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Liebeleien. Der Stummfilm von 1928 spielt zur Baumblüte.

© Heimatverein Werder

Potsdam-Mittelmark: „In Werder blühen die Bäume“

Wie ein alter Stummfilm über Werder und weitere Stadtgeschichten vor dem Vergessen gerettet werden

Von Eva Schmid

Werder (Havel) – Ein Graf, ausgestattet mit Monokel und Lackschuhen, wird in das Mekka der Obstweintrinker verschleppt. Und zwar pünktlich zum Baumblütenfest. Der Exzess ist vorprogrammiert. In dem Stummfilm „In Werder blühen die Bäume“ aus den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts verschlägt es den feinen Herrn nach Werder. „Ungemein realistisch führte er die Erscheinungsformen des Rausches vor“, heißt es in einem Bericht über den Film. Der Film wäre womöglich für immer in Vergessenheit geraten, wenn er es nicht in die aktuelle Ausgabe der Werderaner Heimatgeschichten geschafft hätte.

In zwölf Berichten werden auch in diesem Jahr fast vergessene Episoden der Stadtgeschichte in den „Heimatgeschichtlichen Beiträgen“ wieder in Erinnerung gerufen. Die Geschichten zeigen dabei Seiten der Blütenstadt auf, die man nicht unbedingt kennt. Bereits seit Anfang der 80er-Jahre wird das Heft herausgegeben – jedes Jahr mit einem anderen farbigen Einband. Über die Jahre hat sich daraus eine bunte Sammlung von persönlichen Geschichten, Kuriosem, längst Vergessenem und Besonderem ergeben. „Selbst in einer Chronik würde das so detailliert niemals auftauchen“, sagte Klaus Froh, Herausgeber des Bandes und Vorsitzender des Werderaner Heimatvereins. Das Besondere: „Es werden viele Geschichten über Werderaner erzählt und das macht das Buch liebenswert“, so Bürgermeister Werner Große (CDU) am Donnerstag bei der Buchvorstellung. Anschaulich wird das Ganze durch viele Bilder – in Hochglanz gedruckt, betont der Herausgeber. So seien auch alte, verwaschene Aufnahmen noch gut erkennbar. Und die Heimatgeschichten kommen an: Die Ausgabe aus dem vergangenen Jahr mit rund 500 Heften war kurz vor Weihnachten ausverkauft. Damals ging es um Geschichten aus Phöben, Plessow und Töplitz.

In diesem Jahr steht wieder Werder im Fokus: Da erzählen zwei Obstbauernfamilien, die Kärgers und Matznicks, über ihre mühsamen Versuche, kurz nach der Wende Obstwein herzustellen. Mit Geschirrtüchern wurde das Obst ausgepresst und wenn die Früchte aus dem Garten nicht reichten, ging es raus in die Natur zum Sammeln. Ein paar Seiten weiter steht die mittlerweile 17. Serie über Postkarten mit Werderaner Motiven. Dieses Mal geht es um Ansichtskarten vom Kriegerdenkmal auf dem Marktplatz. Dem Autor Erhard Schulz gehen die Postkartenmotive nicht aus. „Das scheint ein unerschöpfliches Thema zu sein“, so Herausgeber Froh. Die meisten Autoren sind übrigens vom Werderaner Heimatverein, der zusammen mit dem Obst- und Gartenbauernverein, dem Freundeskreis Bismarckhöhe und dem historischen Weinbauverein das Heft publiziert.

Ganz besonders stolz ist Herausgeber Froh über den Rückblick des ehemaligen technischen Geschäftsführers der Vulkanfabrik, Hubert Rießner. Er hat die Geschichte der Traditionsfabrik vom Bauantrag von 1916 bis zur Abwicklung über die Treuhand 1990 aufgeschrieben. Und bis heute wird der historische Ort weiterentwickelt: Künftig soll dort ein Wasserwanderstützpunkt entstehen. Der Eigentümer des Denkmals plant Bootsunterkünfte, Servicestätten und ein Lokal. Die Fabrik war bereits Thema bei den diesjährigen Werderaner Gesprächen: „Danach haben mich ehemalige Arbeiter und Lehrlinge aus Potsdam angerufen, um mehr über die Geschichte ihrer ehemaligen Fabrik zu erfahren“, so Froh.

Auch die Kultur kommt in dem Heft nicht zu kurz: Dieses Mal wird die Geschichte des in Werder lebenden Künstlers Peter Joseph Weymann, dem Besitzer des Kuddeldaddeldu, erzählt. Anfangs, so heißt es in dem Bericht, war er für Werder gewöhnungsbedürftig, heute gehört er zum Inventar der Stadt. Eva Schmid

Das Heft ist für 7,50 Euro in der Buchhandlung Werder, Auf dem Strengfeld 3a und in der Buchhandlung Hellmich, Brandenburger Straße 161 erhältlich.

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