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Sarah Bosettis Buch „Ich hab nichts gegen Frauen, du Schlampe“ erschien 2020.

© Promo

„Klüger wohl als mancher Mann“: Sarah Bosetti reimte im Waschhaus

Nicht ganz neu, aber immer noch treffend: Sarah Bosetti las aus „Ich hab nichts gegen Frauen, du Schlampe“. Ein Abend auf der richtigen Seite. 

Von Oliver Köhler

Liebe schlägt Hass, ganz klar – sollte man meinen. Dabei sei Hass so ein Superthema, sagte Sarah Bosetti am Mittwoch (11.1.) im Waschhaus, als sie vor vollem Haus ihr Buch „Ich hab nichts gegen Frauen, du Schlampe“ vorstellte. Das Programm ist freilich nicht mehr ganz neu, das Buch von Anfang 2020 – also noch vor Corona – und Bosetti selbst ist in Potsdam keine Unbekannte: Sie ist regelmäßig bei der „PotShow“ im Spartacus zu erleben.

Aber die Resonanz im Waschhaus gibt ihr Recht. „Ich bekomme relativ viele Hasskommentare im Internet“, erzählt sie – woraufhin sie sich angewöhnt habe, diese mit Liebeslyrik zu kontern. Es gebe eben klassische Hassobjekte, gerade im Internet: Frauen, Ausländer, das „ganze System“. Und es sind fast immer – Surprise! – Männer, die ihre misogyne Verachtung heraustrompeten, damit tief verwurzelte Ängste verbergen: jene vor Kastration und Invasion. „Ich habe euch frauenfeindliche Kommentare versprochen, ihr sollt frauenfeindliche Kommentare bekommen!“

Kastrationsangstgesteuerter Präpotenz die Bedrohlichkeit entziehen

Die Wahlberlinerin Sarah Bosetti tritt seit 2009 auf Lesebühnen, Poetry Slams und in Fernsehsendungen auf. Sie ist Autorin mehrerer Bücher, seit 2015 in einer Kolumne auf Radioeins zu hören sowie mit dem TV-Format „Bosetti will reden!“ auf ZDFkultur zu sehen. Sie hat eine stattliche Fangemeinde, die auch im Waschhaus zusammenkam. Gleich die erste Überraschung des Abends hier: Viel Verachtung hat im passenden Kontext durchaus eine witzige Komponente.

Mehr noch: Die Kombination aus gelesenem Hasskommentar und dem passenden Gedicht entzieht dieser kastrationsangstgesteuerten Präpotenz kurzerhand jegliche Bedrohlichkeit und kippt sie achselzuckend ins Lächerliche. Beispiel gefällig? Eine Frau überlebe ja nicht einmal 24 Stunden in der Wildnis, weil ihre Blutspur ja hungrige Wölfe durch den halben Wald führe.

Viel lyrische Tiefe, flaches Sujet

Dieser wirre Vergleich wird von Bosetti gnadenlos ausgekontert: „Der Wolf, der ist ein scheues Tier / Er meidet Menschen, wenn er kann / Und ist damit – ich sprech von dir! – / Klüger wohl als mancher Mann“. Chapeau, so viel lyrische Tiefe für ein so flaches Sujet. Da mag sprachliche Kompetenz reziprok zu gesellschaftlicher Kompetenz sein. Anderswo tappt der Kommentator einfach in die Orthografiefalle: „Wir leben in Deutschland in einer gewählten Diktatur. Die da oben entscheiden, und wir dürfen kuscheln!“

Zugegeben: Es ist neben der intellektuellen Überlegenheit auch das wohlig-warme Gefühl der Überzeugung, auf der richtigen Seite zu stehen, das den Abend so genussvoll macht. Woke Bubble hin oder her, lustig ist es da allemal. Und wenn Sarah Bosetti 15-mal das Wort „Arschloch“ in einem Brief an Alice Weidel („Privat sind wir dicke“) verwendet, ohne sie einmal direkt anzusprechen, dann fühlt sich das immer noch gerecht an. Das nächste Programm von Sarah Bosetti soll auch bald anlaufen, erzählt sie, mit dem Arbeitstitel „Poesie gegen Populismus“. Wir freuen uns drauf.

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