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Stellt sich am Berg seinen Dämonen: Jan Ullrich.

© Achim Frank Schmidt

Prime Doku über Jan Ullrich: „Ja, ich habe gedopt. Jetzt weiß jeder Bescheid.“

Mahnung? Verklärung? Heldenverehrung? Die Amazon-Prime-Doku „Der Gejagte“ zum späten Doping-Geständnis von Jan Ullrich lässt einen etwas ratlos zurück.

Déjà-vu am vergangenen Sonntag in der „Sportschau“: Jan Ullrich war plötzlich wieder da. Sitzt ARD-Reporter Hajo Seppelt gegenüber und erklärt, dass und warum er in seiner Radsport-Karriere gedopt hatte. Ein Paukenschlag? Die meisten Sportfans, die man darauf ansprach, zuckten mit der Schulter: Jan Ullrich bei seinem Tour-Triumph 1997 gedopt? Das war doch eh’ klar.

Möglicherweise hätte die Jan-Ullrich-Doku „Der Gejagte“ (Amazon Prime) diesen Vorlauf mit dem Geständnis gar nicht nötig gehabt. Nicht nur Doping-Experten, auch eingefleischte Radsportfans werden bei diesem dreistündigen Film über Deutschlands ersten und einzigen Tour-de-France -Sieger auf ihre Kosten kommen, zu sehr ziehen die Bilder von keuchenden Leibern auf Carbon-Gestellen und kilometerlangen Berganstiegen vor jubelnden Zuschauern und grandiosen Landschaften in ihren Bann. Immer noch.

Ja, ich habe gedopt. Jetzt weiß jeder Bescheid, es fühlt sich besser an.

Jan Ullrich

Die Geschichte hat ja auch was: Aufstieg und Fall eines deutschen Sporthelden, noch viel krasser als bei Boris Becker. Jugend in der DDR, Riesentalent, erster Vertrag bei der Telekom, 1996 noch Zweiter bei der Tour de France, dem wichtigsten Radrennen der Welt, 1997 der Triumph. Jan Ullrich, plötzlich ein deutscher Held, Liebling nicht nur der „Bild“-Zeitung. „Uns Ulle“.

Doping-Zweifel wurden weg gelächelt. 2006 dann das abrupte Ende seiner Karriere. Ein Tag vorm Tourstart wurde Ullrich aus dem Rennen genommen. Starker Doping-Verdacht. Ullrich streitet ab. 25 Jahre später sagt dieser in die Kamera, immer noch sichtlich gekennzeichnet von Alkohol- und Drogenmissbrauch in den Jahren nach dem Karriereende: „Ja, ich habe gedopt. Jetzt weiß jeder Bescheid, es fühlt sich besser an, und das war für mich persönlich ein Heilungseffekt.“ Er habe damals mitmachen müssen in einem System, um auf Augenhöhe mitfahren und siegen zu können. Er war ganz oben, er war ganz unten, jetzt gefällt ihm die Mitte ganz gut.

So einfach ist das? Vielleicht. Wenn man’s so macht wie in dieser Produktion von Oliver Berben., die sich der Fasznation des Gejagten nicht immer entziehen kann. Die Ullrich-Doku wird, neben reichlich Archivmaterial, Statements von Ex-Trainern und Kollegen, Freunde, Mutter und Brüder, über vier Teile hübsch eingerahmt von einer Art „Re-Tour“.

Mit fast 50 stellt sich Jan Ullrich seinen Dämonen, klettert für den Streamer noch mal aufs Rennrad fährt erstaunlich fit durch halb Südfrankreich die Orte seiner Triumphe (und Verfehlungen) ab. Die schönste Szene dabei, als Ulle bergan unerkannt an einem Amateur vorbei radelt. „He, do you know me? I’m Jan Ullrich, i got the yellow jersey 25 years ago.“

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