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Geschützter Blick ins Grüne: Die Loggia öffnet das Einfamilienhaus von Sebastian Brandner in die Natur.

© Reinhart Bünger

Baukultur und Nachhaltigkeit: Mit Wurzeln, die nie ein Sturm bezwingt

Das Haus von Sebastian Brandner steht auf einem Betonsockel – fast alles andere ist aus Holz. In Deutschland undenkbar.

Wenn es eine Region im deutschen Sprachraum gibt, die den Holzbau seit Generation lebt und ökologisches Bauen auch mit andere Materialen voranbringt, dann ist es das österreichische Vorarlberg. Beton gehört natürlich auch dazu, glaubt man Willem Bruijn, dem langjährigen Projektarchitekten und Managing Partner des Büros Baumschlager Eberle. „Beton ist gut – Beton ist langlebig, auch wenn zunächst viel CO2 verbraucht wird.“ Werde im Haus- und Wohnungsbau immer stärker der Gedanke der Recyclebarkeit der Baumaterialien verfolgt, könne dies den Tod der Architektur bedeuten, sagt Bruijn.

Das in Dornbirn gelegene Einfamilienhaus des Kollegen Sebastian Brandner, das Bruijn auf einer Tagesspiegel-Leserreise mit dem Berliner Architekturreisenveranstalter Ticket B vor einem Monat vorstellte, scheint das Gegenteil zu belegen. Das Holzhaus steht seit der Fertigstellung 2019 wie eine Eins (Holzbau: Zimmerei Gerhard Bilgeri GmbH, 6943 Riefensberg). Und die Architektur? Ist immer auch eine Geschmacksache.

Fünf Meter schmal – 17 Meter 50 m lang. Das dreigeschossige Wohnhaus, das der Vorarlberger Architekt Sebastian Brandner für sich und seine vierköpfige Familie in Dornbirn errichtet hat. Der hohe, schmale Baukörper setzt steht wie ein Ausrufezeichen in dem kleinen Dornbirner Wohnviertel (Vorarlberg/Österreich), das zwischen Sportplätzen und einem großen Gewerbegebiet am äußersten nördlichen Stadtrand liegt. Trotz der exponierten Lage entschloss sich Bauherr und Architekt Brandner, das Haus radikal freizustellen, ohne Einfassung durch Hecken oder Zäune und mit nur minimaler Gartengestaltung.

© Reinhart Bünger

Architekt Brandner, der hier für seine vierköpfige Familie plante und baute, holte das Optimale aus dem Grundstück heraus. Die 392 Quadratmeter kleine Parzelle wird an drei Seiten von Straßen und einer Grundstückszufahrt umschlossen. Brandner wollte seinem Vorbild Frank Gassner nacheifern. Dieser Architekt stehe für Einfachheit, Zurückhaltung und Qualität, sagt der Dornbirner, der konzeptionell überdies auf einen Garten, ein Büro im Erdgeschoss und eine Garage Wert legte. „Kein einfaches Raumprogramm“, sagte Brandner bei der Besichtigung, der die offenen Grundrisse hervorhob. 150 Quadratmeter Wohnfläche stehen der Familie zur Verfügung – ganz oben die Schlafzimmer, in der Mitte die Wohnküche mit Loggia, die einen freien Blick in den Himmel bietet. Über die Kosten wollte sich Brandner nicht äußern. Er ließ sich ein reines Holzhaus bauen, das in dieser technischen Umsetzung in Deutschland wohl undenkbar wäre.

Auf drei Seiten begrenzen Straßen und Grundstückszufahrten die nur 400 m2 große Parzelle. Im ersten Stock ist Platz für die Wohnküche und einen kleinen Toilettenraum.

© Reinhart Bünger

Die „Koalition für Holzbau“ identifizierte Ende Juni die Musterholzbaurichtlinie als eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu mehr nachhaltigen Holzbau in Deutschland. Mitstreiter Reinhard Eberl-Pacan setzt sich daher für die Abschaffung dieser Richtlinie ein. „Allein durch diese Maßnahme und einer Umstellung auf europarechtskonforme Brandschutzlösungen könnte der CO2-Ausstoss im Neubau um weitere ca. 2260 Megatonnen pro Jahr gesenkt werden, da weniger nicht brennbare, aber deshalb auch nicht nachwachsende oder nicht recyclefähige Baustoffe eingesetzt werden müssten, ohne die Gebäudesicherheit zu gefährden.“ Die Benachteiligung des Holzbaus über die Musterholzbaurichtlinie fußt auf der vermeintlich erhöhten Brandgefahr von Holzgebäuden. „Andere europäische Länder wie die Schweiz, Österreich oder die Länder in Skandinavien sind seit mindestens einem Jahrzehnt deutlich offener für Holzbau“, sagt Eberl-Pacan. In dieser Zeit hätten sich dort weder die Zahl der Brandtoten noch die Zahl der Feuerwehreinsätze erhöht, sagt der Brandschutzexperte.

Vor allem Mehrfamilienhäuser sollten aus Holz gebaut werden

Unstrittig immerhin: Holzbau ist aktiver Klimaschutz. Schon heute werden durch ihn ca. 760 Megatonnen (Mt) CO2 pro Jahr im Vergleich zum konventionellen Bau eingespart. Zusätzlich bindet das verbaute Holz ca. 1980 Mt CO2/ Jahr.

Es ist vor allem wichtig, nicht nur Einfamilienhäuser aus Holz zu bauen, sondern auch Mehrfamilienhäuser. Darauf wiesen Architekten auf der Tagesspiegel-Leserreise vehement hin. Der Holzbauanteil bei Gebäuden über drei Stockwerken liegt erst bei vier Prozent. Zusätzliches Potential bietet die Modulbauweise, insbesondere für das schnellere Bauen: Nur 20 Unternehmen würden in Deutschland reichen, um die Module für die politisch pro Jahr geforderten 400000 Wohneinheiten zu produzieren, errechnete die „Koalition für Holzbau“.

Brandschutzmaßnahmen konterkarieren die Ziele des Holzbaus

Noch aber führen die besonderen Regelungen im deutschen Baurecht zu einem hohen wirtschaftlichen Aufwand, die das nachhaltige Bauen unattraktiv machen. Einer davon ist, dass aus Brandschutzgründen zusätzliche Baustoffe wie Beton oder Gips eingesetzt werden müssen, um z. B. das Holz einzukapseln. Das konterkariert die Ziele des Holzbaus.

Nadelholz könnte ab 2030 knapp werden

Hinzu kann ein weiteres Hindernis kommen. „Da seriöse Prognosen davon ausgehen, dass das bisher im Holzbau überwiegend verwendete Nadelholz bereits ab Mitte der 2030 Jahren zunehmend knapp werden könnte, bedarf es aus der Perspektive der Bauwirtschaft noch weiterer intensiver Forschungsanstrengungen, um das in unseren Wäldern bereits jetzt in ausreichenden Mengen vorhandene Laubholz zunehmend im Holzbau einsetzen zu können“, sagt Hubert Speth, Studiengangsleiter an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mosbach.

All dies kann das Brandner-Projekt in Dornbirn nicht erschüttern. Es steht auf einer soliden Platte („Wir haben hier schlechten Grund“), wurde in zwei Tagen aufgestellt und mit Zellulose ausgeblasen. In achtzig Jahren wird man sehen, ob das dann schwarz gewordene Haus aus unbehandeltem Lärchenholz noch steht oder nur der Betonsockel übriggeblieben ist.

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