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Theaterschiff Potsdam , „Sichtbare Gedanken“ , Foto: Stefan Gloede

© Stefan Gloede

Auf dem Vulkan tanzen: Ukraine-Performance auf dem Theaterschiff

Im Programm „Sichtbare Gedanken“ tritt Borys Borysenko im Frack und mit Taktstock wie ein Dirigent auf.

Von Astrid Priebs-Tröger

Im September 2022 hatte die erste Circus-Show mit Borys Borysenko und weiteren internationalen Künstler:innen auf dem Theaterschiff Premiere, das dem aus der Ukraine geflohenen, berühmten Physical Artist eine neue künstlerische Heimat bot.

Jetzt hat der multitalentierte Pantomime, Clown und Tänzer für sich und seine beiden Mitstreiter, den Sänger Gennadi Tkachenko Papizh und dem Musiker Andrej Lakisov ein neues Programm kreiert, das am Freitagabend auf dem Theaterschiff seine schwungvolle Premiere feierte.

Gleich zu Beginn von „Sichtbare Gedanken“ tritt Borysenko im Frack und mit Taktstock wie ein Dirigent auf, um sowohl das (imaginäre) Orchester als auch den ganzen Kahn in (Mitmach-)Stimmung zu versetzen. Es sieht so aus, dass er den Hut aufhat, doch seine beiden Mitstreiter entpuppen sich ebenfalls als Alphamännchen.

Zu dritt sitzen sie dann in einem Wohn- oder Hotelzimmer und da alle Künstler sind, ist ihre Sprache universell – nämlich die der Musik, des Gesanges, der Artistik oder des Tanzes. Schon das ist ein starkes Plädoyer in Zeiten, in denen Männer zunehmend kriegerisch ihre Kräfte messen, was nie auf Augenhöhe stattfindet und immer Sieger und Besiegte hinterlässt.

Frauen, immer, überall

In dieser temporären Männer-Künstler-WG wird hingegen sehr kraftvoll und beseelt Flamenco getanzt (Borys Borysenko), es werden inbrünstig Arien von Bizet, Rossini und Leoncavallo geschmettert (Gennadi Tkachenko Papizh) und mit Gitarre, Klavier und Saxophon musiziert, dass es einem das Herz bricht (Andrej Lakisov).  

Um damit sowohl der eigenen Einsamkeit, als auch der universellen Sehnsucht nach Liebe und Lebensfreude, Ausdruck zu verleihen. Und obwohl das Comedy artige Nummern-Programm eine reine Männerkiste ist, sind die Frauen, in dem was gespielt und gesungen wird, natürlich immer anwesend. Und manchmal werden sie auch aus dem Publikum heraus direkt zu einem Tanz mit in die Show gezogen.

Frauen sind also präsent, egal, ob es sich dabei um die Junge aus einem folkloristischen Lied aus Weißrussland handelt oder um Carmen aus der gleichnamigen Bizet-Oper. Und diese drei erstklassigen Solisten wachsen im Laufe dieses kurzweiligen, seelen- und sehr humorvollen Abends wunderbar zusammen.

Weil sie es schaffen, einander wahrzunehmen, sich zu schätzen und zu unterstützen. Toll ist auch, wie Papizh, mit dem Borysenko schon in der ersten Show zusammenarbeitete, jetzt selber mit drei Orangen jongliert oder mit den beiden zusammen tanzt. Und wie Lakisov, der früher mit  Borysenko in großen internationalen Shows zusammenarbeitete,  sensibel einzelne Nummern seiner Kollegen untermalt oder mit seinen jazzigen oder souligen Saxophon-Solos den gesamten Theaterkahn in Wallung bringt.

Unbändige Lebensfreude

Das alles ist sehr mitreißend und fühlt sich – im Angesicht der Weltlage – manchmal doch wie der Tanz auf dem berühmten Vulkan an. Unbändige Lebensfreude und –lust ist dabei immer zu spüren, und wahrscheinlich ist das auch die einzige Möglichkeit, dem gegenwärtigen Chaos und dem kriegerischen Grauen die Stirn zu bieten. Und statt echter Gewehr- einfach Lachsalven abzufeuern oder mit Percussion das Publikum immer wieder mit einzubeziehen.

Borys Borysenko hat auch jetzt schon weitere Pläne. Im bevorstehenden Sommer will er einen Künstler:innenumzug durch Potsdam organisieren und im Herbst einen zweiten Teil seiner 1. Circus-Show im Schlosstheater am Neuen Palais aufführen. Das jetzige Programm „Sichtbare Gedanken“ wurde wiederum vom Hans Otto Theater unterstützt, das diesmal die zahlreichen Kostüme beisteuerte.

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