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Wirtschaft: Die Autokanzlerin

Angela Merkel ermahnt die Hersteller zwar zu mehr Klimaschutz, will aber die deutsche Industrie nicht über die Maßen belasten

Berlin - Im Streit um neue Grenzwerte für Autoabgase hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Autoindustrie Unterstützung zugesichert, sie aber gleichzeitig auch zu mehr Klimaschutz ermahnt. „Es gehört zu den eher bedauerlichen Tatsachen, dass die europäischen Autobauer ihre eingegangenen Selbstverpflichtungen nicht erfüllen werden“, sagte die Kanzlerin beim Europatag der Deutschen Wirtschaft am Dienstag in Berlin. Merkel sprach sich aber gegen eine Pauschallösung aus, die EU-Umweltkommissar Stavros Dimas plant. Die Bundesregierung werde sich „mit aller Kraft und aller Energie“ dafür einsetzen, dass es keine generellen Höchstwerte für Abgase gebe, betonte sie auf der Tagung der Verbände BDI und BDA.

Mit dieser Position versucht Merkel den Spagat zwischen globalem Klimaschutz – den Deutschland als derzeitiger EU-Ratspräsident vorantreiben will – und nationalen Industrieinteressen. Hier zu Lande zählen Hersteller wie BMW, VW und Daimler-Chrysler zu den wichtigsten Arbeitgebern. Sie stellen aber eher schwere Autos mit hohen Abgaswerten her und wären daher viele stärker von einer Pauschallösung betroffen als Kleinwagenhersteller.

Die europäischen Autokonzerne hatten 1999 versprochen, den Ausstoß an Kohlendioxid (CO2), das für die Klimaerwärmung verantwortlich gemacht wird, bis Ende 2008 deutlich zu senken. Doch schon jetzt ist absehbar, dass das Ziel nicht erreicht wird. Bis Ende kommenden Jahres war ein Grenzwert von 140 Gramm CO2 pro Kilometer angepeilt, der europäische Durchschnitt liegt derzeit aber erst bei circa 160 Gramm pro Kilometer. Und auch Ende 2008 dürfte der Wert nach Einschätzung der EU-Kommission erst bei 156 Gramm liegen. EU-Umweltkommissar Stavros Dimas will daher mit einem Gesetz nachhelfen, um die CO2-Emissionen bis 2012 um ein Viertel auf dann 120 Gramm pro Kilometer zu senken. Dagegen wehrt sich die Autoindustrie heftig. Unterstützt wird sie von Industriekommissar Günther Verheugen.

Nach Angaben Verheugens gibt es einen breiten Konsens, dass ein Gesetz her muss. „Die Diskussion dreht sich nur um eine Frage“, betonte er: „Wir hoch soll der Anteil sein, den die Motorenentwicklung an diesem Ziel leistet?“

Es ist die nicht unerhebliche Frage des „Wie“. Nötige Veränderungen der Technik, wie sparsamere Motoren, würden die Industrie mindestens 2500 Euro je Neuwagen kosten, argumentieren die deutschen Hersteller, die in einem Brief an die EU-Kommission mit der Abwanderung von Arbeitsplätzen gedroht haben.

Verheugen plädierte erneut für einen „integrierten Ansatz“. Er will die Last der Abgasreduzierung nicht allein den Herstellern aufhalsen, schon gar nicht allein den Herstellern großer Modelle. Der deutsche Kommissar möchte das Ziel stattdessen durch eine Kombination von Biosprit-Beimischung, besserer Verkehrsinfrastruktur und Reifentechnologie erreichen – und kann auch dabei offenbar auf Merkel zählen.

Die Kanzlerin sprach sich dafür aus, dass die von der EU geplante stärkere Beimischung von Biokraftstoffen zu Diesel und Benzin bei der Abgassenkung mit angerechnet werden darf – zu welchem Anteil muss noch geklärt werden. Um nachwachsende Rohstoffe zu fördern, wünschte sich Merkel zudem „ein etwas unbefangeneres Verhältnis zur Gentechnologie“ – ein EU-weit strittiges Thema.

Deutsche Umweltverbände appellierten gestern an die EU-Kommission und die deutsche Ratspräsidentschaft, der Automobilindustrie nicht nachzugeben.

Eine schnelle Lösung wird es aber ohnehin nicht geben. „Wir werden uns so viel Zeit nehmen, wie wir brauchen“, sagte Verheugen. Laut Kommissionskreisen soll spätestens in der ersten Hälfte 2008 ein Vorschlag auf dem Tisch liegen.

Maren Peters

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