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Beim Goalball kommt es besonders auf koordinative und kognitive Fähigkeiten an.

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Ohne Applaus und Jubelgesänge: Beim Goalball erhält "Augen zu und durch" eine ganz neue Bedeutung

Goalball ist der populärste Ballsport für Menschen mit Seheinschränkungen. Bisher gibt es allerdings nur wenige Anlaufstellen in Deutschland.

Am 24. August 2021 sollen die Paralympischen Spiele in Tokio beginnen. Mit am Start wird die gebürtige Berlinerin Maria Tietze sein. Die inzwischen 31-Jährige begann einst mit dem Fußball als Sportlerin und ist nach einem Unfall und einer Amputation am linken Unterschenkel nun Paralympionikin (und spielt nebenbei immer noch Fußball). An dieser Stelle erzählt die Sprinterin und Weitspringerin monatlich und dann vor den Spielen in kürzeren Abständen von ihrem Weg nach Tokio.

Als Zuschauerin seinen Augen kaum zu trauen, weil der Ball mit bis zu 80 Stundenkilometern über das Spielfeld geschleudert wird und noch dazu von Spielern, die gar nichts sehen, ist dann Realität, wenn man Goalball schaut. Mit welcher Präzision die Spieler:innen einen Ball über ein Feld in das gegnerische Tor spielen, obwohl sie ihn nur hören können, lässt einen den Atem anhalten.

Dieser traditionsreiche Sport, ist die weltweit am weitesten verbreitete Ballsportart für Menschen mit Seheinschränkungen. Gespielt wird mit einem Klingelball auf einem 9 mal 18 Meter großem Spielfeld, an dessen Enden jeweils ein Tor steht, das die gesamte Spielfeldbreite abdeckt und 1,25 Meter hoch ist. Dimensionen, die einer fußballverwöhnten Nation erscheinen, als müssten mehr Tore fallen als beim Handball. Erst recht, wenn die Verteidiger:innen nicht sehen, wenn der Ball auf das Tor zu rast.

Mit vollem Körpereinsatz und dank eines geschulten Gehörs, Orientierungsfähigkeit und guter Intuition liegt weit häufiger ein:e Spieler:in zwischen Ball und Tor. Dann heißt es blitzschnell umschalten, denn der Gegenangriff kommt schon binnen der nächsten zehn Sekunden. Das Sprichwort „Augen zu und durch“, erhält in diesem paralympischen Sport eine ganz neue Bedeutung.

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Gerade weil sich die drei Spieler:innen pro Team voll auf die Geräusche im Spiel verlassen, darf auf den Rängen weder laut angefeuert noch geklatscht werden – auf gewisse Art also ein sehr Corona-konformer Sport. Durch Augenpflaster und darüber einer Dunkelbrille haben die ohnehin schon sehbehinderten Spieler:innen keinerlei Restsehvermögen, dafür aber absolut gleiche Bedingungen.

„Goalball spielen und nicht lachen.“

Anders als bei den geläufigen Mannschaftsballspielen entfällt beim Goalball also die Auge-Hand-Koordination und wird eher durch eine Ohr-Körper-Koordination ersetzt. Habe man das einmal verinnerlicht, bliebe im Spiel keine große Herausforderung mehr, so der Wahlberliner Michael Dennis. Als Center ist er Taktgeber auf dem Feld und Führungsspieler in einer deutschen Mannschaft, die den Blick fest auf die Goldmedaille in Tokio gerichtet hat.

Schließlich gelten die Deutschen vor allem bei der Konkurrenz aus Amerika als zielstrebig und ernst. Michael Dennis wurde mehrfach gefragt, warum sie denn bei Turnieren nie lachen würden. Als er diese Frage seinem Trainer scherzhaft weitergab, war die zu erwartende Antwort: „Ihr sollt Goalball spielen und nicht lachen.“ Die Zeichen stehen gut, dass am Ende der Paralympics das deutsche Team am meisten zu lachen hat.

Beim Goalball spielt die Ohr-Körper-Koordination eine wichtige Rolle.

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Bislang sind die Männer um Dennis von Verletzungen verschont geblieben. Mehr noch, sie sehen in den verschobenen Spielen sogar einen Vorteil. „Wenn ich darüber nachdenke, was wir in den letzten zwölf Monaten gemacht und einstudiert haben, ist das eine ganze Menge mehr, als wir letztes Jahr in Tokio gekonnt hätten. Dementsprechend können wir uns nicht beklagen“, so Dennis.

Wenige Anlaufstellen in Deutschland

Jetzt stehen noch ein bis zwei kürzere Lehrgänge an und im besten Fall startet auch im Juli nach langer Pause endlich wieder die Bundesliga. Denn die Spielpraxis, die dort gesammelt werden kann, wäre ein wichtiger Baustein für Tokio. Training allein ist eben auch bei den Deutschen nicht alles.

Auch wenn durch Hygieneauflagen weniger Mannschaften die Hallen nutzen durften und somit die Goalballer mehr Hallenzeiten zur Verfügung hatten, möchte man sich mal wieder messen und die Lorbeeren des täglichen Trainings ernten. Wobei es nach den Paralympics direkt interessant weiter geht. Noch offen ist das genaue Datum für die EM, bei der es dann schon wieder um die Paralympics in Paris gehen wird.

Denn ein gutes Abschneiden bei der EM ermöglicht es dem Team, nächstes Jahr bei der WM in China zu starten und die Platzierung dort wiederum entscheidet über eine Teilnahme am Qualifikationsturnier für Paris 2024.

Bis dahin wurde vielleicht auch die größte Herausforderung im Goalball gelöst. Denn bisher gibt es neben Dennis' Verein SGH Berlin nur wenige Anlaufstellen in Deutschland, dabei wird Goalball auf nationaler Ebene auch inklusiv ausgetragen. Bis in die Bundesliga müssen die Spieler:innen keine Sehbehinderung aufweisen, nur lachen müssen sie vor allem auch neben dem Feld können. Wer nun seinen Weg starten möchte, schaut mal auf www.parasport.de vorbei.

Maria Tietze

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