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Gesundheit: Jagd nach den Unterschieden

Das internationale „HapMap“-Projekt soll die Suche nach Krankheitsgenen erleichtern

Als 2001 die Entzifferung des menschlichen Erbguts verkündet wurde, waren die Hoffnungen groß, schon bald Krankheitsgene zu finden. Doch die nackten Zahlen sprachen dagegen. Denn unser Genom besteht aus drei Milliarden Buchstaben. Zwei Menschen unterscheiden sich darin aber in 0,1 Prozent – also in immerhin noch drei Millionen Buchstaben; und in der Gesamtheit der Erbinformation aller Menschen gibt es sogar mehr als zehn Millionen verschiedene Abweichungen in der Buchstabenfolge.

Welche dieser unzähligen Unterschiede in unseren Erbsträngen sind „harmlos“ und lediglich für unsere Augenfarbe oder Blutgruppe zuständig? Und welche verursachen Volksleiden wie Alzheimer, Diabetes oder Krebs? Schon 2001 hatte einer der Köpfe des Humanen Genomprojekts eine elegante Lösung parat. Francis Collins vom Nationalen Genomforschungs-Institut der USA in Bethesda schlug vor, eine Karte der „Haplotypen“ zu erstellen. Dies sind die individuellen Kombinationen der genetischen Buchstaben im Chromosomensatz eines Menschen.

Im Oktober 2002 gründete sich das Internationale HapMap-Konsortium. „Die Haplotyp-Karte ist ein Werkzeug, mit dem wir schneller und billiger Gene finden können“, sagt Stacey Gabriel vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. Mit mehr als 100 Millionen Dollar öffentlicher Mittel wollen Teams aus den USA, Kanada, Großbritannien, Japan und China bis Ende 2005 die Karte vorlegen. Nun ist die Hälfte der Zeit verstrichen. Was ist aus dem ehrgeizigen Projekt geworden?

Dem Vorhaben liegt eine entscheidende Annahme zugrunde: Nämlich die, dass der Haplotyp, das Genom eines einzelnen Menschen, auf dem Erbmolekül DNS in Blöcken organisiert ist. Diese Blöcke reisen bei der Vererbung in die nächste Generation als Einheit. Bei der Rekombination, dem beim Erbgang üblicherweiste stattfindenden Austausch von Chromosomenstücken, werden diese Blöcke nicht aufgebrochen. Sie sind deshalb in den Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte nicht wesentlich verändert worden.

Am häufigsten sind jene Unterschiede, bei denen in der Abfolge der DNS-Sequenz nur ein Buchstabe ausgetauscht ist. Solche Ein-Buchstaben-Unterschiede von Mensch zu Mensch werden SNPs (sprich: „Snips“) genannt. Die Hypothese von den Blöcken gab dem HapMap-Projekt nun eine bestechende Logik: Wird ein Abschnitt auf dem Erbfaden immer nur als Einheit vererbt, dann trägt er auch eine immer gleich bleibende, charakteristische Gruppe von SNPs. „Damit reichen drei oder vier SNPs als Wegweiser, um einen ganzen Haplotyp-Block zu identifizieren“, sagt Gabriel.

Bislang mussten Forscher bei der Suche nach Krankheitsgenen das ganze Genom nach SNPs absuchen. Bei Leiden, die nur durch ein Gen hervorgerufen werden, ist das noch machbar. Bei den meisten Krankheiten spielen aber viele Gene und Umweltfaktoren eine Rolle. HapMaps Lösung: Finden Mediziner bei Untersuchungen einen Haplotyp-Block, der besonders häufig bei ihren Patienten vorkommt, so können sie ihre Suche statt auf das ganze Erbgut auf diesen Teil der DNS eingrenzen.

Der Grundstein für das Projekt wurde 2002 mit einer Studie im Fachmagazin „Science“ gelegt. Ein Team um Gabriel konnte zeigen, dass 65 bis 85 Prozent der DNS in der Tat in Abschnitten mit einer Länge von 10000 Basen oder mehr organisiert sind. Keine Frage: Das ist deutlich übersichtlicher, als drei Milliarden Basen nach Krankheitsgenen abzusuchen. Es kam noch besser: Die überwiegende Zahl dieser Blöcke kommt bei allen Menschen nur in drei bis vier Versionen vor.

Neun Millionen SNPs sind aus anderen Vorhaben mittlerweile bekannt. Die HapMap-Forscher mussten mit diesen „nur“ noch die Blöcke identifizieren. Im Juli konnte das Konsortium in seiner frei zugängigen Datenbank im Internet 600000 solcher Markierungs-SNPs veröffentlichen. „Damit ist die Karte aber noch nicht dicht genug“, sagt Gabriel. Denn es gibt mehr kleinere Blöcke als anfangs gedacht; längst sind nicht alle Segmente identifiziert; und schlimmer noch, sie sind nicht scharf abgegrenzt, die Übergänge fließend. Drei Millionen SNPs werden nun angepeilt.

So ist wie das Humane Genomprojekt auch seine Fortsetzung umstritten. „Die Idee von den Blöcken ist eine grobe Vereinfachung“, sagt der Genetiker Kenneth Kidd von der Yale-Universität in New Haven. „Es gibt sie, aber sie decken bei weitem nicht das ganze Genom ab.“ Zudem seien die HapMap-Daten nicht repräsentativ genug. Die Forscher untersuchen die DNS von 270 Menschen aus vier Bevölkerungen: US-Amerikaner europäischer Abstammung, Afrikaner der Volksgruppe der Yoruba, Japaner und Chinesen. Das beschreibe nicht die genetische Vielfalt aller Menschen, sagt Kidd.

Immerhin konnten auf Haplotyp-Blöcken schon genetische Risikofaktoren für Krankheiten wie Diabetes, Alzheimer, Asthma oder Schizophrenie ausgemacht werden. Die Zukunft wird zeigen, ob das auch die Suche nach einzelnen Genen und Gen-Komplexen erleichtern wird.

Elke Binder

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