zum Hauptinhalt
Die marokkanischen Spieler fallen nach dem Schlusspfiff zu Boden.

© dpa/Tom Weller

Update

Die nächste Sensation: Marokko steht als erstes afrikanisches Team überhaupt im WM-Halbfinale

Beim historischen Coup profitieren die kampfstarken Marokkaner von einem Torwartfehler. Portugal sucht die Schuld für das WM-Aus beim Schiedsrichter.

Während Superstar Cristiano Ronaldo weinend im Kabinengang verschwand, nahm der ohrenbetäubende Jubel der marokkanischen Fußballfans im Stadion kein Ende. Spieler und Betreuer warfen wie schon nach dem Spanien-Spiel ihren Trainer Walid Regragui in die Luft.

Kurz darauf rannten die neuen WM-Helden mit einer Fahne - halb Katar, halb Marokko - zu ihren Anhängern hinter ihrem Tor, das sie zuvor so verbissen verteidigt hatten.

Die Olé-olé-olé-Gesänge schallten laut durchs Stadion, die Traumreise des Außenseiters geht nach einem 1:0 (1:0) gegen Portugal weiter. Als erste afrikanische Mannschaft überhaupt ist Marokko dank des Siegtores von Youssef En-Nesyri (42. Minute) ins Halbfinale einer Weltmeisterschaft gestürmt.

Die Nordafrikaner beendeten das Duell im Al-Thumama Stadion zu zehnt, der eingewechselte Walid Cheddira sah in der hektischen Schlussphase die Gelb-Rote Karte (90.+3).

„Afrika ist heute wieder auf der Landkarte des Fußballs“, sagte Coach Regragui nach Spielschluss. „Wir hatten die Mentalität, haben unser Kapital genutzt. Wir wussten, wir können Geschichte für Afrika schreiben. Ich bin sehr glücklich“, erklärte der 47-Jährige. „Wir hatten die richtige Einstellung für unser Volk, für uns, für Afrika. Für uns afrikanischen Trainer ist es immer schwierig. Man glaubt nicht, dass wir mit solchen Mannschaften taktisch umgehen können.“ 

Portugals Cristiano Ronaldo am Boden zerstört.

© AFP/Manan Vatsyayana

Der fußballerisch in Deutschland ausgebildete Abdelhamid Sabiri ergänzte: „Es ist ein unbeschreibliches Gefühl.“ Man schaue weiter von Spiel zu Spiel, „hoffentlich geht's so weiter wie heute.“

Das Team von Trainer Regragui löste mit dem Viertelfinal-Triumph Riesenjubel nicht nur unter den 44.198 meist marokkanischen Zuschauern aus, sondern auch in der afrikanischen und arabischen Welt. Die Marokkaner fordern nun am Mittwoch den Titelverteidiger aus Frankreich, der Vize-Europameister England mit 2:1 besiegte. 

Portugiesen sehen Mitschuld beim Schiedsrichter

Große Enttäuschung herrschte bei den Portugiesen. „In der ersten Halbzeit hatten wir Schwierigkeiten, es hatte lange gedauert, bis wir ins Spiel gekommen sind“, erklärte Trainer Fernando Santos. „Die Spieler wollten, aber wir konnten unsere Stärken nicht voll ausspielen, auch wenn wir Torchancen hatten.“ 

Verteidiger Pepe ärgerte sich über den Schiedsrichter: „Sie kommen in der ersten Halbzeit einmal vor unser Tor und treffen. Jeden unserer Spielzüge haben sie mit Fouls unterbrochen, aber der Schiedsrichter hat kaum eingegriffen.“ Die zweite Halbzeit sei ähnlich verlaufen: „Der Torwart verzögert das Spiel, viele kleine Fouls, aber der Schiedsrichter gibt keine Gelbe Karte.“  

Schwer gehandicapt ging der Außenseiter aus Marokko in das bis dato größte Spiel seiner Fußball-Geschichte: Die Abwehrspieler Noussair Mazraoui vom FC Bayern und Nayef Aguerd von West Ham United mussten verletzt passen. Der Abnutzungskampf gegen Spanien in der Runde davor hatte Spuren hinterlassen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Gegen Portugal gingen es die Nordafrikaner, die in den vier WM-Spielen davor nur ein Gegentor kassiert hatten, sichtbar offensiver an. Nach fünf Minuten hätten sie dabei fast das 0:1 kassiert: Den Kopfball von João Félix konnte Torwart Bono, der Held vom Elfmeterschießen gegen Spanien, gerade noch zur Ecke lenken. 

Die Portugiesen zeigten ansonsten mächtig Respekt vor dem Gegner, bei dem sich vor allem die rechte Seite mit Hakim Ziyech vom FC Chelsea und dem Ex-Dortmunder Achraf Hakimi von Paris Saint-Germain einen Namen gemacht hat. Zudem mussten sich die Europäer bei fast jedem Ballkontakt gellende Pfiffe von Marokkos Fans anhören. 

Dann schlugen die Afrikaner zu: Torwart Diogo Costa segelte an einem Flankenball vorbei und der sprunggewaltige Sevilla-Profi En-Nesyri köpfte zur Führung ein. Ronaldo verzog auf der Ersatzbank das Gesicht.

Ich bereue nichts. Er wurde eingewechselt, als wir das für nötig hielten.

Portugals Trainer Santos über Ronaldo

Kurz darauf war Marokko im Glück, als ein als Flanke gedachter Ball von Bruno Fernandes in der nun packenden Partie an der Latte von Bonos Gehäuse landete. Nach der Pause dauerte es nicht lange, bis Ronaldo ran durfte.

Portugals Trainer verteidigte den Startelf-Verzicht auf Ronaldo nach dem Spiel: „Ich bereue nichts. Er wurde eingewechselt, als wir das für nötig hielten“, sagte Santos. „Zwei Personen waren besonders enttäuscht: Cristiano Ronaldo und ich“, sagte Santos. „Natürlich trifft uns das, aber das ist Teil des Spiels.“

Marokkos Trainer Walid Regragui sagte, er sei erleichtert gewesen, dass Ronaldo nicht von Beginn an gespielt habe. „Ich hatte Angst, dass Ronaldo spielen könnte, weil er aus nichts ein Tor machen kann. Aber wir haben einen der besten Torhüter der Welt. Wenn er so hält, sind wir praktisch unschlagbar“, sagte Regragui über seinen erneut starken Keeper Bono.

Leidenschaftlich warfen sich die Afrikaner in jeden Zweikampf, um den Vorsprung zu verteidigen, während eine Angriffswelle der Portugiesen nach der anderen auf Bonos Tor zurollte. 

Ein zentraler Schuss von Fernandes zischte über die Latte, ansonsten stand Marokkos Mauer. Bono lenkte einen gefährlichen Schuss von João Félix über die Latte und entschärfte auch Ronaldos Versuch zu Beginn der achtminütigen Nachspielzeit. Zakaria Aboukhlal vergab per Konter leichtfertig das 2:0 (90.+6). Am Ende jubelten die Marokkaner trotzdem, weil Pepe kurz darauf am Pfosten vorbeiköpfte. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false