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Wirtschaft: Kein Schiff kann kommen

Die EU will mit einer Richtlinie in den Häfen für stärkeren Wettbewerb sorgen – die Gewerkschaften befürchten Lohndumping

Hamburg/Berlin - Im Hamburger Hafen weht ein eisiger Wind. Wie immer bugsiert Michael Öhlmann seinen meterhohen Van-Carrierer zwischen den engen Gassen auf dem Burchardkai-Terminal, stapelt dabei mehrere 20-Fuß-große Container übereinander. Doch in der Nacht zum Mittwoch ist für den kernig wirkenden Mitarbeiter der Hamburger Hafen- und Lagerhaus AG (HHLA) abrupt Schicht. Pünktlich um Mitternacht streiken mehr als 50 000 Mitarbeiter auf Europas Seehäfen. Sie wehren sich gegen die geplante EU-Richtlinie für den Marktzugang für Hafendienste. „Wir befürchten, dass die Maßnahme Arbeitsplätze gefährdet. Das machen wir nicht mit“, kritisiert Öhlmann. Sein Kollege Rudolf Bade, Handwerker bei der HHLA, pflichtet ihm bei. „Wenn die Reeder künftig die Container selber abfertigen können, sind viele Hafenbetriebe überflüssig.“

Gestern nun stehen Öhlmann und Bade, mit wetterfesten gelben Öljacken bekleidet, auf dem HHLA-Betriebsgelände unter mehr als 300 Demonstranten. Erst in der Nacht zum Donnerstag sollte die Arbeit wieder aufgenommen werden. Zu den Protesten aufgerufen hatte die Europäische Transportarbeiter-Förderation und die Gewerkschaft Verdi. „Die EU-Richtlinie verunsichert die Hafenbetriebe erheblich. Sie werden Investitionen zurückschrauben, wenn die EU-Richtlinie kommt“, befürchtet Verdi-Vorstandsmitglied Jan Kahmann. Auch die Seehafenbetriebe wehren sich gegen den EU-Vorstoß: „Wir sind in dieser Angelegenheit mit Verdi einer Meinung“, sagt ein Sprecher des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS). Unterstützung kommt auch von der Bundesregierung. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sagt, er könne die Proteste verstehen. Die Pläne der EU fänden auch nicht seine Zustimmung.

Die EU-Richtlinie Port Package II sieht vor, dass Hafendienstleistungen künftig ausgeschrieben werden sollen. Schlepper- und Lotsendienste können dann an zeitlich befristete Konzessionen gebunden werden, das Be- und Entladen von Schiffen zudem durch Land- und Bodenpersonal der Reeder erfolgen. Damit will die EU-Kommission den Wettbewerb zwischen Häfen stärken.

Die deutschen Seehafenbetriebe befürchten nun, dass die inländischen Betriebe bei internationalen Ausschreibungen durch kapitalkräftige asiatische Konkurrenten verdrängt werden. „Wir brauchen die EU-Richtlinie nicht, da zwischen den Häfen der Wettbewerb funktioniert“, meint ein ZDS-Sprecher – und wird darin zum Beispiel vom verkehrspolitischen Sprecher der SPD, Uwe Beckmeyer, unterstützt. Nächste Woche will das Europaparlament über die Richtlinie abstimmen. Ob es hierzu kommt, gilt in Branchenkreisen als unwahrscheinlich. „Die Vorschläge sind noch zu unausgegoren“, sagt ein Sprecher der Tui-Tochter Hapag-Lloyd. Verkehrsminister Tiefensee will auch zunächst das Votum der Parlamentarier abwarten, bevor er sich um Änderungen an der Richtlinie bemüht.

Die Protestmaßnahmen verursachten gestern bei den Seehafenbetrieben und Reedereien Einbußen in Millionenhöhe. Allein im Hamburger Hafen, nach Rotterdam der zweitgrößte europäische Seehafen, wurden wegen der Streiks mehr als 40 Schiffe nicht entladen. lip (HB)/hop

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