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Land in Sicht: Philip D. Murphy, seit 2009 Botschafter der Vereinigten Staaten in Deutschland, beendet seinen Einsatz nach vierjähriger Amtszeit im Juli. -

© DPA

US-Botschafter Murphy nimmt Abschied: Tschüssikowski und Goodbye

Vier Jahre lebte er in Berlin, litt mit Hertha und wunderte sich über die örtlichen Party-Gepflogenheiten. Jetzt nimmt US-Botschafter Philip Murphy Abschied und nimmt mehr mit zurück in die Vereinigten Staaten, als bloß seine Koffer.

Dreißig Tage. 15 Städte. Abschiedsgespräche überall. Dazu kamen der Obama-Besuch, die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Kennedy-Rede und zum Schluss auch noch der NSA-Skandal. Die Juni-Bilanz der Botschafter-Familie Murphy kann sich sehen lassen. Am Donnerstag, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, hat Philip Murphy sich morgens vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verabschiedet und bekam zum Abschied ein Bild mit einem Bären im Hertha-Trikot geschenkt. Wowereit freut sich, dass die Murphys mehr als einen Koffer in Berlin behalten. Den Kindern fällt der Abschied so schwer, dass sie für deren Studium gleich ein ganzes Haus gekauft haben.

Ein letzter Auftritt

Am Nachmittag verabschiedete Obamas Mann in Berlin sich unter anderem von den Botschaftern anderer Länder bei einem Empfang am Pariser Platz. Am Abend hatte er in die American Academy geladen, um die jährliche Botschaft des Präsidenten zu verlesen. Dort wollte die Familie ein letztes Mal öffentlich auftreten – am Ende der vierjährigen Amtszeit und einer aufregenden Woche.

Am Montagmittag steht Tammy Murphy im kurzen weißen Kleid mit einer der britischen Flagge nachempfundenen Clutch scheinbar ganz entspannt in der Residenz des englischen Botschafters. Olivia McDonald gibt einen Abschiedslunch für sie. Die sechs Tische mit jeweils sieben Sitzen tragen die Vornamen der Murphys, ein Tisch heißt Tammy, einer Emma, die anderen sind nach dem Botschafter Philip und den Söhnen Josh, Charlie und Sam benannt. Noch steckt Tammy Murphy mitten im Umzug, und da sie mit ihrem Mann von Anfang an bewusst ein Team bildete, ist sie auch nicht unbelastet von dem neuen Problem namens NSA, das sie aber nur kurz erwähnt. Stress lässt sie überhaupt nicht an sich heran. Sie wirkt cool bis in die Zehenspitzen, die aus silbernen High Heels hervorlugen.

Kein Botschafter, ein Sixpack

Die Reden sind kurz, aber sehr herzlich. „Als wir nach Deutschland kamen, ging ich davon aus, wir machen hier einen Job. Ich hätte nie gedacht, dass ich wirklich Freundschaften schließen würde“, sagt sie. „Es war eine Reise, die sehr bereichernd war, die Erfahrung unseres Lebens.“ Die meisten Ladys verabschieden sich mit den Worten: „Wir sehen uns noch.“

Stimmt. In der American Academy am Wannsee sind zur Abschiedsrede am Abend rund 100 honorige Gäste zusammengekommen mit Richard von Weizsäcker an der Spitze. Der stellt die naheliegende Frage: „Wo sind die Kinder?“ Die hier Versammelten wissen, die Murphys waren im Grunde Botschafter im Sixpack. Dass die Kinder bei den Dinnerpartys die Gäste in der Residenz immer im Bademantel begrüßten, haben die hier Versammelten öfter erlebt. Murphy erzählt auch Anekdoten über neue Erfahrungen als Diplomat. „Wann kommt in Berlin der erste Gast, wenn die Party um 19 Uhr beginnt? Um 18.40 Uhr. Und in New Jersey? Um 19.25 Uhr.“

Obwohl die politische Welt heftig bebt wegen des NSA-Skandals, ist die Atmosphäre herzlich. Menschliches und Politisches wird säuberlich getrennt. Der Botschafter habe einen großartigen Job gemacht, sei effizient gewesen hinter den Kulissen und hinterlasse seinem Nachfolger große Fußstapfen, sagt der Chairman der Academy, Michael A. Hoffman. Murphy bittet die Gäste seinen Nachfolger John Emerson so herzlich aufzunehmen, wie ihn und seine Familie. Der werde einen großartigen Job machen.

Eine hoffnungsvolle Zukunft?

Es ist seine 914. Rede, er hat sie alle mitgezählt. Jeder einzelne Tag als Botschafter sei ihm eine Ehre gewesen, sagt er. Einige Tage hätten auch besondere Herausforderungen mit sich gebracht. Gemeint sind Wikileaks und der NSA-Skandal. Dann redet er über seine Idole, die Kennedy-Brüder, die er immer wieder zitiert hat. Wie sie entstammt er dem irisch-katholischen Milieu im Großraum Boston. Der Traum von Freiheit sei nicht nur amerikanisch, sondern universell. Er erzählt von einer seiner wichtigsten Missionen als Botschafter, den Townhall-Meetings. Tausenden von Jugendlichen hat er seine persönlichen Helden erklärt, neben den Kennedys sind das zum Beispiel Martin Luther King, William Fulbright als Vater des Austauschgedankens, Dietrich Bonhoeffer, Konrad Adenauer und Willy Brandt. Auch vielen muslimischen Jugendlichen hat er Amerikas wichtigste Ideale vermittelt. Viele ließen sich mitreißen, lernten durch ihn das Land selber kennen. Wenn ihm eines leid tue, dann dass er sich nicht noch mehr für zusätzliche Austauschprogramme eingesetzt habe, sagt er. Er spricht vom „Geist von Berlin“, von der Notwendigkeit, mutig zu sein und mit kleinen Schritten die Welt besser zu machen. Irgendwie scheint sich der Raum zu weiten. Spricht da wirklich noch ein Botschafter? Oder vielleicht einer, der hier seine Berufung zum Politiker gefunden hat? Heute fühlt er sich jünger als bei der Ankunft, „trotz mancher schlafloser Nacht“. Er spricht von Obamas Rede, davon dass die Arbeit weitergeht, dass die Hoffnung lebt und die Träume nicht sterben werden. Von seiner persönlichen Zukunft spricht er nicht. Nur so viel: Zur Wall Street will der frühere Banker nicht zurück.

Sonnabend früh startet das Flugzeug heim Richtung New Jersey. Als die Familie ankam im August 2009, trugen die Kinder Hertha-Shirts. Ihrer Lieblingsmannschaft sind die Murphys trotz der Abstiege treu geblieben. Bei einem privaten Abschiedsfest in der letzten Woche empfingen Tammy und Phil Murphy die Gäste ebenfalls in Hertha-Jacken.

Der Nachfolger: John Emerson kommt vom Pazifik an die Spree

Vor Obamas Wiederwahl 2012 gehörte John Emerson zu den wichtigsten Spendensammlern in Kalifornien. Er wird erwartet, wenn der Bestätigungsprozess im Senat abgeschlossen ist. Bis dahin führt der Gesandte James D. Melville die Geschäfte in der Botschaft. Bisher leitete Emerson die Abteilung Vermögensverwaltung bei der Capital Group in Los Angeles, die unter anderem American Funds managt. Ehrenamtlich leitet er den Verwaltungsrat des Konzert- und Theaterzentrums von Los Angeles. Außerdem ist der Vater von drei Töchtern im Pacific Council aktiv, einem Think Tank für die Beziehungen nach Asien. Seit 2010 gehört er zu Obamas Beratern für Handelsfragen. Auch seine Frau Kimberly ist für die Demokratische Partei aktiv. Von 1993 bis 1997 war der künftige Botschafter in der Clinton-Regierung für die Zusammenarbeit mit den Gouverneuren der Bundesstaaten verantwortlich und Sonderbeauftragter für Kalifornien.

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