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Die Wissende: Die Sandsteinskulptur wurde am Donnerstag zuerst auf den barocken Neubau am Alten Markt in Potsdam gehievt.

© Andreas Klaer

Liebe, Hoffnung und Wissen für den Alten Markt: Historische Grazien zurück auf barockem Neubau

Die Potsdamer Wohnungsgenossenschaft 1956 lässt die nachgebildeten Grazien für ihr Eckhaus am Alten Markt wieder aufstellen und gibt ihnen neue Namen.

Die Rückkehr der drei Grazien auf den Alten Markt in Potsdam war am Donnerstagvormittag ein kleines Ereignis. Ab 10 Uhr hielten Touristen, Architekturinteressierte, Preußenfans und Fotografen ihre Kameras und Smartphones bereit. Die Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaft 1956 eG (PWG) ließ die aus Cottaer Sandstein gefertigten Skulpturen für ihr Eckgebäude, das frühere Klingnersche Haus gegenüber dem Fortunaportal, per Kranwagen auf den barocken Nachbau hieven.

Zuerst kam die in der Mitte, auf einer Giebelspitze stehende Grazie auf das Haus. Zwei weitere Figuren wurden rechts und links davon aufgestellt. Die vom Bildhauer Benjamin Giese geschaffenen Originale waren beim Bombenangriff auf Potsdam im April 1945 zerstört worden. Der Bildhauer Frank Kösler hatte anhand historischer Fotografien und Gemälde die Gipsmodelle für die Figuren zusammen mit seiner Tochter Ada-Sarah rekonstruiert. Das Dresdner Bildhauer-Ehepaar Stefan und Marie-Josefin Zimmermann schuf dann die Nachbildungen aus dem weißen Elbsandstein. Die Künstler sorgten, kurz bevor die Skulpturen in die Höhe schwebten, mit Hammer und Meißel für den letzten Feinschliff.

Bildhauer Stefan Zimmermann sorgt, kurz bevor die Figuren aufs Haus gehievt werden, für den letzten Feinschliff.
Bildhauer Stefan Zimmermann sorgt, kurz bevor die Figuren aufs Haus gehievt werden, für den letzten Feinschliff.

© PWG 1956 eG/Adam Sevens

Mit Schaumstoff und Seilen gesichert, wurden die Grazien auf ihren Platz gehoben und auf Stäben verankert. Die PWG hat den drei Attikafiguren Namen gegeben. Die Wissende steht in der Mitte, wendet ihr Gesicht vom Stadtschloss ab, scheint auf ihre linke Hand zu blicken. „Sie verkörpert den Respekt vor dem Leben und der Natur, vor den Kulturen unserer Welt und deren Vielfalt. Sie steht für unsere Demut gegenüber unserer Geschichte und der historischen Verantwortung unseres Volkes“, so die Beschreibung der Genossenschaft.

PWG-Vorstand Matthias Pludra erklärt die Namenswahl so: „Wir verbinden damit den Wunsch, dass es der Menschheit gelingen möge, die globalen Krisen, insbesondere den Klimawandel, zu bewältigen und den Lauf der Welt in eine gute Richtung zu lenken.“

Mit Unterstützung des Bildhauer-Ehepaars Stefan und Marie-Josefin Zimmermann wird die Wissende für den kurzen Flug am Kran gesichert.
Mit Unterstützung des Bildhauer-Ehepaars Stefan und Marie-Josefin Zimmermann wird die Wissende für den kurzen Flug am Kran gesichert.

© Andreas Klaer

Rechts auf dem Dach steht die Hoffende. Sie stehe für die Hoffnung auf Frieden in Deutschland, bei unseren Nachbarn und in der ganzen Welt sowie für den Wunsch nach Glück, Wohlstand und Freiheit für alle Menschen. Die Genossenschaft verbinde die Namensgebung mit der Hoffnung auf eine schnelle Beendigung des russischen Krieges gegen die Ukraine und aller anderen Kriege in der Welt.

Unter den Blicken vieler Menschen auf dem Alten Markt und vor den Giebelfiguren des Landtagsschlosses schwebt die Wissende in die Höhe.
Unter den Blicken vieler Menschen auf dem Alten Markt und vor den Giebelfiguren des Landtagsschlosses schwebt die Wissende in die Höhe.

© Andreas Klaer

Eine große Bedeutung wird auch der auf der linken Seite stehenden Liebenden zugewiesen. Sie verkörpere die Achtung vor allen Menschen, gleich welchen Geschlechts und Alters, welcher Religion, Lebensform, Ethnie und Nationalität. Die Liebende stehe für ein achtsames Zusammenleben und ein friedvolles Gemeinwesen. „Wir haben diesen Namen in Gedanken an die weltweit 120 Millionen Menschen gewählt, die aktuell auf der Flucht sind. Möge die Welt den Menschen überall und immer ein sicherer Ort und eine sichere Heimat sein“, sagte Matthias Pludra.

Die drei Skulpturen wurden aus Cottaer Sandstein gehauen. Das Bildhauer-Ehepaar Stefan und Marie-Josefin Zimmermann aus Dresden legte am Donnerstag letztmals Hand an.
Die drei Skulpturen wurden aus Cottaer Sandstein gehauen. Das Bildhauer-Ehepaar Stefan und Marie-Josefin Zimmermann aus Dresden legte am Donnerstag letztmals Hand an.

© Andreas Klaer

Die Namen der Grazien und die Deutungen entsprächen den Werten der PWG, so Pludra: „Solidarität, Verantwortung für die kommenden Generationen, Selbstbestimmung.“ Es seien genossenschaftliche und universelle Botschaften, die die Liebende, die Hoffende und die Wissende vom Alten Markt aus in die Welt senden. 

Bei der Wiederherstellung des historischen Stadtquartiers anstelle der Fachhochschule werden die Eckgebäude als sogenannte Leitbauten nach historischem Vorbild rekonstruiert. Die PWG baute neben dem Klingnerschen Haus auch den Plögerschen Hof an der Friedrich-Ebert-Straße. Dieser Nachbau eines italienischen Palazzos erhält noch acht Sandsteinfiguren aus der griechischen und römischen Mythologie als oberen Abschluss der Fassade.

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