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Landeshauptstadt: Entdeckung in Teheran

Arnold Zenkert ist einer persischen Übersetzung des Potsdamer Astronomen Bürgel auf die Spur gekommen

Die erste Mondlandung verlegte Bruno Hans Bürgel ins Jahr 3000. „Der Stern von Afrika“ heißt der Zukunftsroman des Populärwissenschaftlers. Er erschien 1921 und wurde ins Russische und ins Bulgarische übersetzt. Arnold Zenkert schüttelt den Kopf und lächelt. „Von Raumfahrt hat er nichts verstanden.“ Denn die Mondlandung, die ging bei Bürgel schief. Um das Andenken an den Mann, der sich vor allem mit seinen beliebten Büchern zur Sternenkunde – allen voran „Aus fernen Welten“ von 1910 – einen Namen machte und der bis zu seinem Tod 1948 in Babelsberg wirkte, wo heute auch eine Schule nach ihm benannt ist, kümmert sich Zenkert seit Jahrzehnten mit viel Engagement.

Jetzt ist der frühere Leiter der Potsdamer Urania-Sternwarte, der mittlerweile selbst auf seinen 90. Geburtstag zugeht, dabei auf eine Überraschung gestoßen. Er spricht sogar von einer kleinen Sensation. „Bürgels Hauptwerk wurde ins Persische übersetzt“, berichtet er. Auf den entsprechenden Eintrag stieß er im Internet-Katalog der Nationalbibliothek von Teheran: Az jahan'ha-yidur lautet der Titel auf persisch – Zenkert hat das mithilfe eines Computerwörterbuchs übersetzt. Erschienen ist das Buch zwar schon 1959 – bekannt war das in Deutschland bislang aber noch nicht. Persisch ist damit nach Englisch, Französisch, Niederländisch, Spanisch, Italienisch und Tschechisch die siebente Sprache, in der Bürgels Hauptwerk erschienen ist, betont Zenkert. Er habe sofort Kontakt mit der iranischen Botschaft in Berlin aufgenommen. Wenigstens die Kopie des Titelbildes der persischen Ausgabe will Zenkert für die Bürgel-Gedenkstätte der Urania in der Gutenbergstraße auftreiben. Noch wartet er auf eine Antwort.

Zenkert selbst fand über Bürgel zu seinem späteren Beruf, der Astronomie. „Ich habe mit 13 Jahren den ersten Bürgel gelesen“, erinnert er sich. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam der 1923 in Nordböhmen geborene Bürgel-Kenner nach Potsdam. Wie seinem Vorbild liegt Zenkert daran, Laien für die Astronomie zu begeistern. Viele Potsdamer etwa werden sich an seine „Straßenastronomie“ erinnern – auf dem Luisenplatz lud Zenkert in sternklaren Nächten zum Blick durch ein Fernglas ein. „Was glauben Sie, wie die Leute anstanden“, erzählt er.

Auch Bürgel verstand sich als Mann, der für die einfachen Menschen schrieb. „Eine volkstümliche Himmelskunde“ ist der Untertitel seines Hauptwerkes. Bürgel verfasste zudem unzählige populärwissenschaftliche Zeitungsartikel und zeitkritische Analysen, zeichnete Karikaturen, schrieb Reime, Gedichte und Kurzgeschichten. Als „humanistischen Schriftsteller“ charakterisiert Zenkert den Wahlbabelsberger: „Er hat weite Kreise angesprochen, weil er allgemein verständlich und poesievoll schrieb.“

Geboren wurde Bruno Hans Bürgel in ärmlichen Verhältnissen als uneheliches Kind eines Dienstmädchens im Berliner Scheunenviertel. Seine mittellose Mutter gab ihn schon bald in eine Pflegefamilie, die des Schuhmachers Bürgel. „Bei diesen Leuten hat er es sehr gut gehabt“, sagt Zenkert, der zuletzt in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Astronomie + Raumfahrt im Unterricht“ über Bürgels Leben schrieb.

Die zunächst eingeschlagene Karriere als Fabrikarbeiter brach Bürgel bald ab. Ohne Abitur und Studium, aber mit viel Enthusiasmus bemühte er sich stattdessen um eine Anstellung beim Berliner Urania-Planetarium. Mit Erfolg. 1884 wurde er als Hilfskraft angestellt und eignete sich autodidaktisch sein Wissen an, bevor er später auch an der Berliner Universität Vorlesungen hörte. Auf Vermittlung einer russischen Urania-Besucherin und Herausgeberin schrieb er 1897 seinen ersten Artikel „Altes und Neues über den Planeten Mars“ und entdeckte dabei sein schriftstellerisches Talent.

Dass er 1919 nach Babelsberg übersiedelte, ist für Zenkert ein Zeichen der Enttäuschung Bürgels von der Novemberrevolution. Als „Zeit ohne Seele“ habe Bürgel die „Goldenen Zwanziger“ erlebt, kritisch die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm beobachtet. Allein in Babelsberg schrieb er in fast 30 Jahren 20 Bücher und an die 3000 Zeitungsartikel. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs engagierte er sich noch einmal mit der Hoffnung auf bessere Zeiten, er war im Juli 1945 einer der Mitgründer des Kulturbundes der späteren DDR. Dass die Familie seines Sohnes Potsdam und die DDR 1953 verließ, erlebte er schon nicht mehr. Bruno H. Bürgel starb am 8. Juli 1948. Beigesetzt ist er auf dem Friedhof in der Babelsberger Goethestraße.

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