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Hamdi Dridi ist Tänzer und Choreograf.

© Andreas Klaer

Hamdi Dridi ist mehr Arbeiter als Künstler : Tänzer, Choreograf und „Artist in Residence“ an der fabrik

Auf den Straßen von Tunis entdeckte der 34-Jährige seine Liebe zum Tanz, nun widmet er sich in Potsdam einer Hommage an seine Eltern – zu Besuch bei einer Probe.

Von Alicia Rust

Als er sich während der Probe neben eine Tänzerin stellt, um ihre Schrittfolge zu korrigieren, bleibt er ganz ruhig. Hoch konzentriert. Sein Oberkörper bewegt sich – dem Rhythmus der Musik folgend – kaum merklich, während seine Füße derart schnell auf den Boden trommeln, dass man den vielen kleinen Schritten kaum zu folgen vermag. Maria Mikolajewska nickt. Verstanden.

Hamdi Dridi ist Tänzer, Choreograf und zurzeit „Artist in Residence“ in der fabrik Potsdam, im Rahmen von DiR - Dance in Residency Brandenburg. Das Programm verschiedener Kultureinrichtungen fördert junge Talente, denen für zwei bis drei Wochen die Möglichkeit eingeräumt wird, in der fabrik mehrere Tanzstudios zu nutzen, die zwischen 70 bis 120 qm groß sind. Darüber hinaus steht ihnen eine große Bühne zur Verfügung. Für die Unterkünfte der Tänzer ist ebenfalls gesorgt, außerdem gibt es ein kleines Honorar – neben künstlerischer und technischer Unterstützung.

„Vor einigen Jahren habe ich Sven Till, den künstlerischen Leiter der fabrik Potsdam, im Libanon kennengelernt, er beobachtet und fördert Nachwuchstalente aus aller Welt“, sagt Dridi. Er freue sich deshalb sehr über die Möglichkeit, gemeinsam mit 4 bis 5 Leuten das Stück „Oms de Ménage“ weiterzuentwickeln. Darunter die Tänzerinnen Ewa Bielak, Maria Mikolajewska sowie Emmanuel De Almeida. Bis das Stück schließlich - am 25. November - im französischen Toulouse seine Premiere feiern wird.

Für mich ist das alles miteinander verbunden, ich ziehe keine Grenzen.

Hamdi Dridi

Dridi entwickelt, vermittelt, improvisiert. Bei der Probe ist eine gelungene Mischung aus Hip-Hop, urbanem Tanz und House zu beobachten. Mal gleicht das, was er auf die Bühne bringt, einem regelrechten Kampftanz, einem sogenannten Battle, der an Capoeira erinnert. Mal werden die Bewegungen geschmeidiger, fließend, ganz zart. Bevor sie unvermittelt und eckig zu House wechseln. Abgerundet von einem Klang, der zeitweise aus einem Lautsprecher kommt. Dann wieder wird live ein nervöser Trommelwirbel eingespielt.

Hamdi Dridi (im gelben Shirt) während einer Probe in der fabrik.

© Andreas Klaer

Spannung bis zur letzten Minute

Eine Sequenz folgt der nächsten, ohne auch nur eine Minute an Spannung zu verlieren. „Für mich ist das alles miteinander verbunden, ich ziehe keine Grenzen“, so der Choreograf. Das gelte nicht nur für die unterschiedlichen Richtungen im Tanz, es sei auch der Ausdruck an sich, die dazugehörige Philosophie, der Klang, ja, sogar die bildende Kunst.

Die Bühne ist unsere Fabrik, dort verrichten wir unsere Arbeit!

Hamdi Dridi

Die Tanzenden tragen Arbeitskleidung, wie einfache Handwerker, eine Hommage an den eigenen Vater, der Anstreicher war. „Mich selber würde ich auch eher als Arbeiter bezeichnen denn als Künstler“, so der Choreograf. „Die Bühne ist unsere Fabrik, dort verrichten wir unsere Arbeit!“ Und die kann mitunter ziemlich schweißtreibend sein. In ausschweifenden Bögen fegen nun die beiden Tänzerinnen – diesmal mit Handbesen – in gebückter Haltung den Boden. Wie seine Mutter, wenn sie das Haus in Tunis, wo er mit drei jüngeren Brüdern aufwuchs, sauber hielt. Beides: Die Reminiszenz an den hart arbeitenden Vater, wie auch an die Arbeit der tunesischen (Haus-)Frau sind sich wiederholende Elemente in seinen Stücken.

Hommage an die Mutter

„Dieses Stück hier hat viel mit meiner Mutter zu tun“, sagt Dridi. Anders sein Solostück „Tu meur(s) de Terre“, das er bereits vor zwei Jahren auf den Potsdamer Tanztagen 2020 vorstellte; eine Erinnerung an den verstorbenen Vater. Während er aufwuchs, habe er die Mutter immer auf dem Gang zu den Souks - den orientalischen Märkten - erlebt, oder eben recht emsig bei ihrer Hausarbeit. „Sie ist eine starke Frau mit einer großen Lebensfreude.“ Die Mutter sei stolz auf ihn, wenngleich sie nicht immer alles verstehe, was er mache. „Sie und mein Vater haben mich immer unterstützt auf meinem Weg“, sagt der Kosmopolit, der, wenn er nicht gerade irgendwo auf der Welt unterwegs ist, in Frankreich und in Tunesien lebt.

Erste Berührungen des 34-Jährigen mit dem Tanz fanden auf den Straßen von Tunis statt, auf den Gehwegen seines Viertels „Montrouge“. Irgendwann schloss er sich der von Syhem Belkhodja geleiteten Tanzkompanie Ness El Fen an. Von 2010 bis 2011 studierte er schließlich bei Maguy Marin. Das habe ihn zu Anfang seiner Karriere sehr geprägt.  

Seit dem Abschluss seines Masterstudiengangs im Jahr 2017 gleicht das Leben des vielbeschäftigten Choreografen einer großen Reise, mit Stationen in den USA, Italien, Deutschland, Frankreich, Libanon und vielen weiteren Orten, an denen er auf Inspiration trifft. Und in welcher Sprache drückt sich der vielbeschäftigte Kultur-Arbeiter aus? „Auf Englisch, Französisch und natürlich auf Arabisch“, sagt Dridi spontan. Eine Sprache hat er vergessen: Tanz. Die Universalsprache schlechthin.

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