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Sport: Kämpfen und siegen

Die Sportfördergruppen der Bundeswehr bieten Athleten gute Trainingsbedingungen – die Zahl der Plätze droht aber zu schrumpfen

Berlin - Oberfeldwebel Nadine Kleinert meldet sich nicht oft bei ihrer Einheit. Einmal im Monat nur, dann fährt sie zu Hause in Magdeburg los nach Potsdam in die Kaserne. Aber wenn sie da ist, dann wird auch richtig gedient. „Mit Schießen und Sonstigem.“ Dann wird die Kugelstoßerin Kleinert, Olympiazweite von 2004, daran erinnert, dass sie immer noch Soldat ist, auch wenn sie zur Sportfördergruppe Potsdam der Bundeswehr gehört und zu Hause trainieren darf.

Oberfeldwebel Norman Jeschke meldet sich genauso selten bei seiner Einheit in Berlin. Jeschke kommt eigentlich nur vorbei, um seine Trainingspläne abzugeben. Sein Chef bei der Sportfördergruppe Berlin ist ein ehemaliger Zehnkämpfer, ein Ex-Sportler also, der hat es nicht so mit dem Militärischen bei seinen Sportsoldaten. Deshalb darf der Eiskunstläufer Jeschke schnell wieder zum Training.

Eigentlich ist es so nicht gedacht. 70 Prozent Sport, 30 Prozent militärischer Dienst, das ist der Schlüssel bei den Sportfördergruppen der Bundeswehr. Doch das ist Theorie. „Im Grunde genommen haben die mit dem Militärischen nichts mehr zu tun“, sagt Manfred Thiesmann, Bundestrainer der deutschen Schwimmer. Kaum jemand arbeitet so lange mit Sportsoldaten wie er. Thiesmann hat am 1. September sein 25-jähriges Dienstjubiläum in Warendorf gefeiert. Dort steht die Sportschule der Bundeswehr, dort sind Zentren der Schwimmer, Reiter, Volleyballer und Handballer. Und sein Jubiläum passt zu einem anderen: 50 Jahre Bundeswehr.

Sportsoldaten gibt es noch nicht so lange, rund 35 Jahre erst. Als 1972 die Olympischen Spiele in München stattfanden, sollten die Deutschen dort besonders gut abschneiden. Also wurden zwei Sportschulen der Bundeswehr eingerichtet, in Warendorf (Westfalen) und in Sonthofen (Allgäu), für Sommer- und Wintersportler. Dort wurden Spitzensportlern bestmögliche Bedingungen geschaffen. Inzwischen hat die Bundeswehr ihre Sportgruppen flächendeckend übers Land verteilt. In 25 Einheiten zwischen Todtmoos im Schwarzwald und Eckernförde an der Ostsee sind derzeit 704 Soldaten registriert. Leute wie Georg Hackl (Rodeln), Christoph Langen (Bob), André Niklaus (Leichtathletik), Michael Groß (Schwimmen) oder Alexander Zickler (Fußball) dienen oder haben in der Bundeswehr gedient. Unter ausgezeichneten Bedingungen. „In Warendorf haben sie Zwei-Bett-Zimmer und Teppichböden, sie haben eine Physiotherapie und können kostenlos Bahn fahren“, sagt Thiesmann. Kleinert, zweimalige Vize-Weltmeisterin, sagt: „Ohne die Bundeswehr hätte ich nie so viele Medaillen erreicht.“

Einen Platz in der Sportfördergruppe erhalten jedoch nur ausgewählte Athleten. „Das Grundziel ist, dass einer, der zu einer Sportförderkompanie geht, an den Olympischen Spielen teilnimmt“, sagt Wolfgang Kindinger, beim Deutschen Sportbund für die Sportfördergruppen zuständig. Also suchen sich die einzelnen Verbände sehr genau aus, wen sie für einen Platz bei der Bundeswehr vorschlagen. Die Nominierungen werden regelmäßig überprüft. Nadine Kleinert ist seit 1994 bei der Bundeswehr, sie wird wie alle anderen jährlich bewertet.

2005 hatte Schwimm-Bundestrainer Thiesmann nur 16 Plätze für seine Schwimmer, insgesamt 34 stehen dem Deutschen Schwimmverband (DSV) zu. Dazu gehören zum Beispiel auch noch Flossenschwimmer. Mehr Plätze hat nur der Deutsche Leichtathletik-Verband, er kommt auf 50. Die Eiskunstläufer haben acht Plätze. Zehn Prozent der 704 Plätze stehen nicht-olympischen Sportarten zu.

Noch vor 20 Jahren mussten die Sportsoldaten in Warendorf frühmorgens in Uniform antreten und erst mal ihr Dienstgebäude putzen. Erst danach begann das Training. Außerdem hatten die Sportsoldaten sonntagabends in Warendorf einzutreffen. Kati Winkler und Rene Lohse, WM-Dritte im Eistanz von 2004, mussten in ihrer Sportfördergruppe Wache und besondere Dienste schieben. Mitunter mussten Sportsoldaten eine Woche am Stück in der Kaserne sein. Die besten Athleten dürfen jedoch meist in ihrem Heimatort trainieren, wie seinerzeit Schwimm-Olympiasieger Michael Groß in Offenbach.

Die Idylle Bundeswehr ist nun ein bisschen in Gefahr geraten. Die Bundeswehr muss sparen und hat ihren Etat von 27 Millionen Euro pro Jahr für die Sportfördergruppen eingefroren. Das bedeutet, dass bis 2010 rund 60 Stellen eingespart werden müssen. Leichtathletik und Schwimmen als olympische Kernsportarten dürfte es weniger treffen als etwa Eiskunstlaufen. Auch die Zahl der Sportfördergruppen wird drastisch reduziert, von 25 auf 16.

Nadine Kleinert wird 2010 keine Uniform mehr tragen. Sie ist 29 Jahre alt, ihr Vertrag läuft bis 2006. Sie hat durchaus auch gefährliche Situationen erlebt als Sportsoldat. 2002 war sie für vier Tage im Kosovo, als Teil des Programms „Sportler zum Anfassen“. Dort besuchte sie mit Kolleginnen auch eine Moschee. Einen Tag später ging dort eine Bombe hoch.

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