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Oliver Blume soll von Herbert Diess übernehmen.

© REUTERS/Andreas Gebert/File Photo

Bisheriger Porsche-Chef: Darum soll Oliver Blume Herbert Diess bei VW ablösen

Ein Wechsel an der Konzernspitze war zuletzt unvermeidlich geworden. Ende August verliert Diess seinen Job.

Herbert Diess hat sich nicht nur in die Ferien verabschiedet. Der Noch-Volkswagen-Chef verliert Ende August seinen Job. Kurz bevor der Aufsichtsrat am Freitagabend überraschend seine Ablösung bekannt gab, schien die Welt in Wolfsburg noch in Ordnung.

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Diess schickte einen Urlaubsgruß an die mehr als 600.000 Mitarbeiter: „Nach einer wirklich stressigen ersten Hälfte des Jahres 2022 freuen sich viele von uns auf eine wohlverdiente Sommerpause.“ VW sei gut gerüstet für das zweite Halbjahr. „Happy Holidays!“, wünschte der Chef – wohl mit dem Wissen, dass zwei Stunden später alles vorbei sein würde.

Die Familien Porsche und Piëch, das Land Niedersachsen und die IG Metall hatten da nämlich im Aufsichtsrat schon den Daumen über Diess gesenkt. Am 1. September übernimmt Porsche-Chef Oliver Blume dessen Posten. Die Floskel von einer Trennung im „gegenseitigen Einvernehmen“ kaschierte nur das Offensichtliche: Herbert Diess, dessen Vertrag eigentlich noch bis 2025 läuft, ist gefeuert worden.

Das Urteil fiel einstimmig und endgültig, die Initiative für den Rauswurf ging von den Eigentümerfamilien aus, wie es im Aufsichtsrat hieß. Schon Ende vergangenen Jahres wäre der heute 63-Jährige seinen Job fast losgeworden, nachdem er die Belegschaft mit einem Horrorszenario von Massenentlassungen schockiert hatte. Damals sprangen ihm die Porsches und Piëchs noch bei. Der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann sprach von einem „letzten Versuch der Zusammenarbeit”.

Diess liebte und lebte die Konfrontation und Provokation

Warum die Aufseher inzwischen mit ihrer Geduld am Ende sind und ein Wechsel an der Konzernspitze unvermeidlich war, lässt sich aus den knappen Statements vom Freitagabend herauslesen: Volkswagen braucht einen Teamspieler, keinen Einzelkämpfer wie Diess.

Trotz gegenteiliger Beteuerungen ist es ihm offensichtlich seit seinem Amtsantritt 2018 nicht gelungen, den Umbau des Konzerns vom Autohersteller zum Software- und Elektromobilitätsanbieter kooperativ zu gestalten.

Herbert Diess muss seinen Posten abgeben.

© REUTERS/Aly Song/File Photo

Diess liebte und lebte die Konfrontation und Provokation. In der Öffentlichkeit machte er damit Punkte, intern jedoch wuchsen die Zahl seiner Gegner und die Größe der Baustellen: Halbleitermangel, Software-Probleme, das müde China-Geschäft.

„Das operative Tagesgeschäft hat er nicht bewältigt“, so urteilt einer im Unternehmen. „Er hat den Ernst der Lage nicht begriffen, vor allem nicht, dass die Mannschaft motiviert werden muss“, heißt es an anderer Stelle. „Wir müssen nicht nur unsere Produkte und Geschäftsmodelle transformieren, sondern ganz maßgeblich auch unsere Belegschaft“, sagte auch Konzernbetriebsratschefin Daniela Cavallo.

Alle Kolleginnen und Kollegen müssten mitgenommen werden. „Die heutigen Entscheidungen zahlen darauf ein.“ Zähneknirschend hatten Betriebsrat und IG Metall 2021 einer Vertragsverlängerung für Diess bis 2025 zugestimmt.

Blume muss in Wolfsburg schnell für eine Verbesserung des Klimas sorgen

Auch Stephan Weil, der niedersächsische SPD-Ministerpräsident, der im Aufsichtsratspräsidium sitzt, machte zwischen den Zeilen deutlich, worauf das Land nun setzt – und was man in Hannover vermisst hat: Er sei zuversichtlich, dass Oliver Blume den Konzern „im Team mit dem Vorstand, in guter Kooperation mit dem Betriebsrat und mit sehr viel Wertschätzung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ führen werde.

Und der VW-Konzern betonte offiziell, der neue Vorstandschef solle „mit dem gesamten Vorstand die Transformation weiter vorantreiben – mit einer Führungskultur, die den Teamgedanken in den Mittelpunkt stellt“.

Deutlich wird: Blume, der schon länger als möglicher Nachfolger für Diess gehandelt worden war, muss in Wolfsburg schnell für eine Klimaverbesserung sorgen. „Der Mensch steht für mich immer im Mittelpunkt“, bediente er denn am Freitag auch in einer Mitteilung die Erwartungen.

Das Markenhochhaus vom Volkswagen auf dem Gelände vom VW Werk Wolfsburg.

© Julian Stratenschulte/dpa

Seit 2015 Porsche-Chef hat der 54-Jährige beste Referenzen. „Man hört nur Gutes über ihn“, so heißt es. Wolfgang Porsche und Hans Michel Piëch hätten eine langfristige Perspektive über das Jahr 2025 hinaus gesucht und mit Blume gefunden. Der gebürtige Braunschweiger gilt als umgänglich, kommunikativ und entscheidungsfreudig.

„Oliver Blume genießt seit vielen Jahren unser ausdrückliches Vertrauen“, teilte ein Familiensprecher mit. Blume, der seit 1994 im VW-Konzern tätig ist, spielt sich nicht in den Vordergrund, hat aber eine klare strategische Agenda – nicht nur für Porsche. Seit 2018 ist er auch Mitglied im Konzernvorstand.

Blume hat Porsche früh Richtung Elektromobilität gesteuert

Porsche fährt nicht nur die höchsten Renditen in der Automobilbranche ein, der Sportwagenbauer ist neben Audi auch Innovationstreiber im gesamten VW-Konzern. Blume hat das Unternehmen früh Richtung Elektromobilität gesteuert, bis 2030 soll der Anteil der E-Modelle am gesamten Absatz bei 80 Prozent liegen. Schon heute verkauft sich der elektrische Taycan besser als die Porsche- Ikone, der 911er. 2021 verdoppelte sich der Absatz von E-Modellen.

Das Logo der Porsche AG ist in Stuttgart zu sehen.

© Marijan Murat/dpa

Doch der Erfolg weckt Begehrlichkeiten, die Konkurrenz im Mehrmarken-Konzern Volkswagen ist beinhart. So kam es zuletzt zu Auseinandersetzungen bei der Software-Einheit Cariad, die sich bei der Entwicklung des zentralen Software- Stacks für alle Konzernmarken schwer tut.

Porsche und Audi beanspruchten als Premium-Marken die Spitzenposition beim Einsatz der neuen Software, doch Herbert Diess bremste Blume und Audi- Chef Markus Duesmann zu Gunsten der Volumenmarke VW aus. Rückblickend ein kapitaler Fehler.

„Bei Cariad sind Diess’ eklatante Schwächen zu Tage getreten“, sagt ein Beobachter. Statt die Teile zu einem Ganzen zu fügen und die einflussreichen Markenchefs zusammen zu bringen, habe er die Konfrontation gesucht. Dabei verkennt niemand, dass die Aufgabe groß ist: eine wettbewerbsfähige Software zu entwickeln – für einen Riesenkonzern mit weltweit 120 Werken und fast zehn Millionen verkaufter Autos pro Jahr. „Das ist ein sehr dickes Brett und keiner hat erwartet, dass es schnell geht.“

„Diess hat mehrere Chancen bekommen, sein Verhalten zu ändern – aber nicht genutzt“

Doch es ging zu langsam bei Volkswagen. Alle Autobauer forschen und entwickeln an ähnlichen Technologien, die Tech-Konzerne sind auf dem Sprung in die Autobranche, der Zeitdruck ist enorm. Und es gibt weitere Hochrisikogebiete im VW-Konzern, zum Beispiel die Batteriezellfertigung, die das Unternehmen ebenfalls in Eigenregie mit Milliardeninvestitionen aufbauen will.

Die Herbert Diess, das würdigen auch die Aufsichtsräte, hat diese Geschäftsfelder erschlossen, er hat die Strategie des Unternehmens neu justiert und sich als Befürworter einer nachhaltigen Verkehrswende Ansehen in der Branche erworben. Die begleitende „große Ego-Show“, die ihm manche im Unternehmen vorwerfen, wurde ihm allerdings zum Verhängnis. „Diess hat mehrere Chancen bekommen, sein Verhalten zu ändern – aber nicht genutzt“, beschreibt einer.

Mit Oliver Blume, der als promovierter Maschinenbauer als Produktionsexperte gilt, soll der Kurs nun mit mehr Verbindlichkeit und besserer interner Kommunikation fortgesetzt werden. Neben seiner neuen Funktion an der Konzernspitze wird er Porsche-Chef bleiben und den Börsengang der Sportwagenmarke vorbereiten.

Als zweiter starker Mann im Konzern wird ihn VW-Finanzchef Arno Antlitz als Chief Operating Officer (COO) unterstützen. Herbert Diess wird von VW laut dpa bis zum Vertragsende als Berater bezahlt.

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