das Geschehen des Bildes auf der Dachterrasse des Hauses Gregor Mendel Straße 39 in Potsdam wie das Kulturamt recherchiert hat. Das historische Bauwerk steht dort nicht mehr, also wählte Kobe eine Freifläche dem Winzerberg gegenüber, nicht weit vom historischen Geschehen.

Es ist mir wichtig zu zeigen, wie viele verschiedene Schichten sich in dem Bild treffen und wie wir auch heute mit der Vergangenheit verwoben sind.

Ellen Kobe, Potsdamer Künstlerin

„Es war das erste mal, dass ich Teil der Inszenierung und nicht die inszenierende Person war“, stellt Kobe fest. Der Philosoph David Mews übernimmt die Rolle des Regisseurs des aktuellen Geschehens, das in einem Film aufgezeichnet worden ist, der am morgigen Donnerstag im Kunstverein Kunsthaus Potsdam zu sehen sein wird. „Es ist mir wichtig zu zeigen, wie viele verschiedene Schichten sich in dem Bild treffen und wie wir auch heute mit der Vergangenheit verwoben sind“, so Kobe.

Sie begreift das Nachstellen des historischen Bildes als eine Performance, in der sich Kunsthistorie, persönliche Geschichten der gegenwärtigen Darsteller und die Lebensgeschichte von Lotte Laserstein begegnen. Geschickt hat sie in der Tonspur die verschiedenen Schichten verwoben, zitiert aus einem Roman über Laserstein deren fiktive Briefe, schreibt die Geschichte der verfolgten Künstlerin in die Gegenwart fort und lässt Assoziationen der Protagonisten ihrer Performance einfließen.

Da Vincis Abendmahl war einer der Bezüge

Da Vincis Abendmahl war einer der Bezüge Lasersteins, in ihrem Gemälde allerdings sitzt sie an Jesus Platz, den im Film wiederum Kobe einnimmt. „Das Teilen des Brotes, das Messer, das auf dem Bild auftaucht, die Äpfel, das sind natürlich alles Gegenstände, die eine Referenz zur christlichen Symbolik herstellen. Die Inszenierung der Künstlerin als Mittelpunkt des Bildes nimmt wiederum Bezug auf Selbstdarstellungen in Bildern von Künstlern wie bei Velasquez „Las Meninas“, weiß Kobe.

Auf Laserstein aufmerksam wurde sie als Kuratorin der Ausstellung „Klasse Damen“, die 2019 in Schloss Biesdorf thematisierte, dass sich damals genau vor hundert Jahren die Berliner Kunstakademie für Frauen geöffnet hatte. Laserstein war eine der ersten Studentinnen und schloss ihr Studium dort 1927 ab.

In ihrem eigenen künstlerischen Werk bewegt sich Kobe seit Abschluss ihres Studium zunächst in Berlin Weißensee und dann École Supérieur d’Art et de Design Marseille Méditerranée zwischen Film, Performance und Bildender Kunst. „Die Ausstellung ‘Das Moma in Berlin’ war so eine Art Initialzündung für mich“, erinnert sich Kobe. Sie war in der Neuen Nationalgalerie als Guide tätig und ergriff nach dem Ende der Ausstellung die Gelegenheit vor den leeren Wänden noch einmal eine Führung über die Bilder, die dort gehangen hatten, zu machen. So zeigte sie, dass die gesehenen Bilder letztlich im Gedächtnis weiter leben und den Betrachter auch über den Anblick hinaus prägen.

Ellen Kobe wurde 1968 in Dresden geboren und lebte heute in Potsdam.

© Falk Weiß

Fiktive Urenkelin von Walter Gropius

Einen neuen Schritt in ihrem performantiven Werk unternahm Kobe, als sie sich zur Eröffnung des Neubaus des Bauhauses Dessau als fiktive Urenkelin von Walter Gropius inszenierte und eine entsprechende Rede hielt. Die Inszenierung gelang so gut, dass unmittelbar im Anschluss an die Rede sogleich Autogrammwünsche an die vermeintlich prominente Nachfahrin ergingen und auch Fernsehberichte über das neu aufgetauchte Familienmitglied von Gropius erschienen.

An diese Form von Reenactment knüpfte Kobe auch bei ‘Klasse Damen’ an, als sie in einer Eröffnungsrede eine familiäre Verbindung zu Laserstein herstelle. „Wichtig ist es die Fehlstelle in der Historie zu finden, mit der eine glaubhafte Verbindung hergestellt werden kann“, weiß Kobe. Darauf will sie auch bei ihrem im kommenden Jahr geplanten Projekt den Fokus legen. „Stauffenbergs Tasche“ ist der Titel. Es handelt von der Tasche, die Claus Schenk Graf von Stauffenberg in Potsdam für das 1944 misslungene Attentat auf Adolf Hitler in Potsdam mit Sprengstoff füllte.

Den Film der Performance über Laserstein mit anschließender Diskussion zeigt Kobe am 15. Dezember 2022 im Kunstverein Kunsthaus Potsdam.

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