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PRODUKTION - 09.01.2024, Brandenburg, Biesenthal: Franziska Ernst (l) und Annette Schmidt, beide leiten die Wukantina, stehen zusammen mit dem Koch Oliver Kahlenbach und dem Praktikanten Fabian Sliwa (2.v.r.) in der Küche und fertigen Erbsen-Möhren-Frittata. Die Wukantina ist ein kulinarischer Kollektivbetrieb für Catering im Landkreis Barnim. Das Unternehmen versorgt Schulen und Kindergärten sowie Veranstaltungen mit Mahlzeiten aus frischen, möglichst regionalen und saisonalen Zutaten. (zu dpa: ««Wukantina» - Wie geht gesundes Essen für Kinder?») Foto: Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Patrick Pleul

Wukantina aus Brandenburg machts vor: Wie geht gesundes Essen für Kinder?

Weil sich kein geeigneter Caterer fand, taten sich Eltern aus Brandenburg zusammen, um Kitas mit regionalem Essen zu versorgen. Kann das funktionieren?

Von Jeanette Bederke, dpa

In der kleinen Großküche am Rande Biesenthals im Landkreis Barnim wird eifrig geschnippelt - Weißkohl, Zwiebeln, Möhren, alles gerade erst angeliefert. „Alle sprechen von gesundem Essen aus frischen, regionalen und saisonalen Zutaten - wir machen es tatsächlich, und zwar in Bio-Qualität“, sagt Annette Schmidt. Sie ist Mitbegründerin von „Wukantina“, einem Catering-Service für Kitas und Schulhorte.

Vor fünfeinhalb Jahren hatte die zweifache Mutter über Bekannte zwei, drei Gleichgesinnte gefunden. „Wir alle hatten damals Kinder im Kita-Alter, die in ihren Einrichtungen kein wirklich gesundes Essen bekamen. Stattdessen Grütz- oder Currywurst und Nudeln mit Tomatensoße“, beschreibt sie. Sie hätten Caterer abtelefoniert, die ihren Ansprüchen genügen könnten. „Doch die kamen alle nicht aus der Region, lehnten Lieferungen in den Barnim ab.“ Schmidt und ihre Mitstreiter kündigten ihre bisherigen Jobs und traten den Beweis an, dass die Versorgung für Kinder in ländlichen Regionen auch besser geht. Inzwischen ist das Team auf 14 Mitstreiter angewachsen.

300 Essensportionen für fünf Kitas und zwei Schulhorte täglich

„Nicht jeder ist hier täglich, sonst würden wir uns hier aus Platzgründen nur ins Gehege kommen“, sagt die studierte Ingenieurin für Landwirtschaft. Rund 500.000 Euro aus eigenen und EU-Fördermitteln investierten die Neu-Caterer in den Umbau eines 20 Jahre alten Sportlerheimes am Wukensee. Bis zu 500 Essensportionen schafft die kleine Großküche, 300 für fünf Kitas und zwei Schulhorte werden dort werktags gekocht. Reich werden könne keiner bei „Wukantina“. „Alle, die hier mitmachen, tun das mit Herzblut und aus Überzeugung.“

Ralf Blauert, Vorsitzender des Verbandes deutscher Schul- und Kitacaterer (VDSKC), sagt, dass der Biesenthaler Caterer beweise, dass es möglich sei, gesunde Mahlzeiten aus bio-regionalen Lebensmitteln so zuzubereiten, dass sie Kindern schmeckten und bezahlbar blieben. „Wukantina“ ist in dem Verband eines von neun Mitgliedsunternehmen aus Brandenburg, bundesweit haben sich 56 Caterer im Verband organisiert.

Gesundes Essen aus regionalen Zutaten

Tiefkühlgemüse kommt in der „Wukantina“-Küche nicht in Topf oder Pfanne, ebenso wenig wie Kartoffelbrei aus Tüten oder komplette Fertiggerichte. Stattdessen werden die frischen Zutaten von regionalen Produzenten geliefert, wie etwa der Gärtnerei oder der Bio-Molkerei der Hoffnungsthaler Anstalten Lobetal (Barnim).

In der „Wukantina-Schatzkammer“ lagert alles, was sich länger hält: Nüsse, Gewürze, Hirse, Polenta oder auch Weizen. „Wir backen natürlich auch das Brot selbst“, erklärt Schmidt. Verzichtet wird bei „Wukantina“ auf Fleisch. Regional produziert sei es einfach zu teuer und auch nicht klimagerecht, ein weiterer Anspruch der Biesethaler Caterer. „Ohnehin bekommen Kinder mehr Fleisch, als empfohlen wird - ob zum Frühstück oder dem Abendbrot“, sagt die 43-Jährige.

Während ihre Kollegin Franziska Ernst noch mit der Stanzmaschine kämpft, die aus einem Kichererbsenbrei runde Bratlinge für den nächsten Tag macht, belädt Schmidt den Lieferwagen. Frittata aus frischen Eiern, gebacken mit Erbsen und Möhren, steht heute auf dem Speiseplan. Dazu gibt es Reis und eine cremige Pastinaken-Soße. „Wir legen auch Wert auf alte, heimische Gemüsesorten, versuchen Pastinaken, Rote Beete oder Spitzkohl so zuzubereiten, dass es den Kindern auch schmeckt.“ Acht Wochen lang gibt es täglich ein anderes Gericht. Die Rezepte klügeln Schmidt und Ernst gemeinsam aus.

Bewusstsein für gesunde Ernährung wächst nur langsam

Geliefert wird direkt bis in die jeweilige Kita- oder Hort-Küche. Die Mitarbeiter dort portionieren das Essen dann nur noch auf den Tellern. „Frisch gekocht schmeckt einfach anders - ob nun der Kartoffelbrei oder das Apfelmus, unsere Kinder stehen drauf“, berichtet Anja Gehrke, Leiterin des Montessori-Waldkindergartens „Birkenbäumchen“ in Hobrechtsfelde (Barnim), in dem 40 Mädchen und Jungen betreut werden. Gehrke hatte seit 2018 nach einem alternativen Caterer gesucht, auch aufgrund des Drucks ernährungsbewusster Eltern, die aktuell 48 Euro pro Monat für das Kita-Essen zahlen. „Wenn wir bei den Kleinsten die Grundlagen für eine gesunde Ernährung legen, werden sie auch später weniger zu Fastfood greifen“, hofft Gehrke.

Das Bewusstsein dafür wachse langsam in den Kindereinrichtungen, hat „Wukantina“-Chefin Schmidt beobachtet. Eltern würden sich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden, dass ihre Sprösslinge auf Fleisch verzichten „müssen“. Bei anderen stehe der Preis fürs Essen im Vordergrund. „Auch wir bemerken ein wachsendes Interesse an Lebensmittelqualität und -herkunft sowie vegetarischen oder veganen Angeboten“, bestätigt der VDSKC-Vorsitzende Blauert. Allerdings sorgten Preissteigerungen und die Mehrwehrtsteuerangleichung in der Gastronomie dafür, dass immer weniger Kinder an der Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen könnten. Der Verband setzt sich deshalb für ein kostenfreies Mittagessen an allen Kitas und Schulen in Deutschland ein.

Neuer Schwerpunkt bei „Wukantina“ ist die Ernährungsbildung direkt in den Kindereinrichtungen für Eltern und Pädagogen. So veranstalten die Biesenthaler gemeinsam mit der Fördergemeinschaft ökologischer Landbau drei Workshops auf der diesjährigen „Grünen Woche“ in Berlin. „Wichtigstes Argument sind Mädchen und Jungen, denen es einfach schmeckt“, meint Schmidt. Das Feedback ist „Wukantina“ wichtig: Im Büro hängen farbenfrohe Kinderzeichnungen, darauf Gerichte oder Zutaten, die gewünscht werden. „Schüler schreiben uns auch Briefe, beispielsweise wenn ihnen die Portionen zu klein sind oder ein Gericht nicht so geschmeckt hat, wie sie es gewohnt sind.“

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