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Habseligkeiten von Opfern des Terroranschlags in Manchester.

© Reuters/Jon Super

Anschlag in Manchester: "Mein Herz ist gebrochen"

Der Musikproduzent Mark Reeder stammt aus Manchester und lebt in Berlin. Hier schreibt er über seine Gefühle und Gedanken nach dem Anschlag in seiner Heimatstadt.

Ich kam Montagabend nach Hause, und wie gewohnt schaltete ich die BBC-Nachrichten ein – eigentlich in der Erwartung auf das Neueste von Trump. Doch stattdessen: Terroranschlag auf ein Popkonzert … in Manchester! Bilder der Panik und Angst. Ich kenne diese Arena. Ich war schon mal dort. Manchester ist meine Heimatstadt, und auch wenn ich seit Ende der 70er Jahre in Berlin lebe, meine Mutter, Schwester und alte Freunde wohnen noch dort. Einige davon haben Kinder im Teenager-Alter, in jenem Alter also, in dem viele der Konzertbesucher am Montag waren. Wehrlose Teenager, die meisten davon Mädchen.

Stolz meldet der IS, dass er hinter diesem Anschlag steht. Die Terroristen feiern. Fakt ist, für diese Mörder geht es nicht ums Kämpfen gegen den ungläubigen, militärischen Feind. Es geht allein ums Töten.

Klar, es sieht für die IS-Terroristen wieder nach einem Erfolg aus. Wir sollen Angst haben, wird es noch mehr solcher Anschläge geben, wo? Sie wollen, dass wir sie hassen, und mit diesem neuesten Anschlag kommen sie der Erfüllung dieses Wunsches schon verdammt nahe. Nur: Wir Leute aus Manchester, wir Mancs, sind nicht so einfach. Wir machen alles anders als die anderen. Deshalb haben wir eine kreative Musikszene, und deshalb haben sie uns dort auf einem Konzert attackiert. Was sie dabei vergessen haben: Es ist nicht das erste Mal, dass Bomben versucht haben, Manchester zu brechen. Wir haben Erfahrung, und in Momenten wie diesem steht die ganze Stadt zusammen.

Wir lassen uns von sowas nicht unterkriegen

Ich dachte eigentlich, es gebe eine Art Kämpfer-Ehrenkodex unter den so genannten Dschihadisten. Einer, der besagt, Frauen und Kinder sollten nicht getötet werden. Falls es ihn je gegeben hat, seit Montagabend gilt dieser Kodex nicht mehr. Dieser Mörder wollte jemanden töten, das ist alles, und so hat er sich das schwächste, wehrloseste Ziel ausgesucht. Kinder, ein Popkonzert voller Kinder. Können IS-Leute stolz auf so etwas sein? Warum fühlen sich diese Leute so aufgeladen und sind so hasserfüllt, dass sie so etwas tun? Oder liegt es eher an ihrer Angst vor starken – und in ihren Augen – gefährliche Frauen wie Ariana Grande? Bestimmt, vor Frauen wie ihr haben sie Angst.

Die Frage ist nun: Was soll dieser Anschlag für uns hier in Berlin, in Manchester und in anderen europäischen Städten bedeuten? Besonders wenn es um die sexuelle Gleichheit und Freizügigkeitsfrage geht. Das ist besonders wichtig für eine Stadt wie Berlin. Heißt es, dass ab jetzt auf jedem großen Konzert Metalldetektoren aufgestellt werden?

Ja, mein Herz ist gebrochen. Ich denke an Manchester, ich denke an all die Familien, die ihre Liebsten verloren, an diejenigen, die verletzt wurden und an diesem Abend dabeisein mussten. Aber Manchester ist eine starke und harte Stadt und genau wie Berlin – das hat uns unser Umgang mit dem Weihnachtsterror gezeigt – wir lassen uns von sowas nicht unterkriegen.

Musiker, Musikproduzent, Labelbetreiber. Mark Reeder.
Musiker, Musikproduzent, Labelbetreiber. Mark Reeder.

© Doris Spiekermann-Klaas

Der Autor Mark Reeder, Jahrgang 1958, stammt aus Manchester und lebt seit Jahrzehnten in Berlin. Er arbeitet als Musiker, Produzent und Labelbetreiber.

Mark Reeder

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