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John Heitinga hat bei Ajax Amsterdam Alfred Schreuder als Cheftrainer abgelöst. Seitdem läuft es für den Klub wieder deutlich besser.

© IMAGO/ANP

Unter dem neuen Trainer John Heitinga läuft es in Amsterdam : Ajax soll wieder Ajax werden

John Heitinga ist seit Ende Januar Trainer von Ajax Amsterdam. Nach vier Siegen aus vier Spielen trifft der frühere Profi von Hertha BSC nun in der Europa League auf den 1. FC Union.

John Heitinga hat im Laufe seiner beeindruckenden Karriere als Fußballer auch ein Jahr in der Bundesliga verbracht. Die Spuren, die der Verteidiger aus Holland dabei hinterlassen hat, waren eher dünn. Doch wenn Rainer Widmayer an das versöhnliche Ende denkt, kommt er regelrecht ins Schwärmen. „Das war super“, sagt er. „Sein allerbestes Spiel.“

Widmayer war Co-Trainer von Pal Dardai bei Hertha BSC, der wiederum nicht unwesentlich daran beteiligt war, dass Heitinga wohl mit gemischten Gefühlen an seine Zeit in Deutschland zurückdenken dürfte. Im Sommer 2014 wechselte er als designierter Abwehrchef vom FC Fulham zu Hertha, wo sein Landsmann Jos Luhukay Trainer war. Nach dessen Entlassung im Februar 2015 aber spielte Heitinga, immerhin Vizeweltmeister von 2010, so gut wie keine Rolle mehr.

Nur zweimal kam er unter Luhukays Nachfolger Dardai zum Einsatz. Einmal stand er in der Startelf – und wurde zur Pause wieder ausgewechselt. Dann kam der letzte Spieltag der Saison 2014/15, an dem Hertha bei der TSG Hoffenheim nicht allzu hoch verlieren durfte, um in der Bundesliga zu bleiben – und an dem Heitinga noch einmal von Anfang an auflief. „Ich habe volles Vertrauen in John, er ist so erfahren, ein ganz starker Typ“, sagte Dardai vor dem Spiel.

Dieses Vertrauen wurde nicht enttäuscht. Hertha geriet früh in Rückstand, Hertha wackelte bedenklich, der Klassenerhalt hing an einem ganz dünnen Faden. Aber Heitinga tat das, was ihm aufgetragen worden war. Er hielt den Laden zusammen, unaufgeregt und unerschrocken. Am Ende blieben die Berliner trotz einer 1:2-Niederlage in der Bundesliga, und für Rainer Widmayer war schon damals „klar, dass er irgendwann als Trainer auftaucht“.

Mir war schon damals klar, dass er irgendwann als Trainer auftaucht.

Rainer Widmayer, früherer Co-Trainer von Hertha BSC, über seinen ehemaligen Spieler John Heitinga

Irgendwann ist jetzt, zumindest bezogen auf den Profifußball. Ende Januar ist Heitinga, 39, beim holländischen Rekordmeister Ajax Amsterdam zum Cheftrainer befördert worden, als Nachfolger des glücklosen Alfred Schreuder, der nach einem schmählichen 1:1 gegen den Abstiegskandidaten Volendam gehen musste.

Trainer ist Heitinga bereits deutlich länger. Und ein bisschen war er das wohl auch schon in seiner Zeit als Spieler. Rainer Widmayer erzählt am Telefon, dass er Heitinga als außergewöhnlichen Menschen kennengelernt habe. Trotz seiner beeindruckenden Karriere mit Stationen bei Ajax, bei Atletico Madrid, dem FC Everton und fast 90 Länderspielen hat er sich nie auf seinem Status ausgeruht. Im Gegenteil.

Enttäuschendes Gastspiel. John Heitinga (rechts) kam im Sommer 2014 als designierter Abwehrchef zu Hertha BSC. Nach einem Jahr und 14 Pflichtspieleinsätzen für die Berliner kehrte er zu seinem Stammverein Ajax zurück.

© imago/Contrast

„Er war immer ein Anker für die jungen Spieler, hat ihnen Tipps gegeben“, sagt Herthas früherer Co-Trainer. Manchmal hat Heitinga sie auch zu sich nach Hause zum Fußballschauen eingeladen. Widmayer fand das beeindruckend. Und bezeichnend.

Zumindest passt es dazu, dass Heitinga seine Trainerkarriere im Nachwuchs begonnen und sich von dort Schritt für Schritt nach oben gearbeitet hat: aus der Ajax-Jugend zu Jong Ajax, der zweiten Mannschaft, deren Co-Trainer er zunächst war, ehe er zum Chefcoach befördert wurde. Dass Heitinga nach Schreuders Entlassung die Profis übernehmen würde, lag auf der Hand.

Der neue Cheftrainer kennt den Verein und seine Philosophie in- und auswendig. Schon als Siebenjähriger hat Heitinga für Ajax gespielt. Und trotzdem hat sein früherer Mitspieler Hedwiges Maduro bei der Beförderung zu den taumelnden Profis gesagt: „Es ist für Ajax ein großes Risiko, aber auch für Heitinga.“

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Länderspiele hat Heitinga für Holland bestritten

Inzwischen hat sich das Risiko als weitgehend beherrschbar herausgestellt, für beide Seiten. Ajax, unter Schreuder kaum noch wiederzuerkennen, sieht inzwischen schon wieder deutlich mehr nach Ajax aus. Vier Spiele liegen hinter Heitinga als Cheftrainer. Die Bilanz: vier Siege bei 14:2 Toren. „Es passiert was“, sagt Edwin van der Sar, der Technische Direktor des Klubs.

Der Schwierigkeitsgrad des Auftaktprogramms war allerdings überschaubar, sieht man mal vom Pokalspiel bei Twente Enschede (1:0) ab. Die bisher anspruchsvollste Prüfung für Heitinga steht an diesem Donnerstag an: wenn seine Mannschaft den 1. FC Union aus Berlin zum Europa-League-Spiel empfängt (18.45 Uhr, live bei RTL+). „Wir wollen es auf unsere Art angehen“, sagt Heitinga. „Wir spielen zu Hause.“

Heitinga bleibt bis zum Saisonende – mindestens 

Unter seinem Vorgänger hatte das wenig zu bedeuten. Schreuder konnte von seinen letzten fünf Heimspielen mit Ajax kein einziges gewinnen. Seinen letzten Sieg in der Johan-Cruyff-Arena feierte er Mitte Oktober. Als Heitinga am Wochenende sein Heimdebüt feierte, sah es lange so aus, als würde die unerfreuliche Serie auch mit ihm als Trainer fortgeschrieben werden.

Zur Pause lag Ajax gegen den Tabellenneunten RKC Waalwijk 0:1 zurück. Die Mannschaft war mehrmals ausgekontert worden, weil sie reichlich naiv verteidigte. Zudem erkannte Heitinga immer noch „Momente, in denen wir ins Zweifeln kommen“. Der frühere Nationalspieler Andy van der Meyde klagte als TV-Experte sogar: „In der ersten Halbzeit dachte ich, dass Alfred Schreuder noch Trainer bei Ajax ist. Das war echt schlecht.“

Dass Ajax das Spiel noch drehte und am Ende 3:1 gewann, wurde später vor allem auf Heitinga und dessen Entscheidungen zurückgeführt. Er wechselte zweimal zur Pause, stellte das System von 4-3-3 auf 4-4-2 um. In der Folge beherrschte sein Team das Spiel und den Gegner. „Wir sind dabei, der Mannschaft das volle Vertrauen zurückzugeben“, sagte der neue Trainer.

Ajax Klubführung hat bereits entschieden, dass Heitinga mindestens bis zum Ende der Saison Cheftrainer bleibt. Ob es für ihn auch über den Sommer hinaus in dieser Position weitergeht, liegt weitgehend in seiner Hand. Er müsste die Saison, die so zäh angefangen hat, doch noch zu einem erfolgreichen Ende bringen.

Noch hat Ajax alle Möglichkeiten, ist weiterhin im nationalen Pokal vertreten, in der Europa League ebenso, und in der Ehrendivision sind es auch nur drei Punkte Rückstand auf Tabellenführer Feyenoord Rotterdam. Rainer Widmayer sagt: „Das ist eine Riesenchance für ihn.“

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