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„How to die - Inopiné“ von Mia Habib feiert in der fabrik Potsdam seine Deutschlandpremiere.

© Tale Hendnes

Saisonauftakt an der fabrik: Party auf Trümmern

Ekstase und Endlichkeit: In ihrer Deutschlandpremiere von „How to die - Inopiné“ thematisiert Mia Habib berührend den Tod und feiert grandios das Leben.

Der Abend, mit dem die fabrik Potsdam am Freitagabend (7.10.) ihre Tanzsaison einläutet, ist nicht einfach ein Tanzabend. „How to die“ von der in Oslo lebenden Choreografin Mia Habib versteckt sich unter dem Cover einer Gebrauchsanweisung („Anleitung zum Sterben“), ist aber über weite Strecken das Gegenteil. Ist Party, Rausch, strotzend vor Übermut und Potenz wie Technopartys. Dass das Zucken und Hecheln zu ohrenbetäubenden Electrobeats von Verzweiflung manchmal nicht zu unterscheiden ist, gehört dazu: Feiern bis zum Anschlag. So geht es los.

Das stimmt nicht ganz. Los ging diese Voraufführung mit großer Betriebsamkeit. Ein aus Holzlatten und Rohren, Planen und Ästen improvisiertes Bauwerk in der Bühnenmitte wird abgetragen. Die sechs Tänzer:innen auf der Bühne bewegen sich nicht wie Tänzer, sondern wie Arbeiter, ein Ziel vor Augen. Wortlos, zügig. Bald ist von der hohen Konstruktion (war es ein Schiff? eine Insel? eine Burg?) nichts mehr zu sehen. Nur die Einzelteile liegen auf der Bühne herum, wie vom Sturm zerzaust. Dann wird die Musik aufgedreht. Dann wird getanzt.

Bässe wummern, bis Denken unmöglich wird

Grelles Stroboskoplicht flackert in Rot und Blau, Bässe wummern bis in die Magengrube - so laut, dass Denken unmöglich wird. „How to die - Inopiné“ zwingt einen ins Jetzt. Es ist eine Party auf Trümmern. Überall liegen nach wie vor Bretter, Seile, Äste, Tücher auf dem Boden, die umtanzt werden müssen. Jede:r hier tanzt für sich, jede:r am Limit, immer schneller. Bis plötzlich Stille ist, nur noch eine Tänzerin heftig atmet. Dann liegen sie alle da, reglos im Gerümpel. Sehen wie Angespülte, Fallengelassene aus. Treibgut, das irgendwo angelandet ist.

Der eigentliche große Reiz von „How to die“ besteht aber nicht in der Reizüberflutung dieser ersten Hälfte. Er besteht in der Tatsache, dass es immer weitergeht. Auf den Exzess folgt die Stille. Auf die Stille folgt der Wiederaufbau. Neue Konstrukte entstehen, neue Inseln, die Schiffe oder Baracken sein könnten. Und auf diesen Wiederaufbau folgt wiederum ein Bruch: Die vormals reibungslos abschnurrenden Arbeitsabläufe werden durch sekundenweises Innehalten unterbrochen, hinterfragt, abstrahiert.

Was hält uns am Leben?

Und ganz am Ende: die Kontaktaufnahme. Die auf der Bühne platzieren behutsam Äste und Holzplatten, auf Knien oder Händen der Zuschauer, als wären es Fühler. Draußen vor der fabrik treten sie dann aus ihren Rollen hervor: Um kleine Feuerstätten herum erzählen sie ihre eigenen Geschichten. Über Geburt oder Sklavenhandel oder Black Lives Matter.

„How to die“ ist durchzogen von Bildern, die Assoziationen zum Tod auslösen. Gewalt, Hunger, Durst, Atemstillstand. Letztlich aber ist es ein Stück über das Leben und die Frage, was am Leben hält. Vielleicht ist es einfach der Impuls, immer weiterzumachen. Vielleicht der sexuelle Trieb. Vielleicht die Suche nach Nähe. Vielleicht sind es die Geschichten, die wir uns erzählen. Diesem großartigen Stück gehen die Ideen nicht aus.

Deutschlandpremiere am 7.10. um 19.30 Uhr in der fabrik, nochmals zu sehen am 8.10.

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