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Landeshauptstadt: Besuch aus London

Zur Ehrung für den jüdischen Rechtsanwalt Ludwig Levy kamen auch seine Nachkommen nach Potsdam

Für die Deans war es ein bewegendes Familienereignis: Zu zehnt war die Familie aus London angereist, weil ihr Vorfahre Ludwig Levy in Potsdam geehrt wurde. Alle vier Enkel des jüdischen Rechtsanwalts und Sozialdemokraten, teils mit den Ehepartnern, und drei Urenkel kamen ins Stadthaus, wo am Freitag eine Gedenktafel für Levy enthüllt wurde. „Wir haben unseren Großvater und ein Stück Familiengeschichte in Potsdam wiedergefunden“, resümierte Enkelin Susan Dean. Die schwarze Platte hängt nun neben der Tür zum Plenarsaal, in dem das Stadtparlament tagt.

Vor gut anderthalb Jahren hatten die Stadtverordneten dort auf Antrag der Grünen den Beschluss gefasst, an Levy, der zwischen 1928 und 1933 in der Potsdamer Stadtverordntenversammlung saß und der während des Nazi-Regimes erst seinen Beruf aufgeben musste, mehrmals ins Konzentrationslager gesperrt und schließlich zur Flucht ins Ausland gezwungen wurde, zu erinnern. Wenig später stieß seine Enkelin Susan Dean im Internet auf eine PNN-Notiz über den Beschluss: „Ich habe geweint, als ich das las“, erzählte sie den PNN später. Die studierte Germanistin, die sich als Hochzeitsplanerin selbstständig gemacht hat, nahm Kontakt nach Potsdam auf und besuchte im August 2012 die Heimat ihres Großvaters zum ersten Mal – auf Spurensuche nach ihrer Familiengeschichte.

An diesem Samstag jährt sich Ludwig Levys Geburtstag zum 130. Mal. Elf Jahre alt war Susan Dean, als ihr Opa 1966 im australischen Sydney starb. Als ernsten, konsequenten und strengen Mann habe sie ihn in Erinnerung, erzählte sie am Freitag vor den zahlreich erschienenen Gästen im Stadthaus. Bis ins hohe Alter habe er jeden Morgen kalt geduscht – und sich abends nur zwei Stück Bitterschokolade gegönnt. Sein Motto: „Man soll aufhören, wenn es am besten schmeckt.“

Über die Zeit in Potsdam habe er selbst nie geredet. Das taten aber seine Frau und seine Tochter, Susan Deans Mutter: Von ihnen erfuhr sie mehr von der Zeit, als Levy so stadtbekannt war, dass er beim Spaziergang von der Wohnung in der Berliner Straße zur Kanzlei in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße 30/31 den Hut gleich in der Hand behielt – weil er ihn ohnehin andauernd zum Grüßen hätte ziehen müssen. Konzertabende mochte Ludwig Levy und er soll ein begnadeter Witzeerzähler gewesen sein. An den Sommerwochenenden war die Familie auf dem Wannsee unterwegs, im eigenen Boot, der „Phönix“, die im Leben der Levys später noch einmal eine entscheidende Rolle spielen sollte.

Mit der Machtergreifung der Nazis veränderte sich die Situation schnell, wie die Historikerin Simone Ladwig-Winters recherchiert hat. Der Anwalt wurde am 24. Juni 1933 wegen angeblicher kommunistischer Betätigung verhaftet – ihm wurde vorgeworfen, KPD-Mitglieder juristisch vertreten zu haben. Er bekam Berufsverbot, arbeitete in einer Konservenfabrik, bis er in der Pogromnacht vom 10. November 1938 erneut verhaftet und ins Konzentrationslager Sachsenhausen geschafft wurde. Freigelassen wurde er nur unter der Bedingung, das Land innerhalb von wenigen Tagen zu verlassen. Die Levys verkauften die „Phönix“, um die Flucht nach Palästina zu finanzieren.

Mit der Gedenktafel für Levy erinnere man auch an ein besonders düsteres Kapitel deutscher Geschichte, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Er bedankte sich für die Unterstützung der Grünen, der SPD-Fraktion und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit bei dem Projekt. Es sei ein weiterer Erfolg im Bestreben, das von den Nazis ausgelöschte jüdische Leben in Potsdam vor dem Vergessen zu bewahren, betonte Peter Schüler (Grüne), der Präsident des Stadtparlaments. Nach Levy soll irgendwann auch eine Straße benannt werden – die Pläne für die Umbenennung der Friedhofsgasse in Ludwig-Levy-Straße sind jedoch gescheitert. Nun ist eine Straße im geplanten Wohngebiet am Brauhausberg im Gespräch. Jana Haase

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