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Rot für Diesel. Das Bundesverwaltungsgericht hat Fahrverbote für ältere Diesel grundsätzlich für zulässig erklärt – wenn sie verhältnismäßig sind. Nun stehen in zahlreichen Bundesländern und Städten Gerichtsurteile an.

© Christoph Hardt/imago

Fahrverbote in Hamburg: Blauer Himmel - dicke Luft

In Hamburg gelten seit Juni in zwei Straßen Fahrverbote. Manche Anwohner haben Verständnis, andere murren. Der Streit über Sinn und Unsinn dauert an.

Der Himmel über Hamburg ist seit Monaten blau, kaum ein Tropfen Regen ist gefallen. Auch die Luft im Stadtteil Altona ist besser als vor einem Jahr. Das jedenfalls sagen viele Anwohner der Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee. Berühmt geworden sind diese beiden Straßen, weil auf Teilstrecken seit dem 31. Mai ein Durchfahrtverbot für alle Dieselfahrzeuge gilt, die nicht die Euro- Schadstoffnorm 6 erfüllen. Ob das bundesweit erste Dieselfahrverbot zur Luftreinhaltung tatsächlich zu einer geringeren Stickoxid-Belastung geführt hat, weiß die Umweltbehörde indes noch nicht. Relevant sei der Jahresmittelwert, der sich jetzt noch nicht berechnen lasse.

159 Verbots- und Umleitungsschilder hat die Stadt Hamburg in den Wochen vor dem 31. Mai aufbauen lassen, um die Autofahrer auf die Durchfahrtsbeschränkungen hinzuweisen. Kosten: 370 000 Euro. Das Fahrverbot auf dem 1,6-Kilometer-Abschnitt der Stresemannstraße gilt für ältere Diesel-Lastkraftwagen, das auf den 600 Metern der Max-Brauer-Allee auch für Diesel-Pkw, die die sauberste Abgasnorm nicht erfüllen. An beiden Straßen war in den vergangenen Jahren der Stickoxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel regelmäßig überschritten worden. Betroffen von den Beschränkungen sind Hunderttausende Dieselfahrzeuge von Hamburgern, Pendlern, Reisenden und Berufskraftfahrern. Von den 330 000 in der Hansestadt angemeldeten Dieselfahrzeugen erfüllen nach Auskunft des Senats 207 000 nicht die sauberste Abgasnorm Euro 6. Selbst von den rund 1620 Diesel-Kfz, die Hamburger Behörden und Landebetriebe gehören, sind mehr als 1040 noch „Stickoxid-Schleudern“.

Polizei klärt Autofahrer auf und ermahnt sie

In den ersten Tagen nach dem Inkrafttreten des Fahrverbots hatte die Polizei die Autofahrer nur aufgeklärt und ermahnt. Bei vier Großkontrollen zwischen dem 21. und 26. Juni machte sie dann aber Ernst: 603 Autos wurden überprüft, 173 Fahrer erwischt – fast 30 Prozent. Die Strafen: 20 Euro für die Pkw- und 75 Euro für die Lkw-Fahrer. Dafür waren Ordnungshüter 1169 Stunden im Einsatz. Damit hat nach Berechnungen der oppositionellen Hamburger CDU allein der erste Monat Dieselfahrverbot mehr als eine halbe Millionen Euro gekostet. Für CDU-Fraktionssprecher Stephan Gamm „ein Schildbürgerstreich des grünen Umweltsenators“.

Die Polizei hat angekündigt, weitere Großkontrollen in den nächsten Monaten durchzuführen, aber auch bei normalen Verkehrskontrollen genau auf die im Fahrzeugschein angegebene Schadstoffnorm zu schauen. Das schreckt einige Autofahrer, auch Lenker von Lastern und Sattelzügen, nicht: Sie fahren trotz Verbot durch die Sperrzone, vor allem nachts. Hinter vorgehaltener Hand sagen mehrere Pkw-Fahrer, dass sie riskieren, geschnappt zu werden, „weil 20 Euro Strafe nicht die Welt sind“.

Conny Barth ist Geschäftsführer der Dienstleistungsfirma On Service an der Stresemannstraße Ecke Lerchenstraße. Er fährt einen Mercedes E 250 CDI T-Modell der Euro-Schadstoffnorm 5. Um möglichst nah an sein Büro heranzukommen, nimmt er seit Einführung des Fahrverbots einen Umweg über die Ost-West- Straße in Kauf. „Das ist okay für mich“, sagt er. Ob die Luft vor der Tür besser geworden ist, weiß er nicht. Aber Barth hat eine andere positive Veränderung ausgemacht: „Weil jetzt weniger Lkw durch die Stresemannstraße fahren, ist der Lärm deutlich geringer geworden.“

Nicht alle Anwohner sind über Verbote erfreut

Kritisch gesehen werden die Fahrverbote noch immer von Umweltschützern und vielen Anwohnern. Die einen monieren, dass betroffene Fahrzeuge auf Nebenstraßen ausweichen können, dadurch aber längere Strecken zurücklegen müssen, was zu insgesamt höheren Stickoxid- Belastungen führe. So mancher, der an einer der Ausweichstraßen wohnt, findet es ungerecht, dass die Anwohner an den gesperrten Straßen von den Fahrverboten ausgenommen sind, er aber nicht. Johannes Werber (Name geändert) etwa fühlt sich deshalb als „Mensch zweiter Klasse“. Andere murren nach dem Sankt- Florian-Prinzip: Grundsätzlich sei ein Fahrverbot ja gut – aber warum gerade in unserer Straße? Und so wird seit Beginn des Dieselfahrverbots an einigen Kreuzungen und auf Gehwegen immer mal wieder demonstriert. Auch Aktivisten aus anderen Stadtteilen gesellen sich dazu, haben Botschaften wie „Saubere Luft für alle“ auf Häuserwände und Straßen gesprayt.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz hält eine auf zwei Straßen beschränkte Maßnahme für politische Augenwischerei und fordert „flächendeckende Fahrverbote, die den Menschen helfen und nicht den Messstationen“. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) will weitere Verbote „definitiv nicht“. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sieht die Bundesregierung in der Pflicht: „Wenn das CSU-geführte Verkehrsministerium die Autoindustrie endlich zum Nachrüsten zwingen würde, könnten wir die Fahrverbote hier schnell wieder aufheben.“

Hamburg war die erste Stadt, die Fahrverbote erlassen hat. 2019 folgt Stuttgart. Das Land Nordrhein-Westfalen geht derweil gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen zur Vorbereitung von Verboten in Berufung. Anfang Juni hatte das Gericht die Bezirksregierung Köln aufgefordert, bis zum 1. Januar 2019 einen Luftreinhalteplan vorzulegen. Am 5. September urteilt das Wiesbadener Verwaltungsgericht, ob ältere Diesel aus hessischen Städten verbannt werden können.

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