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Rückrundenstart: Meister Hertha – sonst noch was?

Gewinnen die Bayern jetzt sogar die Champions League? Wird Kevin-Prince Boateng in Dortmund resozialisiert? Die Rückrunde hält viele Fragen bereit. Wir haben die Antworten.

Wenn die Bundesliga heute Abend mit dem Duell des HSV gegen die Bayern in die Rückrunde startet, könnte dies der Auftakt zu einer denkwürdigen Halbserie werden. Die Liga ist spannend wie lange nicht. Gerade drei Punkte trennen den Ersten vom Fünften, drei Punkte liegen auch zwischen dem Letzten und dem Vierzehnten. Das wirft einige Fragen auf. Wir haben die Antworten. Aber vielleicht kommt alles auch ganz anders.

Platz drei nach der Vorrunde, nur zwei Punkte Rückstand auf den Tabellenführer – wird Hertha Deutscher Meister?

Nein. Neben Aufsteiger Hoffenheim ist Hertha das Überraschungsteam der Saison. Doch wer nach 17 Spielen so weit oben steht, muss mehr haben als nur Glück. Herthas Mannschaft besitzt Qualität – als Mannschaft. Die Berliner sind ein unangenehmer Gegner, das haben vor allem die Spiele gegen Hoffenheim und Leverkusen gezeigt, die wohl spiel- und offensivstärksten Teams der Liga. Beide hat Hertha 1:0 geschlagen. Warum also soll Hertha nicht Meister werden können? Weil die Berliner schon in der Vorrunde das Maximum erreicht haben. Für den Titel müsste die Mannschaft das Maximum sogar noch übertreffen. Das geht nicht. „Es ist wichtig, nicht von irgendwelchen Dingen zu träumen“, sagt Manager Dieter Hoeneß. „Einen Uefa-Cup-Platz zu erreichen ist schon ambitioniert genug.“

Vedad Ibisevic war der beste Torschütze der Hinrunde. Stoppt sein Ausfall Hoffenheim auf dem Weg zum Titel?

Jein. Die Hoffenheimer haben eine in jeder Hinsicht erstaunliche Halbserie hinter sich. Anfangs wurden sie für ihre Millionen angefeindet, später für den aufregenden Fußball geliebt. Eine latente Skepsis, dass das Märchen doch irgendwann an sein Ende gelangen müsse, ist trotzdem geblieben. Jetzt, da Ibisevic ausfällt, gibt es wieder Hoffnung für alle Schwarzseher. Dabei trifft sein Fehlen die Mannschaft weniger, als alle glauben. Ibisevic ist mit seinen 18 Toren nicht der Grund für den Erfolg der Hoffenheimer; seine Tore sind vielmehr der Ausdruck hoher Qualität in ihrem Spiel. Man könnte auch sagen: Es ist egal, wer bei Hoffenheim vorne steht und die perfekten Spielzüge mit dem Torabschluss beendet: Er könnte sogar Sanogo heißen. Das Problem ist eher psychologischer Natur. Ibisevics Verletzung hat der Mannschaft gezeigt, dass auch sie vor den normalen Grausamkeiten nicht gefeit ist. Vielleicht aber ist genau das die richtige Vorbereitung auf eine Rückrunde, die ohnehin deutlich schwerer werden wird, als es die traumhafte Hinrunde war.

Der FC Schalke 04 stagniert unter Trainer Fred Rutten. Kann die Verbindung trotzdem noch zu einem Erfolg werden?

Ja. Für Rutten hat es bei Schalke gar nicht mal schlecht angefangen. Gleich bei der ersten Trainingseinheit hat sich der Holländer als Mann der Disziplin positioniert. Als Gerald Asamoah seiner Ansprache mit Händen in den Hosentaschen folgte, hat Rutten ihn ordentlich zusammengefaltet. Mit ein bisschen Etikette ist es bei Schalke aber längst nicht getan. Der Kader vereint zu viele Selbstdarsteller und zu wenig Qualität: Rutten leidet unter der verfehlten Personalpolitik der Vergangenheit, und dass die Schalker drei Spieler – Streit, Lövenkrands und Varela – aussortiert haben, ändert so gut wie gar nichts. Die drei haben sowieso nicht gespielt. Für Rutten geht es in der Rückrunde nur darum, sich durchzuwursteln. Schafft er das, kann er anfangen, ein Team nach seinen Vorstellungen aufzubauen. Dass Rutten dazu in der Lage ist, hat er in Enschede gezeigt; dass es mit dem aktuellen Schalker Kader unmöglich ist, hat die Vorrunde bewiesen.

Markus Babbel hat Stuttgart aus der Krise geführt. Hält der Trend an?

Nein. Was der VfB Stuttgart unter Babbel erlebt hat, hat es in der Geschichte der Bundesliga schon etliche Male gegeben. Eine Mannschaft bleibt weit unter ihren Möglichkeiten, der glücklose Trainer muss gehen, und unter seinem Nachfolger findet das Team zurück zu alter Stärke. Man nennt das wohl Psychologie. Nach der unerquicklichen Endphase der Ära Veh konnte Babbel fast gar nichts falsch machen. Er musste die Dinge nur wieder ins Rollen bringen und den Prozess anschließend sozialverträglich moderieren. Für die Rückrunde braucht er ganz andere Qualitäten, das könnte schon das 1:5 gegen die Bayern im Pokal angedeutet haben. Er braucht die Qualitäten eines echten Trainers. Mit anderen Worten: Markus Babbel hat gerade einen 100-Meter- Lauf gewonnen. In der Rückrunde aber steht ein Marathon an.

Die Bayern kommen unter Jürgen Klinsmann in Fahrt. Meister werden sie sowieso, Pokalsieger wohl auch. Aber gewinnen sie auch die Champions League?

Nein. Kein Verein in Deutschland ruft derart extreme Gefühlsausbrüche hervor wie der FC Bayern. Im Herbst noch war in München alles mies und Klinsmann ein Blender; ein paar Monate später aber soll der FC Bayern schon wieder in der Lage sein, die Champions League zu gewinnen? So schnell geht das nur in München. Genauso schnell kann die Stimmung wieder umschlagen, wenn die Mannschaft im Viertelfinale an Mailand, Manchester oder Chelsea scheitert. Seit dem Titelgewinn 2001 sind die Bayern nicht über die Runde der letzten acht hin ausgekommen. Klinsmann will die Mannschaft wieder an europäisches Topniveau heranführen, aber das geht nicht in zehn Monaten. Und mit Christian Lell schon mal gar nicht.

Schneckenrennen Abstiegskampf: Reichen 30 Punkte für den Klassenerhalt?

Jein. Borussia Mönchengladbach hat als Letzter gerade elf Punkte geholt, und weil auch die vier Vereine davor nicht allzu eifrig waren, gilt es als wahrscheinlich, dass diesmal schon 30 Punkte zum Verbleib in der Liga genügen. Steffen Heidrich, der Manager von Energie Cottbus (Drittletzter, 13 Punkte), hält selbst 27 für ausreichend. Die Geschichte aber zeigt, dass viele Klubs, die im Winter abgeschlagen schienen, in der Rückrunde deutlich zulegen konnten. Noch nie seit Einführung der Drei-Punkte-Regel ist ein Verein mit 30 Punkten in der Liga geblieben, geschweige denn mit 27. Das Mindeste waren 34. Mit 30 Punkten landet man höchstens auf Platz 16 und damit in der Relegation mit dem Dritten der Zweiten Liga. Sogar Klubs mit beruhigendem Vorsprung wie Frankfurt (19 Punkte) oder Hannover (17) sind daher längst nicht ohne Sorgen.

Nur Achter nach der Vorrunde – schafft Werder Bremen es trotzdem noch in die Champions League?

Nein. Im Mai wird den Bremern noch einmal feierlich zumute werden. Zehn Jahre ist Thomas Schaaf dann Trainer des SV Werder – dass es so etwas in der heutigen Zeit noch gibt, gilt schon fast als verdächtig. Auch deshalb sind die extremen Formschwankungen der Bremer als Ausdruck einer sich anbahnenden Übersättigung gedeutet worden. Tatsächlich weist vieles darauf hin, dass bei Werder gerade ein Zyklus zu Ende geht. Die Mannschaft steckt im Umbruch; die Erneuerung aus sich selbst heraus gestaltet sich schwierig. Es ist nicht so, dass die Verantwortlichen die Zeichen verkannt hätten: Mit Özil, Prödl, Boenisch und Hunt gibt es bereits die möglichen Protagonisten der nächsten Generation – noch aber schwanken sie zu sehr in ihren Leistungen.

Kevin-Prince Boateng ist zurück in der Bundesliga. Gelingt ihm bei Borussia Dortmund die Resozialisierung?

Jein. Abgesehen von Titeln ist es für Trainer das größte Glück, einen fehlgeleiteten Fußballer wieder auf den rechten Weg zu führen. Deshalb freut sich Jürgen Klopp so sehr auf Kevin-Prince Boateng, diesen hoch talentierten Fußballer, der irgendwann die falsche Abzweigung genommen hat. Gerade 21 ist er, doch schon jetzt fehlen ihm anderthalb wichtige Jahre in seiner Entwicklung, die er bei Tottenham auf der Bank oder der Tribüne abgesessen hat. Dass Boateng nun beim BVB auf Bewährung spielen darf, ist ein geradezu unverschämtes Glück. Nicht wegen Klopp. Sondern weil man als überdurchschnittlich begabter Fußballer in Dortmunds unterdurchschnittlich besetztem Mittelfeld eigentlich nur glänzen kann. Boateng muss nur geduldig sein. Ungeduld aber ist die große Schwäche des Kevin-Prince Boateng.

Energie Cottbus galt vor der Saison als erster Absteiger. Schafft der Klub es wieder einmal, in der Bundesliga zu bleiben?

Ja. Zusammenhalten, Eitelkeiten zurückstellen, sich gegenseitig helfen – so funktioniert erfolgreicher Abstiegskampf. Den Spielern von Energie muss das in der Hinrunde kurzzeitig entfallen sein. Mit Eifersüchteleien, Kritik am Trainer und anderen Kinde reien haben sie es sich noch schwerer gemacht, als sie es ohnehin schon haben. Das Wundersame ist, dass Energie trotzdem nicht abgeschlagen am Tabellenende liegt. Wenn sich die Spieler jetzt noch daran erinnern, wie erfolgreicher Abstiegskampf funktioniert, kann ihnen nichts mehr passieren.

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