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Die Bürgerinitiative „Spreewald statt Wildnis“ befürchtet, dass der Tourismus leidet.

© picture alliance/dpa / Frank Hammerschmidt

Gerät der Spreewald in Gefahr?: Bürgerinitiative fürchtet Ende der Kulturlandschaft

Brandenburg muss zwei Prozent des Landes als Wildnisfläche ausweisen. Dort dürfen Menschen nichts verändern. Gehört das Natur-Ausflugsziel dazu?

Ein Spreewaldkahn mit fröhlichen Touristen, der langsam das Fließ entlang gleitet. Dieses Motiv ziert ungezählte Werbeprospekte des Landes Brandenburg. Denn das Unesco-Biosphärenreservat südöstlich von Berlin ist eine einzigartige Kulturlandschaft, die Urlauber aus der ganzen Welt in ihren Bann zieht. Doch damit könnte es bald vorbei sein. Das jedenfalls befürchtet die örtliche Bürgerinitiative „Spreewald statt Wildnis“.

„Seit dem Sommer 2022 hören wir Gerüchte über eine geplante Ausweitung der Wildnisgebiete im Spreewald“, sagt der Sprecher der Initiative, Falkner Schwarz, aus Lübben. „Es geht um ein mögliches Aus für den Spreewaldmarathon und eine geplante Kahnschleuse.“ Denn entsprechend der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ solle auch Brandenburg rund zwei Prozent seiner Landesfläche als Wildnisfläche ausweisen, in der dann keine menschliche Nutzung mehr möglich wäre.

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Prozent der Landesfläche Brandenburgs soll als Wildnisfläche ausgewiesen werden.

„450 Hektar Oberspreewald und 450 Hektar Unterspreewald sollen Wildnis werden, genau die Filetstückchen der Spreewaldregionen“, sagt Falkner Schwarz. „Wir fürchten, dass in diesen Regionen der Tourismus zum Erliegen kommt und zum Beispiel die Gewässer nicht mehr von umgestürzten Bäumen oder herabgefallenen Ästen beräumt werden.“ Das würde das Wasser im Spreewald stauen, für Hochwasser in der Region sorgen und den Abfluss etwa nach Berlin verhindern.

Der in Neu-Zauche lebende Kahnfährmann Yves Schwarz ergänzt, dass in den Totalreservaten dann keine Kahnfahrten, keine Jagd und keine Fischerei mehr möglich wären. „Der Spreewald verliert sein Gesicht als Kulturlandschaft“, sagt Schwarz. In den Gegenden, die heute schon Totalreservat seien, staue sich das Wasser so sehr an, dass der Wald bereits abgestorben sei.

Der Spreewald verliert sein Gesicht als Kulturlandschaft.

Kahnfährmann Yves Schwarz

„Wir wollen unsere Landschaft nicht opfern, damit sie ein Wildnisgebiet wird“, sagt der ehrenamtliche Bürgermeister von Neu-Zauche-Wußwerk, Jens Martin. „Unsere Leute hier leben vom Tourismus: Sie haben Kredite aufgenommen, neue Kähne angeschafft, Pensionen gebaut.“ Wenn noch mehr Teile des Spreewaldes nicht mehr befahren werden dürften, hätte das erhebliche wirtschaftliche Folgen. „Wir sind keine Gegner des Naturschutzes, im Gegenteil, wir befürworten ihn“, sagte Martin. „Aber die Natur muss erlebbar bleiben: Wir wollen keine Erweiterung der Wildnis.“ Eine Kulturlandschaft müsse gepflegt werden, wolle man sie erhalten.

Unterstützung erhielt die Bürgerinitiative von der Landtagsfraktion BVB/Freie Wähler. Umweltminister Axel Vogel (Grüne) könne die Wildnisflächen per Erlass ausweisen, sagte die Uckermärker Abgeordnete Christine Wernicke (BVB/Freie Wähler). „Es kann aber nicht sein, dass ein einzelner Mensch den Stab über eine jahrhundertealte Kulturlandschaft bricht.“ Aus Sicht der Freien Wähler habe Brandenburg genügend Bergbaufolgelandschaften und alte Truppenübungsplätze, die man problemlos als Wildnisfläche ausweisen könnte, um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. „Dafür müssen wir keine Kulturlandschaft in einem Biosphärenreservat opfern.“

Kulturlandschaft mit menschlicher Nutzung

Ähnlich äußerte sich der CDU-Fraktionschef Jan Redmann. „In Brandenburg gibt es bereits in sehr großem Umfang geschützte Naturräume.“ Der Spreewald sei eine Kulturlandschaft, die von den Menschen seit Jahrhunderten genutzt werde. „Einem Petitum, das die menschliche Nutzung der Kulturlandschaft ausschließt, können wir uns nicht anschließen.“ Dagegen verwies die Fraktionschefin der Grünen, Petra Budke, darauf, dass die Lage der Wildnisflächen in Brandenburg noch in der Diskussion sei. Diese Debatte sei noch nicht abgeschlossen, so Budke.

Die Sprecherin des Umweltministeriums, Frauke Zelt, erklärte, im Brandenburger Koalitionsvertrag hätten sich die Regierungsparteien verpflichtet, auf insgesamt zwei Prozent der Landesfläche dauerhaft Wildnisgebiete zu entwickeln, in denen sich die Natur frei entfalten könne. „Für das Erreichen des 2-Prozent-Ziels von 60.000 Hektar Wildnisgebieten kommen in Brandenburg auch Flächen in Wäldern, Tagebaugebieten und auf den noch verbliebenen, ehemalig militärisch genutzten Liegenschaften in Betracht“, so Zelt.

30.000 Hektar hätten bereits 2021 als Wildnisfläche gegolten. Für zusätzliche Gebiete liefen im Ministerium gerade die Abstimmungen. „Es liegt noch kein Konzept des Ministeriums vor.“ Auch mit der Spreewälder Bürgerinitiative sei man im Kontakt. „Es geht darum, welche Landesforstflächen aus der Nutzung genommen und damit zu Wildnisgebieten entwickelt werden können“, so Zelt. Dabei gehe es nicht nur „um ausgewählte Flächen im Spreewald, sondern um eine Gesamtkulisse im Land Brandenburg.“ Die hierfür erforderliche sorgsame Prüfung und Abstimmung laufe derzeit noch. Grundsätzlich hätten Wildnis- und Naturwaldentwicklungsgebiete aber einen hohen Erlebnis- und Erholungswert und die Erlebbarkeit soll gefördert werden.

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