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Wirtschaft: Die Runden sind gesellig

Vor hundert Jahren gründete Max Hübner in Berlin Fleurop. Der heutige Chef sagt: Jede Pflanze hat ihren Charakter

Sie haben sich so ins Zeug gelegt für sie, haben ihr sogar die Zweifarbigkeit gegeben, geholfen hat es nicht. „Die Nelke hat ein Imageproblem“, sagt Ludwig Angeli. Eine Rose dagegen muss nur rot sein und schon fliegen ihr die Herzen zu, das ist nicht gerecht, findet Angeli. Angeli sorgt dafür, dass Blume und Mensch zueinanderfinden. Der Floristenmeister aus Fulda ist Präsident des Blumenversands Fleurop, der dieses Jahr hundert Jahre alt wird. Der Muttertag (siehe Kasten) ist der umsatzstärkste Tag für das Berliner Unternehmen. Seine unangefochtene Stellung auf dem Markt hat es jedoch verloren, seit auch Konkurrenten wie Euroflorist, Valentins und sogar Tchibo Blumen verschicken.

1908 war Fleurop von Max Hübner, einem Floristen in der Kreuzberger Prinzenstraße, gegründet worden – als „Blumenspenden-Vermittlungs-Agentur“. Das Konzept: Nicht Blumen verschicken und damit welke Sträuße riskieren, sondern den Auftrag. Die Idee war ein Wagnis. Dennoch stiegen 98 Floristen gleich ein. Heute sind es 50 000 in 150 Ländern. 2006 wurden in Deutschland 3,7 Millionen Fleurop-Sträuße ausgeliefert, Blumengrüße im Acht-Sekunden-Takt.

Auf der Fensterbank hinter Ludwig Angeli im Hilton Hotel in Berlin stehen auch Blumen, Gerbera und Ginster. Angeli beugt sich über sie, grauer Kopf über gelbem Strauß, und erklärt die Komposition eines Straußes: Auf die Form der Blüten müsse man achten. „Die runden wie Gerbera sind gesellig, die sind gern mit anderen Blumen.“ Anders die Lilie. „Sie ist hochmütig, sie bleibt allein.“ Ihm selbst gefällt, was er da vor sich hat, „ein Kuschelsträußchen“, sagt er. „Den will man sofort an sich drücken“, sagt der Präsident und vollführt sogleich die Bewegung, Arme auf und dann ans Herz gezogen.

Diese Geste macht Angeli einige Male, sie passt zum freundlichen Wunschimage von Fleurop. Ebenso fügt sich ins Bild, dass die Firmenzentrale noch in Berlin-Lichterfelde ist, seit 50 Jahren schon. Doch das Feld ist enger geworden. Anfangs schien sich die Berliner Firma allein mit dem Gedanken schwerzutun, dass es so etwas wie Konkurrenz überhaupt gibt: Sie wollte ihren Floristen in alter patriarchalischer Manier schlichtweg verbieten, für andere zu arbeiten, 2005 schritt jedoch das Gericht ein. Nun gibt sich Fleurop Mühe, nicht trutschig zu wirken: „Blumen sind so sexy“, heißt es auf der Fleurop-Internetseite. Sogar einen „klimaneutralen Strauß“ bietet der Blumenhändler inzwischen an, von seinem Kaufpreis gehen 1,20 Euro an eine Umweltinitiative. Diese Bemühungen haben zumindest stabilisierende Wirkung, 2005 wie 2006 wurden Sträuße im Wert von etwa 68 Millionen Euro verkauft. Das Geld wird stets ins Unternehmen reinvestiert. Seit 2003 ist Fleurop zwar eine Aktiengesellschaft, die Aktien halten aber die rund 8600 deutschen Fleurop-Floristen, und jeder darf nur eine haben.

Fleurop steht mit seinem Geschäftsmodell nicht allein da. Auch Euroflorist arbeitet mit niedergelassenen Blumenhändler zusammen, in Deutschland sind es 2700. Blumen kann man via Internet, Telefon oder bei einem niedergelassenen Händler bestellen. Anders bei Valentins und Blume 2000:. Sie bieten einen Direktversand an, die Sträuße werden per Post verschickt. Den Auftrag erteilt man via Internet, bei Blume 2000 auch telefonisch.

Für Ludwig Angeli sind Blumen mehr als nur eine Ware. Sie sind kleine Chronografen, sie bilden die Zeit ab. Jede Epoche habe ihre Blume, wie die Achtziger die Sonnenblume. „Ihre Zeit ist vorbei“, sagt Angeli. „Nun erleben wir eine Renaissance der weißen Lilie.“ Und dann bildet auch der Strauß selbst die Zeit ab: Jeden Tag sehe er anders aus, sagt Angeli.

Der Mann, der das Veränderliche im Strauß so lobt, ist schon seit 17 Jahren Präsident von Fleurop, der Vorstand Hansjörg Buchholz arbeitet seit 40 Jahren im Unternehmen. An den Jubiläen legen sie in Berlin Blumen an Max Hübners Grab nieder. Weiß müssten die sein, sagt Angeli, für den Kontrast zum dunklen Efeuhintergrund. Und das besorgen die Fleuropisten zu Fuß, persönlich, ohne Boten. Verena Friederike Hasel

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