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In „(don’t) look!“ geht es um Schönheitsideale und Unsicherheiten.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Die Blicke der anderen: JugendTanzCompany zeigt erstes Stück in der Fabrik

Die JugendTanzCompany der Potsdamer Fabrik zeigt am Freitag ihr erstes Stück auf der Bühne. Ein Besuch bei ihrer vorletzten Probe.

Vier Tänzerinnen verteilen drei Pappboxen in der Diagonale des Studio 4 der Fabrik; eine von ihnen setzt sich eine Box auf den Kopf, zwei andere üben im Hintergrund eine Hebefigur. Von nebenan kommt Streicher-Musik durch die Tür; dort probt die Oxymoron Dance Company des Waschhaus.

Giulia del Balzi schließt die Tür. „Wart ihr letztes Mal wirklich so platziert?“. Sie arbeitet seit acht Jahren als Tanzpädagogin an der Potsdamer Fabrik und leitet die vor einem Jahr gegründete JugendTanzCompany. Am Freitag (1. März) zeigen sie ihr erstes Stück „(don’t) look!“ auf der Fabrik-Bühne.

Diese Probe ist ihre vorletzte. Acht Tänzerinnen und ein Tänzer warten an der linken Wand, vier an der rechten. Eine Solotänzerin stülpt sich eine Box über den Kopf, tanzt damit. Nimmt sie ab, setzt sie doch wieder auf. Über die Lautsprecher stehen Statements im Raum: „Ich spüre die Blicke der anderen. Warum ist mir das nicht egal?“, „I feel it in every part of my body“ „Like I don’t have space“.

Die JugendTanzCompany der Fabrik gibt es seit einem Jahr.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Del Balzi hat das Stück zusammen mit den Jugendlichen entwickelt. In einem Brainstorming haben sie gemeinsam Themen ausgemacht, Gefühle dazu festgehalten, Bilder und Ideen gesammelt. Das Ergebnis ist ein Stück über Schönheitsideale und Unsicherheiten: Wie sich genug fühlen, wenn die Welt immer mehr erwartet?

Das Stück ist Teil eines Projektaustauschs mit der Tanzwerkstatt Cottbus; beide Gruppen ertanzen das Thema am Freitag aus unterschiedlichen Perspektiven. Der Austausch unterscheidet die Kompanie unter anderem von den Tanzkursen der Fabrik. „Wir haben die Kompanie gegründet, weil von einigen Tänzerinnen und Tänzern das Bedürfnis geäußert wurde, sich tiefer mit Tanz zu beschäftigen“, so del Balzi.

Die Fabrik bietet damit Jugendlichen zwischen 14 und 18 die Möglichkeit, zweimal in der Woche in einer festen Gruppe zu trainieren, gemeinsam Stücke anzuschauen und selbst auf die Bühne zu bringen. Angeschlossen an das Explore-Dance-Netzwerk werden auch regelmäßig Workshops mit professionellen Tänzerinnen und Tänzern angeboten, um eine eigene Bewegungssprache zu lernen. Woher die weibliche Überzahl? „Vielleicht liegt es am zeitgenössischen Tanz“, meint Giulia del Balzi. „Vielleicht haben Jungen keine genaue Vorstellung davon; interessieren sich mehr für urbanen Tanz.“

Sie selbst absolvierte ihre Ausbildung als Tänzerin in Italien, tanzte für das Junior Balletto di Toscana und Anhaltischen Theater Dessau bevor sie als freiberufliche Tanzlehrerin und Choreografin nach Berlin kam. „Professionell zu tanzen, war mir zu kompetitiv“, sagt sie. „Ich wollte aber gern die Verbindung zum Tanz behalten und arbeite gern mit Jugendlichen“.

Tanzpädagogin Giulia del Balzi hat das Stück mit den Jugendlichen zusammen entwickelt.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Die Tänzerinnen und Tänzer stapeln die Pappboxen an den Seiten des Raumes und flirren durcheinander. Del Balzi formt kaum hörbar „Zusammen!“ mit ihren Lippen, übersetzt es mit ihren Händen in einen Kreis. Die Jugendlichen fließen ineinander, gegeneinander. Verteilen sich an die Ränder, beobachten. Zwei begegnen sich, weichen einander aus. Rennen aufeinander zu, lehnen aneinander. Verwachsen miteinander.

Mut und Selbstbewusstsein

Im Rückblick auf das Jahr bekommt del Balzi häufig die Rückmeldung, dass die gemeinsame Arbeit den Jugendlichen viel Mut und Selbstbewusstsein gebracht hat. „Mit Tanz kann man sich ausdrücken und Druck loswerden“, so die Tanzpädagogin.

Cosima, eine der Tänzerinnen, bestätigt das: „Ich bekomme dadurch ein Gefühl für meinen Körper, spüre ihn mehr von den Zehen bis zum Kopf. Durch das Tanzen lerne ich auch meine Emotionen zu kontrollieren, im positiven Sinn.“ Für Luna steht der sportliche Aspekt und das Gruppengefühl im Vordergrund: „Ich lerne meine Grenzen kennen und merke, wie sie sich verschieben“. Selbst die Aufregung vor einem Auftritt hat für sie einen positiven Hintergrund, „das zeigt ja die Bedeutsamkeit“, meint Sophie.

Die Tänzerinnen und der Tänzer platzieren die Boxen wieder in der Mitte, versammeln sich, kreisen die Solotänzerin ein. Sie springt hoch, wird aufgefangen. Tanzt sich frei. Macht es einen Unterschied, die Blicke des Publikums aktiv zu steuern, wenn man selbst Teil des Prozesses war? Ein klares „Ja“ kommt aus der Gruppe. Giulia del Balzi lässt die Kompanie auch die Verbeugung nach dem Stück proben, der Applaus gehört auch dazu.

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