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ARCHIV - 15.03.2018, Berlin: Rene Springer (AfD), spricht im Bundestag. Der Brandenburger AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer will dagegen vorgehen, dass die Stadt Potsdam die Nutzung einer Schulaula für eine AfD-Veranstaltung kurzfristig untersagt hat. (zu "AfD-Abgeordneter will gegen Absage für Raum in Potsdam vorgehen") Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Michael Kappeler

René Springer ist neuer Landeschef: Neuer AfD-Vorstand in Brandenburg gewählt

Die extrem rechte AfD liegt in Brandenburg in allen Umfragen vorn. Im Superwahljahr löst der Bundestagsabgeordnete René Springer nun die Kalbitz-Vertraute Birgit Bessin an der Parteispitze ab.

Gleich am Eingang der Jüterboger Wiesenhalle, wo Brandenburgs AfD ihren Parteitag abhält, grüßt die Junge Alternative. Allein die AfD-Jugendorganisation verteilt dort Werbematerial, die vom Verfassungsschutz Brandenburgs und des Bundes als gesichert rechtsextrem eingestuft ist.

Dabei sind etwa ein Flyer „Opposition unter Feuer“, der erklärt, wie man sich auf Hausdurchsuchungen vorbereitet, diverse Aufkleber, wahlweise mit Ernst Jünger in Landser-Uniform oder Kaiser Wilhelm samt Zitat: „Blut ist dicker als Wasser“ bis hin zu Werbekärtchen für das patriotische Zentrum „Castell Aurora“ in Österreich, wo auch der Rechtsextreme Martin Sellner auftrat.

Drinnen ging der Führungswechsel glatt über die Bühne, ohne Kampfkandidatur. Neuer Landesvorsitzender ist der Bundestagsabgeordnete René Springer. Für den 44-jährigen, der früher SPD-Mitglied und Büroleiter von Alexander Gauland war, votierten in einem elektronischen Verfahren 368 der anwesenden 486 Mitglieder, 71 stimmten mit Nein, sechs enthielten sich.

Wir werden dafür kämpfen, im September stärkste Kraft zu werden, die Machtfrage zu stellen und Regierungsverantwortung zu übernehmen.

René Springer ist der neue Landesvorsitzende der Brandenburger AfD

Schon für seine Bewerbungsrede mit radikalen Tönen hatte Springer frenetischen Jubel und stehende Ovationen erhalten. „Wir werden dieses Land den Altparteien aus den Klauen reißen“, sagte er. „Wir werden dafür kämpfen, im September stärkste Kraft zu werden, die Machtfrage zu stellen und Regierungsverantwortung zu übernehmen.“ Und: „Diese Parteienherrschaft gehört abgeschafft.“ Er erwarte, dass die AfD verboten werde. Mit wem die AfD koalieren will, sagte Springer nicht, auch nicht nach seiner Wahl auf Nachfrage dieser Zeitung. Er kündigte an, dass die AfD die Verantwortlichen für Opfer von Covid-Maßnahmen und Corona-Impfungen „zur Rechenschaft“ ziehen werde.

Die AfD hat einen Vogel. Aus dem Ausland.  Der achtjährige Kakadu Coco sitzt beim Landesparteitag in Jüterbog auf den Schultern seiner Besitzerin in der Wiesenhalle.
Die AfD hat einen Vogel. Aus dem Ausland. Der achtjährige Kakadu Coco sitzt beim Landesparteitag in Jüterbog auf den Schultern seiner Besitzerin in der Wiesenhalle.

© dpa/Monika Skolimowska

Im Zusammenhang mit dem von der Plattform „Correctiv“ aufgedeckten Netzwerk-Treffen von Rechtsextremen und Rechtskonservativen im Potsdamer Adlon und Forderungen nach „Remigration“ hatte er auf dem Portal X (früher Twitter) gefordert: „Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen.“

Bisherige AfD-Chefin Birgit Bessin verzichtete auf eine Kandidatur

Springer folgt der bisherigen AfD-Chefin Birgit Bessin aus dem Lager um den früheren Partei- und Fraktionschef Andreas Kalbitz. Der war vor einigen Jahren selbst für die AfD noch zu rechtsextrem und aus der Partei ausgeschlossen worden. „Für mich ist es wichtig, dass wir aus diesem Parteitag geschlossen herausgehen, dass wir als Einheit in den Wahlkampf gehen“, erklärte Bessin ihren Verzicht auf eine Kandidatur. Als Vizeparteichefs wählte die Basis den Landtagsabgeordneten Daniel Freiherr von Lützow und Fraktionschef Hans-Christoph Berndt, der indirekt auf die bisherigen Konflikte zwischen Bessin-Vorstand und Fraktion einging: „Der Antagonismus von Fraktion und Partei muss überwunden werden.“

Der Bundesvorsitzende der Jungen Alternative, der AfD-Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck aus der Uckermark, der in den Landesvorstand gewählt wurde, warnte vor jedweden Distanzierungen der AfD von der Jungen Alternative. Er rief den Mitgliedern für die kommenden Wahlkämpfe zu: „In jedem Gespräch, das Ihr mit irgendwelchen linken oder grünen Journalisten führt, mit irgendwelchen Vaterlandsverrätern, denkt immer daran: In jedem von Euch steckt ein Deutscher. Ihr müsst ihn nur rauslassen!“ Danach erhielt Gnauck bei der Wahl 304 von 365 Stimmen, mit 84 Prozent. Wieder im Vorstand ist der Potsdamer Tim Krause, der Sprecher der Landtagsfraktion ist und beim Adlon-Treffen dabei war. Er sprach aus, worum er sich im Parteivorstand kümmern wolle, nämlich um „Strukturaufbau“, um die „Schaffung parteinaher Vorfeldorganisationen“, aber auch um das: „Wir müssen enger mit der Straße zusammenarbeiten.“

Auch Vize-Parlamentspräsident Andreas Galau schlug im Saal deutlich andere Töne als in Potsdam an. Es werde mit allen Mittel versucht, die stärkste Oppositionskraft auszuschalten, „AfD heißt auch Widerstand!“, erklärte Galau. „Lasst uns jetzt in den Wahlkampfen eintreten, unsere konservativ-freiheitliche AfD gegen die großsozialistische Einheitspartei.“

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Auf so viel Prozent kam die AfD zuletzt bei Wahlumfragen in Brandenburg.

In Jüterbog stellte die AfD weitere Weichen, um bei der Landtagswahl im September den Durchmarsch zu schaffen. Dass die Partei als „Verdachtsfall“ vom Verfassungsschutz beobachtet wird, von Gerichten inzwischen bestätigt, hat dem Zuspruch in der Bevölkerung bisher nicht geschadet. Im Gegenteil, die AfD liegt inzwischen bereits seit Juli 2023 ungebrochen in allen Wahlumfragen vorn. Zuletzt, im Januar bei einer INSA-Erhebung, kam die AfD auf 28 Prozent, gefolgt von der CDU mit 18 Prozent und der SPD mit nur 17 Prozent. Für den Wahlkampf in diesem Jahr hat die AfD, wie auf dem Parteitag mitgeteilt wurde, einen Etat von 456 000 Euro zur Verfügung.

In ihrer Abschiedsrede hob Bessin hervor, dass die AfD im Land aktuell 2412 Mitglieder zähle, der Zulauf anhalte. Vor zwei Jahren seien es noch 1400 gewesen. Inzwischen sei die Parteizentrale ein von der IHK anerkannter Ausbildungsbetrieb für Bürokaufleute. Man habe jetzt etwa die JA-Landeschefin Anna Leisten ausgebildet und übernommen. Man sei dabei, sich auf Regierungsverantwortung vorzubereiten, mit Schulungen über die Akademie „Schwarz-Rot-Gold“, sagte Bessin. Nach einer Präsentation, die sie dem Parteitag präsentierte, steht im Programm auch eine eintägige Schulung „in Verhandlungstechnik und Koalitionsbildung“. Als Zielgruppe werden „Pressesprecher, Staatssekretäre und Minister“ genannt.

Für die Medien gab es auf dem Parteitag alternative Arbeitsbedingungen, nämlich eingeschränkte, ohne WLAN, ohne Tonzugänge für Radiojournalisten, mit nur einer einzigen nutzbaren Steckdose. Journalisten konnten nur in einem abgesperrten Bereich arbeiten. Der Zutritt zu den AfD-Reihen oder gar zur Bühne war selbst für Fotografen verboten. Das habe der Landesvorstand beschlossen, sagte Bessin. Vor der Wiesenhalle gab es eine Gegendemonstration mit rund einhundert Teilnehmern, zu der ein Bündnis unter dem Motto „Kein Bock auf Nazis in Jüterbog!“ aufgerufen hatte.

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