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© Foto: Ottmar Winter

Ort der Sehnsucht: Theater international in Potsdam

Mit Concord Floral präsentiert das Hans Otto Theater einen Mystery-Thriller der besonderen Art. Erstmals wirken drei Studentinnen aus der Ukraine mit.

Von Alicia Rust

| Update:

Ein Gewächshaus als zentrales Bühnenelement. Ein Blätterregen aus Schlingpflanzen; wie ungekämmt fallen sie in den Raum. Drei Stühle, die verloren herumstehen, eine abgesessene Couch, die zum Verweilen einlädt. Das ist das gut ausgeleuchtete Bühnenbild von „Concord Floral“ - ein Stück des kanadischen Star-Autors Jordan Tannahill – deutsche Fassung von Frank Weigand – das sich den Zuschauern zur Premiere im Hans Otto Theater am morgigen Freitag bieten wird.

„Es handelt sich um eine Art Mystery-Thriller mit einigen Überraschungen. Die Zuschauer werden kaum wissen, was davon wirklich passiert und was hingegen nur Fiktion ist“, sagt Schauspielstudentin Viktoria Kosorukova, eine der drei Ukrainerinnen, die dem spannenden Theaterstück Leben einhauchen.

Wir sind froh und dankbar darüber, dass wir von den Deutschen so gut aufgenommen wurden

 Viktoria Kosorukova

Für die 18-Jährige, die erst seit März in Deutschland lebt, ist es der erste große Auftritt auf einer deutschen Bühne. Zuvor hat sie in Kiew schon mal auf einer kleineren Bühne gestanden. „Für mich ist das hier eine ganz große Chance, ich freue mich riesig drauf!“, sagt sie mit glänzenden Augen. Inzwischen lebt sie mit ihrer Mutter in Potsdam.

Kaum mit der Schule fertig, hatte sie an der Kiew National University of Cinema, Television and Theater mit dem Schauspielstudium begonnen, nach einem halben Jahr brach dann – vollkommen unerwartet – der Krieg aus. Nie hätte sie damit gerechnet, einmal in Deutschland zu stranden. „Ursprünglich hatte ich vor, später nach London oder in die USA zu gehen.“ Ausschlaggebend für den gegenwärtigen Standort sei eine in Berlin lebende Tante gewesen.

Ihre Kommilitoninnen Anastasiia Nikitenko und Anastasiia Mazhara nicken. Was sich anfangs aus der schieren Not und eher durch Zufall ergab, betrachten sie inzwischen als großen Glücksfall. „Wir sind froh und dankbar darüber, dass wir von den Deutschen so gut aufgenommen wurden“, da sind sich alle drei einig. Vor allem die Ausbildung und die Unterstützung an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf sei großartig. Allein eine bezahlbare Wohnung zu finden, sei eine ziemliche Herausforderung gewesen. Noch immer sei die Situation „semi-optimal“. Doch beklagen wolle man sich nicht.

Dramaturgin Flubacher begrüßt die Zusammenstellung des Teams. „Wir wussten bereits im Vorfeld, dass wir in diesem Jahr erstmals auch mit drei ukrainischen Studierenden arbeiten dürfen, bei unserem Projekt handelt es sich ja um eine Koproduktion mit der Filmuniversität Babelsberg.“ Dazu wurden Studierende aus dem 3. Jahrgang ausgewählt, die sich an der Produktion beteiligen wollten, teils in Kombination mit einem Erasmus-Programm.

„Eine einmalige Gelegenheit, nun haben wir ein superinternationales Team!“ Das Besondere sei die sprachliche Situation, so die Dramaturgin. „Auf der Bühne sprechen wir Deutsch und Ukrainisch, während der Proben arbeiten wir auf Deutsch und Englisch, die Schauspielerinnen singen auf Italienisch und wir haben einen Choreografen, der aus Brasilien kommt, der teilweise Portugiesisch spricht.“ Eine kunterbunte Mischung, verteilt auf 9 Studierende.

Interessant war für uns, wo die Studierenden sofort Nähe, aber auch Widerstände zu einer Figur aufbauen konnten

Sina Katharina Flubacher

War denn Berlin oder Potsdam ein Kulturschock für sie? Die drei ukrainischen Studentinnen schütteln den Kopf. Das Schauspielstudium sei schon ein bisschen anders. Aber Berlin und Kiew hätten ziemlich viel gemeinsam. „Beide sind internationale und kreative Metropolen“, sagt die platinblonde Anastasiia Mazhara, die im Stück zuweilen einen Fuchs darstellt. Dieser stehe für Weisheit und Erfahrung. Hat er etwas mit ihr gemein? Beide Anastasiias lachen. Anastasiia Nikitenko mit den langen braunen Haaren nickt.

Sie spielt die Rolle des Mädchens, die im Stück als Mobbing-Opfer auftaucht. Viktoria hingegen spielt ihre Traumrolle: die Feldlerche. „Lilli (Hoeppner) und Sina (Flubacher) haben unsere Rollen schon mit einem besonderen Gespür ausgesucht“, finden sie. „Wir haben uns den Rollen nicht biografisch genähert. Interessant war für uns, wo die Studierenden sofort Nähe, aber auch Widerstände zu einer Figur aufbauen konnten“, so Dramaturgin Flubacher.

Das Schauspielensemble erlebt sie als präsent, hellwach, hochmotiviert; insbesondere die Ukrainerinnen. Kaum einer ahnt, was in ihren Köpfen vorgeht, wenn sie Tag für Tag die niederschmetternden Nachrichten aus ihrer Heimat vernehmen. Wenn sie an ihre zurückgebliebenen Familien denken, an Freunde, an Mitstudierende an ihren alten Universitäten, die nach wie vor ihren Alltag meistern. Inmitten eines Kriegs. „Ich habe aufgehört, an die Zukunft zu denken“, sagt die 20-Jährige Anastasiia Mazhara. „Einfach jeden Tag so bewusst wie möglich leben“, darum gehe es ihr heute. Von einer Sekunde auf die andere kann schließlich alles vorbei sein.

Premiere: 28. Oktober 2022, in Kooperation mit der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Nächste Aufführungen:  Do 10.11. 18:00 Uhr Reithalle, Fr 18.11. 19:30 Reithalle (Ausverkauft), Sa 19.11. 19:30 Reithalle

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