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Sport: Eine Stadt jagt den Sternen nach

Leipzig gibt heute seine Bewerbung für Olympia 2012 ab – und funktioniert Plattenbauten zu Hotels um

Leipzig. Peter Zühlsdorff hat noch keine Wohnung in Leipzig. Wenn der Chef der Bewerbungsgesellschaft für Olympia 2012 in der Stadt ist, bevorzugt er ein Hotelzimmer. „Vor lauter Pendelei bin ich nicht zur Wohnungssuche gekommen“, sagt der Wirtschaftsmanager, der noch viel in Frankfurt am Main zu tun hat. Vielleicht sollte Zühlsdorff bald mit der Suche anfangen. Denn in Leipzig, das heute seinen Bewerbungsbogen für die Spiele beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) in Lausanne abgibt, könnte es bald eng werden auf dem Immobilienmarkt. Die Stadt will leer stehende Wohnungen zu Hotels umbauen – für Olympia. So steht es jedenfalls in dem Konzept, das heute zwei Boten aus Zühlsdorffs Bewerbungsgesellschaft nach Lausanne bringen.

„Wir bauen keine Traumschlösser“, verteidigt Klaus Steinbach, der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, den weltweit einmaligen Plan. „Wir nutzen die vorhandene Bausubstanz.“ 9500 Wohnungen sollen zwischenzeitlich zu Hotels umgebaut und nach den Spielen wieder als Wohnungen vermietet werden – vor allem in 100 Jahre alten Häusern aus der Gründerzeit. Die Stadt nennt die Häuser „Stadtvillen“ oder „Residenzhotels“. Das klingt gut. Doch für das IOC, das im Mai eine Vorauswahl der Kandidaten trifft (siehe Zeitplan rechts), ist das neu.

Bei den Entscheidern in Lausanne sind die Reaktionen verhalten. Offiziell möchte kurz vor Bewerbungsschluss niemand aus der IOC-Exekutive zu Leipzigs Idee Stellung nehmen, doch hinter vorgehaltener Hand ist die Rede von einer „interessanten Sache, die man sich angucken muss“. Es gibt auch skeptische Klassifizierungen des Projekts als „außergewöhnlich“. Deutsche Sportfunktionäre verbreiten die Version, dass man auf Arbeitsebene beim IOC vorgefühlt habe, ob solch ein Umbau wirklich akzeptiert werde; angebliches Ergebnis: keine Ablehnung. IOC-Vizepräsident Thomas Bach meint: „Ich denke, dass sich so etwas durchsetzen kann.“

Konkret plant Leipzig – im Gegensatz zu den für Olympia angelegten neuen Stadtvierteln bei den bisherigen Spielen – die Umwandlung von Altbauten im Stadtzentrum in Hotels. Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee erklärt das so: „Für die Zeit der Spiele wird es in den Häusern Servicestationen geben für den Empfang und das Essen. Diese Quartiere werden mindestens Drei-Sterne- Niveau haben mit ganz eigener, privater Atmosphäre.“ Ein Pilotprojekt gibt es bereits. Ein Gebäude an der Jahnallee, der Straße zwischen Hauptbahnhof und Olympiagelände, soll zum Vier-Sterne-Quartier umgerüstet werden. Bis Mitte nächsten Jahres sollen in dem Haus, das in den 50er Jahren erbaut wurde, 190 neue Zimmer entstehen. Die Kosten betragen 18 Millionen Euro.

Die Improvisation kennt in Leipzig keine Grenzen. Sogar Studentenwohnheime und Plattenbauten werden für Olympia zu Zwei-Sterne-Residenzen ernannt. Auch das auffällige 28-stöckige Hochhaus im Zentrum, auf dem das Messesymbol prangt, wird renoviert und um elf Geschosse aufgestockt. Ergebnis: Vier-Sterne-Appartements.

Der Grund für diese Umbauten ist einfach. Leipzig hat zu wenig Hotels. Andere Konkurrenten wie die Weltstädte Paris, London und New York (siehe Artikel rechts) haben diese Probleme nicht. Das IOC fordert von einer Olympiastadt eine Garantie von 42 000 Hotelbetten, bislang kann Leipzig nur 25 000 bieten. Die Stadt hofft auf einen Zuwachs und auf die Residenzhotels. Für die Journalisten sind zusätzlich 17 000 Betten in temporären Quartieren am Bahnhof geplant. Nicht bei allen Beteiligten stößt das auf Begeisterung. Funktionäre wie Manfred von Richthofen, der Chef des Deutschen Sportbundes, kritisierten intern die Situation. Heute sagt von Richthofen: „Die Macher finden das ausreichend. Also wird es ausreichend sein.“

International verkauft Leipzig das unkonventionelle Hotelkonzept als Besonderheit. Die Macher hoffen darauf, dass im IOC die Nachhaltigkeit gewürdigt wird – vor allem unter dem neuen, modernen Präsidenten Jacques Rogge. „Viele Leute ziehen noch aus dem Osten weg“, gibt Hermann Winkler, Chef des sächsisches Sportbundes, zu bedenken. „Da können wir keine olympischen Dörfer gebrauchen, die später leer stehen.“

Vielleicht kann Leipzig tatsächlich einen neuen Trend in der Olympiaplanung begründen. Chefmanager Zühlsdorff sagt jedenfalls: „Ich glaube fest an das Konzept.“ Er will sich bald eine eigene Wohnung im Leipziger Zentrum suchen. Allerdings erst nach der Vorauswahl der Olympiastädte im Mai.

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