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Handball: Die Favoriten der Europameisterschaft

Kroatien und Frankreich sind die großen Favoriten – außerdem kann wohl nur Dänemark mithalten.

Berlin - Eine ruhige Phase kennt Lino Cervar nicht. Unentwegt läuft der 59 Jahre alte Trainer der Kroaten während eines Spiels vor der Wechselbank hin und her, schimpft dabei ständig über die Schiedsrichter oder motzt die eigenen Spieler an. Die lassen die Tiraden des studierten Pädagogen in der Regel völlig emotionslos über sich ergehen, denn sie wissen ja, dass sie mit Cervar, der in seiner Heimat auch Parlamentsabgeordneter ist, Erfolg haben. Seit er 2003 die Nationalmannschaft übernahm, erreichten die kroatischen Handballer bei Olympia, WM oder EM achtmal das Halbfinale. Aber das kann für den aktuellen Vize- Weltmeister bei der EM in Österreich wieder nur das Minimalziel sein. Im Vergleich zur WM vor einem Jahr im eigenen Land, als die Finalniederlage in Zagreb gegen Frankreich als riesengroße Schmach bewertet wurde, ist Kroatien eher noch stärker besetzt.

Lino Cervar hat ein Team aus Routiniers und hungrigen jungen Spielern zusammen, das diesmal, mit der traditionell großen Fan-Unterstützung in Österreich, nur schwer zu besiegen sein wird. Einer der großen Stars im Team, neben Blazenko Lackovic, Petar Metlicic und dem genialen Spielmacher Ivano Balic, ist Igor Vori vom HSV Hamburg. Der 2,03-Meter-Riese, der schon bei der WM 2009 als Kreisspieler zum wertvollsten Akteur gewählt wurde, ist in der Bundesliga eher noch stärker geworden. Ihm haben es die Kroaten vor allem zu verdanken, dass sie in der Abwehr enorm stark sind. Und im Angriff ist Kroatien von jeher kaum berechenbar. Eine neue Generation, die vom 21-jährigen Domagoj Duvnjak vom HSV repräsentiert wird, hat die individuelle Klasse beim Olympiasieger von 2004 noch weiter erhöht.

Dieser Entwicklung haben unter den 16 Mannschaften bei der EM wohl nur noch die Franzosen etwas entgegenzusetzen. Sie gewannen zuletzt bei Olympia sowie danach bei der WM und sie waren es auch, die bei der EM 2008 in Norwegen im Spiel um Platz drei dem deutschen Team mit 36:26 eine ernüchternde Niederlage beigebracht hatten. Es gibt einige Parallelen zu Kroatien: Der 52-jährige Claude Onesta arbeitet mit der Mannschaft seit neun Jahren zusammen und ist damit ein Garant für Beständigkeit. Stars wie Torwart Thierry Omeyer, Daniel Narcisse (beide THW Kiel), die Brüder Bertrand und Giullaume Gille (beide HSV) sowie Nikola Karabatic prägen weiterhin das Gesicht der Mannschaft. Und auch die Franzosen sind dabei, junge Spieler ins Team zu integrieren. Ein Plus gegenüber Kroatien haben sie jedoch. „Die wissen, wie man ein Turnier gewinnt“, sagt der deutsche Bundestrainer Heiner Brand. Die Equipe Tricolore könnte als erste Mannschaft überhaupt auf drei große internationale Titel gleichzeitig verweisen.

Wer soll diese beiden Favoriten diesmal überhaupt besiegen können, die zwei kompletten und bestens eingespielten Mannschaften? Titelverteidiger Dänemark scheint am ehesten dazu in der Lage zu sein. Mit Torsten Laen von den Füchsen Berlin am Kreis, der seine Verletzung vollständig auskuriert hat. „Wir haben in der Vorbereitung kein Spiel verloren und gehen schon mit viel Zuversicht ins Turnier“, sagt er über seine Mannschaft um Trainer Ulrik Wilbek. Auch der 51-jährige Wilbek hat etwas Besonderes aufzuweisen: Als Coach des Frauenteams von Dänemark gewann er bereits Olympiagold, sowie WM- und EM-Titel.

Kämen also Kroatien, Frankreich und Dänemark ins Halbfinale, wäre das normal. Für den vierten Platz gibt es viele Anwärter, zu denen auch die Deutschen gehören. „Ich sehe einen Aufwärtstrend bei uns“, sagt Heiner Brand. Im Gegensatz zu den Favoriten ist aber nur er als Trainer die konstante Komponente, ansonsten ist die deutsche Mannschaft im Umbruch. Aber aufregen wie Lino Cervar kann sich Brand auch. Der Unterschied ist nur, er lässt es nicht an den Spielern aus.

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