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Wirtschaft: Karmann oben ohne

Cabrio-Hersteller streicht 1770 Stellen in Deutschland – Autokonzerne bauen Nischenautos lieber selbst

Berlin - Der Autozulieferer Karmann muss wegen der schlechten Auftragslage im Cabrio-Bau jede dritte Stelle in Deutschland streichen. Der 1901 gegründete Hersteller des legendären Karmann Ghia und des VW Käfer Cabriolets schließt auch nicht aus, dass 2008 rote Zahlen geschrieben werden. Im Karmann-Werk im westfälischen Rheine sollen in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres rund 900 der bestehenden 1000 Arbeitsplätze wegfallen. Innerhalb der kommenden zwölf Monate sollen zudem am Hauptsitz Osnabrück 870 der 4000 Stellen gestrichen werden. Eine komplette Aufgabe des Unternehmensbereichs Fahrzeugbau wird nicht mehr ausgeschlossen. Bei Karmann fertigen derzeit noch rund 2400 Mitarbeiter gut 30 000 komplette Autos im Jahr.

Obwohl sich Cabrios in Deutschland immer besser verkaufen, leidet Karmann darunter, dass die Markenhersteller die Produktion von Spezialfahrzeugen nicht mehr auslagern, sondern selbst übernehmen. Es habe deshalb seit Jahren keine neuen Aufträge mehr für eine Komplettfertigung gegeben, sagte ein Firmensprecher. In Rheine am Niederrhein baut Karmann zum Beispiel das Audi A4 Cabrio, der Auftrag läuft aber aus. Auch in Osnabrück, wo unter anderem der Mercedes CLK produziert wird, drohe 2009 das Aus für den Gesamtfahrzeugbau, wenn es nicht gelinge, bis Juli 2008 einen Nachfolgeauftrag zu gewinnen, sagte Geschäftsführer Peter Harbig. „Wir reden mit allen Herstellern“, fügte ein Sprecher hinzu. So verhandelt Karmann etwa mit dem koreanischen Hersteller Kia. „Die Gespräche verlaufen aber nicht so, dass wir uns Hoffnung machen können“, sagte er dem Tagesspiegel. Bereits 2006 hatte Karmann rund 700 Stellen gestrichen, weil sich der bei dem Zulieferer gefertigte Chrysler Crossfire nur schleppend verkaufte. Der Abbau von 1770 Arbeitsplätzen werde nicht ohne betriebsbedingte Kündigungen gelingen, sagte der Sprecher. Man werde in Kürze Gespräche mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan aufnehmen. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sagte Unterstützung zu: „Das Land ist vor dem Hintergrund der großen Strukturumbrüche bereit, mit erheblichen Mitteln die Weiterqualifizierung und Vermittlung der Beschäftigten in andere Arbeitsplätze zu fördern.“ Er appellierte an die deutschen Autohersteller, die „Innovationsschmiede“ Karmann zu sichern.

Würde der Fahrzeugbau bei Karmann geschlossen, fielen 35 bis 40 Prozent des Umsatzes weg, sagte Geschäftsführer Harbig. Karmann peilt 2007 mit weltweit 7000 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,5 (Vorjahr: 1,7) Milliarden Euro sowie ein ausgeglichenes Ergebnis an. „Operativ sind wir noch im Plan“, sagte Harbig. 2008 könne Karmann in die Verlustzone rutschen. Frisches Kapital benötige die Firma nicht. Die anderen drei Geschäftsbereiche – der Bau von Autodächern, Karosserieteilen und Werkzeugen für Karosseriepressen – seien gut ausgelastet.

Auf der IAA hatte sich Karmann noch zuversichtlich über das Ende seiner Restrukturierung geäußert. Das 1901 von Wilhelm Karmann als Kutschenbaubetrieb gegründete Unternehmen schrieb Autogeschichte. So entwarf der italienische Designer Luigi Segre 1953 auf der technischen Basis des VW Käfers das Sport-Coupé Karmann Ghia. Er wurde 440 000 Mal verkauft. Von 1949 bis 1980 wurde der offene Käfer in Osnabrück gebaut, der 330 000 Mal vom Band lief. Sein Nachfolger wurde der offene VW Golf – mit 388 500 Stück das meistverkaufte Cabrio der Welt.

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