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Gasstreit: Gasprom wirft Ukraine Gas-Diebstahl vor

Nach dem Stopp der Gaslieferungen hat der vom Kreml kontrollierte Konzern Gasprom der Ukraine den Diebstahl von 100 Millionen Kubikmeter Gas vorgeworfen. Die Regierung in Kiew dementierte dies.

Moskau/Kiew - Die ukrainische Regierung betonte, man komme derzeit mit eigenen Reserven und Gas aus Turkmenien aus. Inzwischen hat der Lieferstopp Auswirkungen auf mehrere EU-Staaten: In Ungarn und Österreich traf deutlich weniger Gas aus Russland ein als vertraglich zugesichert, Polen meldete einen Druckabfall beim ankommenden Gas. Die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner forderte Russland und die Ukraine zu einer Einigung im Gasstreit auf.

«Moskau und auch Kiew müssen Lösungen finden», sagte Ferrero- Waldner am Montag im Deutschlandfunk. Die Gasversorgung in Europa sieht sie nicht in Gefahr. Die Bundesregierung forderte beide Seiten auf, den Gasstreit beizulegen, ohne die Versorgung Europas zu beeinträchtigen. Die Verhandlungen sollten sobald wie möglich mit einem für beide Seiten tragbaren Kompromiss abgeschlossen werden, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin. Die Bundesregierung sieht die deutsche Gasversorgung weiterhin als gesichert an. Das Bundeswirtschaftsministerium betonte, es gebe ausreichend Speichervolumen. Zudem könnten Importe aus anderen Ländern erhöht werden.

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Gasprom, Alexander Medwedew, warf der Ukraine vor, die an einem Tag entwendete Gasmenge entspreche einem Wert von 25 Millionen Dollar (21 Millionen Euro). In Kiew versicherte dagegen Energieminister Iwan Platschkow, die Ukraine entnehme kein russisches Gas auf illegalem Weg. Der Katastrophenschutz in Kiew hatte zuvor mitgeteilt, in einer von Russland in die Ukraine führenden Hauptleitung sei an der Grenze die Gasmenge von zuletzt zwei Millionen Kubikmetern pro Stunde auf 450.000 Kubikmeter abgesunken.

Der Gasprom-Konzern verlangt von der Ukraine seit dem 1. Januar 2006 einen fast fünf Mal höheren Gaspreis. Weil Kiew sich einem entsprechendem Vertragsabschluss verweigerte, drehte Gasprom den Ukrainern am Neujahrsmorgen das Gas ab.

Der russische Energieversorger teilte mit, das für die Abnehmer in der Europäischen Union bestimmte Gas weiterhin in vollem Umfang über das ukrainische Territorium in Richtung Westen zu pumpen. Dort kommt aber zum Teil deutlich weniger Gas an als vertraglich vereinbart.

Österreich meldete einen Rückgang um etwa ein Drittel. Engpässe bei Großkunden seien nicht völlig auszuschließen, falls die Liefermenge weiter verringert und der Winter kalt werde, teilte der größte österreichische Energiekonzern OMV am Montag mit.

In Ungarn stellten mehrere Elektrizitätswerke nach dem Rückgang der Lieferungen von russischem Erdgas um 25 Prozent auf Heizöl um. Wer für den Lieferrückgang verantwortlich ist, sei von Ungarn aus nicht festzustellen, erklärte ein Sprecher des für den Erdgasimport zuständigen ungarischen Mineralölkonzerns MOL.

Polen meldete einen leichten Druckabfall und will nach Angaben von Wirtschaftsminister Piotr Wozniak gegebenenfalls versuchen, die über Weißrussland ankommenden Erdgasimporte aus Russland zu steigern. Die russischen Erdgaslieferungen nach Rumänien liefen nach Angaben der Gesellschaft Transgaz dagegen am Montag störungsfrei weiter.

Die US-Regierung bedauerte die Einstellung der Erdgaslieferungen an die Ukraine. Der «plötzliche Schritt schafft Unsicherheit im Energiesektor der Region», sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Sean McCormick, in Washington. Es stelle sich zudem die Frage, ob mit Hilfe der Energieversorgung missbräuchlich politischer Druck ausgeübt werden soll.

Die Ukraine will im Streit um die drastisch erhöhten Bezugspreise für russisches Gas europäische Experten zu Rate ziehen. «Wir werden unabhängige Fachleute einladen, die sich in den Konflikt einmischen könnten und uns ihre Einschätzung mitteilen», sagte Regierungschef Juri Jechanurow am Sonntagabend in Kiew. Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko nannte den Preis von 230 Dollar (195 Euro) je 1000 Kubikmeter «inakzeptabel» und forderte neue Verhandlungen. (tso/dpa)

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