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Prozess gegen Drogenkurier im Landgericht Potsdam.

© Andreas Klaer

Landgericht Potsdam: Drogenkurier aus Rathenow nennt Dealen „Vorarbeit für die Polizei“

„Äußerst kurios“ nannte der Richter das Vorgehen eines Rathenower Drogenkuriers. Am Montag startete der Prozess am Landgericht Potsdam.

Frank Tiemann war verwundert am Montagmorgen: „Äußerst kurios.“ Diesen Job mache er schon 30 Jahre, doch ein solches Vorgehen eines Angeklagten, hatte der Vorsitzende Richter am Landgericht Potsdam bisher nicht erlebt. Angeklagt ist Steve Mathias R. aus einem Dorf bei Rathenow wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen.

Konkret geht es um zwölf Kilogramm Amphetamin, circa 33 Kilogramm Kokain und circa 20 Kilogramm Marihuana, die der mehrfach vorbestrafte Angeklagte zwischen April und Juni 2020 ausliefert haben soll, sowie um weitere acht Kilogramm Marihuana und drei Kilogramm Kokain, die er gelagert haben soll. „Stimmt alles“, sagt der Angeklagte zu den zwölf vorgetragenen Fällen.

Das Kuriose an seinem Prozess: Der zweifache Vater behauptet, dass er nie als Drogenkurier agieren, sondern lediglich Vorarbeit für die Polizei leisten wollte, indem er bei den Kurierfahrten Informationen sammelte.

Emotional belastet

Um seine Geschichte zu erklären, holt der geständige Mann, der auf einem Kryptotelefon des Anbieters Encrochat als „ToxicSmith“ kommunizierte, beim Prozessauftakt aus. Im Frühjahr 2020 sei er in ein krasses Loch gefallen. Seine Ex-Partnerin hatte ihm ihren gemeinsamen Sohn entzogen. Seit dessen Geburt 2012 war Steve Mathias R. alleinerziehend, da die drogenabhängige Mutter sich nicht um das Kind kümmerte, erzählt er. Nun warf sie ihm Kindeswohlgefährdung vor. Fälschlich, wie sich laut dem Vater später herausstellte. Doch das Gerichtsverfahren zog sich, der Junge musste zwischenzeitlich ins Heim.

„Mein Kind wurde mir entrissen. Ich bin immer tiefer in ein Loch gefallen“, so der Vater. Er erzählt von Depressionen, die ihn noch heute plagen. Seine Mutter motivierte ihn damals ins Fitnessstudio in Rathenow zu gehen. Dort traf er auf Marian B., der ihm erzählte, dass er „dringend ein Plätzchen als Bunkerplatz“ bräuchte. „Jeder beim Sport wusste, dass die da was machen“, so Steve Mathias R. Rathenow erlangte jüngst traurige Bekanntheit, als im Juni eine 15-Jährige nach Ecstasy-Konsum verstarb.

Ins Drogengeschäft gerutscht

Kurzerhand bot der Angeklagte Marian B. seine Garage in Rathenow an, dafür bekam er 500 Euro. „Ich habe mich wertgeschätzt und gebraucht gefühlt“, so der Angeklagte, der zu dem damaligen Zeitpunkt gesundheitsbedingt mehrere Jahre arbeitslos war. Er könne sich weitere 500 Euro verdienen, wenn er im Monat ein, zwei Fahrten mache, so Marian B. „1000 Euro extra war für mich viel Geld“, so der Angeklagte.

So dumm es auch scheint: Ich mache schonmal die Vorarbeit für die Polizei.

Steve Mathias R., Angeklagter

Steve Mathias R. dreht sich fragend zu seinem Verteidiger. Er wolle die komplette Wahrheit sagen und erzählt, dass er sich kurz nach dem Kurierfahrten-Angebot an die Polizeidienststelle in Stendal (Sachsen-Anhalt) wenden wollte. Konkret an einen Streifenpolizisten, den er eine Woche zuvor bei einem Verstoß im Straßenverkehr kennengelernt hatte und den er sympathisch fand. Während er auf den Rückruf des Polizisten wartete, übergab ihm Marian B. das Kryptotelefon und Steve Mathias R. übernahm erste Kurierfahrten. Unter anderem ins sachsen-anhaltinische Kalbe, Heyrothsberge und Potsdam-Kirchsteigfeld.

Seine Gedanken: „So dumm es auch scheint: Ich mache schonmal die Vorarbeit für die Polizei.“ Der Angeklagte erzählt, er habe sich Nummernschilder und Namen von Lieferanten und Kunden notiert. Zugleich beschlich ihn die Erkenntnis: „Was du machst, ist richtig, richtig scheiße.“ Dass er trotz der Drogenabhängigkeit der Mutter seines Sohnes ausgerechnet ins Drogengeschäft einstieg, das könne er sich heute auch nicht erklären. Im Juni, nach etwa zweieinhalb Monaten, habe er das Kryptotelefon ins Wasser geworfen. Durch Unzuverlässigkeit sei er da herausgekommen, so Steve Mathias R.

Beim Prozessauftakt wurden die Chatverläufe zu jedem Fall einzeln vorgetragen, Zeugen wurden gehört. Das Urteil wird voraussichtlich am 27. November erwartet. Steve Mathias R. hat bereits Zukunftspläne. Baldmöglichst will er als Lkw-Fahrer einen neuen Lebensabschnitt anzufangen.

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