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Rapper Megaloh ist am 6. Oktober im Nikolaisaal zu Gast, zusammen mit dem Filmorchester Babelsberg.

© Robert Winter

Reiselust und Leichtigkeit: Was der Nikolaisaal 2023/24 plant

Der Potsdamer Konzertsaal und sein Hausorchester Kammerakademie Potsdam starten am 1. September in die neue Saison. Mit viel Prominenz und dem Motto „Aufbruch“.

Im Juni 2020, als der Kulturbetrieb sich kurz der Illusion hingeben konnte, die Pandemie sei so gut wie bezwungen, feierte Dota Kehr in einem betörenden Konzert Wiederauferstehung. Im Foyer des Nikolaisaals war das, mit Abstand und Mundschutz. Zu Beginn der neuen Saison am 1. September ist die Berliner Sängerin nun zurück in Potsdam, diesmal auf der großen Bühne und mit großem Orchester: begleitet vom Deutschen Filmorchester Babelsberg.

Einen Tag danach gibt die Kammerakademie Potsdam ihren Einstand in die Saison und liefert mit dem Titel des ersten Konzerts auch das Spielzeitmotto: „Aufbruch“. „Uns hat die Reiselust gepackt“, sagt Programmleiter Michael Dühn bei der Pressekonferenz im Foyer des Nikolaisaals. Und, nach drei Jahren Pandemie, gefolgt von Krieg und Energiekrise, auch „die Sehnsucht nach einer bestimmten Leichtigkeit.“ Zudem will man Dühn zufolge gern zurück zu einer vorpandemischen Auslastungsquote von 85 Prozent. Im Moment liegt sie bei 75 Prozent.

Der Nikolaisaal und sein Hausorchester, die Kammerakademie Potsdam (KAP), wollen in der kommenden Spielzeit das Weite suchen. Geografisch, aber nicht nur. Im Auftaktkonzert mit Pianistin Anna Vinnitskaya, die Artist in Residence der KAP wird, geht es um den Aufbruch in eine neue Epoche (die Romantik) beziehungsweise Lebensphase (die Ehe). Gespielt werden Robert Schumann und Sergei Rachmaninow, der in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag gefeiert hätte.

Neue Horizonte

Neue musikalische Horizonte, außereuropäische Bezüge: Das soll 2023/24 die Richtung angeben. Dazu passt Teil drei des Auftakts, das Familienkonzert am 3. September. Titel: „Mit 80 Tönen um die Welt“. Dazu passen auch der in die neu aufgelegte Reihe „Lieblingsklassiker“ eingeladene Tenor Rolando Villazón aus Mexiko und der türkischstämmige Pianist Fazil Say, der die Sängerin Serenad Bagcan nach Potsdam holt. Musik aus Portugal wird mit Fado-Sängerin Carminha ebenso zu Gast sein wie Musik aus dem Libanon (Rabih Lahoud), Tunesien (Dhafer Youssef) und Kuba (im Themen-Wochenende „Cuba Special“).

Michael Dühn ist seit 2018 Programmleiter am Nikolaisaal. Nun wurde sein Vertrag bis 2028 verlängert.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Neu ist der Blick über den europäischen Tellerrand am Nikolaisaal nicht, aber er fügt sich bestens ein in bereits bestehende Formate: „The Voice in Concert“ bekommt Besuch aus Argentinien (Lily Dahab) und Algerien (Djazia Satour), ein Interaktiver Schul-Workshop will Kinder in die musikalische Welt Syriens entführen. Im erprobten Format „Klassik am Sonntag“ geht es ebenfalls auf Reisen: in „Märchenlandschaften“ (mit „Schwanensee“) oder „Böhmische Dörfer“ (mit Smetana, Dvorak und Janacek). Auch die Familiensinfoniekonzerte gibt es natürlich weiter, aber: Statt Malte Arkona moderiert nun Juri Tetzlaff.

Wie klingt das All?

Insgesamt 150 Eigenveranstaltungen stemmt der Nikolaisaal in der Saison, die Hälfte davon sind Vermittlungsformate. Kein Zufall. Niedrigschwelligkeit, Offenheit für alle: Das sind den Leiter:innen zufolge wesentliche Parameter für Nikolaisaal und KAP.

Am Nikolaisaal hat Musikvermittlerin Auli Eberle erneut eine ganze Reihe von Baby- und Kleinkinderkonzerten konzipiert, auch diese teilweise im spielzeitgemäßen Zeichen des Aufbruchs: Musiktheater zwischen Dada, Kammermusik und Bollywood für Babys und Kitakinder unter dem Titel „Wortlaut -Summ“ und „Wortlaut-Brumm“ zum Beispiel. Im April fragt ein Kinderkonzert: „Wie klingt das All?“, Gebärdendolmetscherin inklusive.

Die Pianistin Anna Vinnitskaya ist 2023/24 Artist in Residence bei der Kammerakademie Potsdam.

© Marco Borggreve

Auch bei einem in Kooperation mit dem Filmmuseum Potsdam entstandenen Großkonzertprojekt wird in Gebärdensprache gedolmetscht werden: Wenn Andreas Dresen und Alexander Scheer am 27. Januar vom Filmorchester Babelsberg befeuert Lieder von Gerhard Gundermann singen. Hintergrund ist die Jubiläumsausstellung „Voll das Leben. Andreas Dresen und Team“, die das Filmmuseum zu Dresens 60. Geburtstag plant.

Überhaupt wird erneut nicht mit Prominenz gegeizt: Meute geben am 8. September hypnotischen Techno, Megaloh am 6. Oktober Deutsch-Rap mit Herz, Schauspieler Fabian Hinrichs reist mit Thomas Mann und Paganini nach Italien („Mario und der Zauberer“, 17. November), Jens Harzer und Barbara Auer reisen mit Heine, Schubert und Wagner nach Paris (23. September).

Viel Spannendes im Einzelnen, nicht viel Neues im großen Ganzen also? Nicht ganz. Anlässlich der ab 18. November am Museum Barberini geplanten Ausstellung „Munch. Lebenslandschaft“ ist ein Barberini-Spezial angekündigt: zwei Veranstaltungen im Februar und März mit Musik von Grieg und Schauspieler Jörg Hartmann, der norwegische Texte von Ibsen bis Knausgard liest.

Eine formale Änderung: Die Reihen Symphonic Grooves und Jazz@Nikolaisaal wurden gebündelt und heißen nun „Jazz, Pop und Global Sounds“. Und: Programmleiter Michael Dühn bleibt dem Haus, ebenso wie bekanntermaßen Geschäftsführerin Heike Bohmann, weitere fünf Jahre erhalten. Bis 2028.

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