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Brandenburgs Polizeipräsident Oliver Stepien.

© Andreas Klaer

Drogenhandel per Encrochat: Brandenburger Polizei ermittelte 78 Verdächtige

Durch Encrochat-Entschlüsselung erzielt die Polizei Erfolge im Einsatz gegen Drogenhandel. Nun verstärken die Ermittler den Kampf gegen Kinderpornografie. 

Potsdam - Die Zahlen belegen die enorme Dimension der Taten: 200 Kilo Marihuana, zehn Kilo Haschisch, 1,2 Kilo Kokain, 24 Kilo Amphetamin, zwölf Kilo Crystal Meth, über 65 000 Stück Ecstasy, fast 6000 Konsumeinheiten LSD. Diese Mengen an Rauschgift hat Brandenburgs Polizei im Rahmen der sogenannten Encrochat-Ermittlungen sichergestellt. Dazu elf Handfeuerwaffen, darunter eine Maschinenpistole und eine „Pump-Gun“ und Vermögenswerte in Höhe von mehr als 16 Millionen Euro. „Wir reden hier nicht von Straßendealern“, machte Frank Adelsberger, Abteilungsleiter für organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt (LKA), am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Potsdam deutlich. 

Einige der ermittelten Verdächtigen wurden bereits verurteilt, andere stehen derzeit vor Gericht 

Was den Ermittlern nach Auswertung der per Kryptodienst-Anbieter Encrochat verschlüsselten Handydaten ins Netz gegangen ist, sind keine Kleinkriminellen, sondern „Topseller“ – denen die Polizei ohne den Encrochat-Coup teils nie auf die Schliche gekommen wäre. „Ein großer Teil des Dunkelfeldes, was den organisierten Rauschgifthandel in Brandenburg betrifft, konnte aufgehellt werden“, so der LKA-Experte. 

Französischen und niederländischen Ermittlern gelang es 2020, den Messengerdienst zu knacken. 550 Encrochat-Kennungen wiesen laut Adelsberger auf mögliche Täter in Brandenburg hin und wurden von den internationalen Behörden an das LKA übermittelt, 316 fielen dann tatsächlich in die Zuständigkeit der eigens eingerichteten Arbeitsgruppe „Echt“ beim LKA. Der Erfolg bislang: 42 Haftbefehle und 145 Durchsuchungen. Gegen 78 Tatverdächtige, von denen 74 identifiziert sind, wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. 

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Die Hälfte von ihnen sei vorher polizeilich nicht einschlägig in Erscheinung getreten, so Adelsberger. Die Verflechtung mit Berlin ist eng. Nicht nur was das sichergestellte Rauschgift angeht, das auch für den Berliner und den norddeutschen Markt vorgesehen war, sondern auch die Verdächtigen selbst: 42 von ihnen wohnen in Brandenburg, 26 in Berlin. 

Bei den meisten handelt es sich laut Adelsberger um deutsche Staatsangehörige. Neun der Verdächtigen seien Angehörige von Rockerclubs. Derzeit müssen sich drei Männer, die durch die Encrochat-Enthüllung aufgeflogen waren, vor dem Potsdamer Landgericht verantworten. Darunter zwei hochrangige Mitglieder der Hells Angels. Gegen 22 ermittelte Verdächtige ergingen bereits Urteile, im Schnitt wurden sie zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt. 

Zahl der Straftaten nimmt insgesamt zu  

Ungeachtet des Ermittlungserfolgs in der Rauschgiftszene ist die Zahl der Straftaten in der ersten Hälfte des Jahres deutlich gestiegen, wie Polizeipräsident Oliver Stepien am Donnerstag bekanntgab. „Wir haben einen Anstieg im vierstelligen Bereich zu verzeichnen“, so Stepien. 

Mit knapp über 80.000 Fällen im ersten Halbjahr 2022 seien das fast zehn Prozent mehr als in den ersten sechs Monaten 2021, aber weniger als die rund 86.000 Fälle im vergleichbaren Zeitraum 2019. Zwei Drittel des Gesamtanstiegs gehe auf unerlaubte Einreisen und unerlaubten Aufenthalt zurück, die oft in Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine stünden. 

Spezielle Einheiten für den Kampf gegen Kinderpornografie 

Weit mehr Sorgen bereitet der Polizei ein Anstieg der Fälle von Kinderpornografie. Bei der Verbreitung von Kinderpornografie sei die Zahl in Höhe eines unteren dreistelligen Bereiches gestiegen, so Stepien. Die Zahl der Straftaten sei im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um über das Doppelte gestiegen, im Vergleich zu 2019 sogar um über 200 Prozent. 

Das heißt nicht zwangsläufig, dass Kinderpornografie weiter verbreitet ist, sie ist aber besser aufzudecken, nachdem das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder verschärft wurde. Dadurch seien jetzt Telefonüberwachungen leichter möglich. Zudem habe das National Center for Missing & Exploited Children, eine Nichtregierungsorganisation aus den USA, viele Hinweise auf Fälle an die Bundesländer weitergegeben. Brandenburgs Polizei habe sich neu aufgestellt, um Kinderpornografie besser bekämpfen zu können. Unter anderem seien in den vier Direktionen gesonderte Organisationseinheiten eingerichtet worden, so Stepien. 

Steigende Spritpreise, mehr Tankbetrug 

Auch die Energiekrise beeinflusst die Arbeit der Polizei. So sei die Zahl der Fälle von Tankbetrug im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Das höhere Spritpreise zu mehr Delikten geführt haben könnten, sei zu vermuten, so Stepien. 

Auch auf Proteste gegen steigende Energiepreise stellt sich die Polizei ein. Wegen der Kundgebungen im Zusammenhang mit Corona – in den ersten drei Monaten des Jahres gab es knapp 1500 solcher Versammlungen – sei man darauf aber gut vorbereitet. 

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