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Adam und Eva. Schon im Paradies ging’s los mit den kleinen und großen Unterschieden zwischen Männern und Frauen. Hier zu sehen auf einem Bild von Peter Paul Rubens – ausgestellt in Antwerpen.

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Unisex-Tarife: Kleiner Unterschied, große Wirkung

Männer und Frauen zahlen für Versicherungen unterschiedlich viel. Das ändert sich im Dezember. Wer jetzt etwas tun sollte.

Natürlich gibt es Frauen, die nie zum Arzt gehen, die mit ihrem Auto durch die Gegend rasen und früh sterben. Doch normal ist das nicht. Glaubt man der Statistik, leben Frauen länger als Männer, fahren vorsichtiger und sind häufiger in den Sprechzimmern der Ärzte anzutreffen. Das hat Konsequenzen: Frauen zahlen bis zu 30 Prozent mehr für ihre private Krankenversicherung. Dafür müssen Männer mehr für ihre Autoversicherung ausgeben, weil vor allem junge Fahrer unter dem Generalverdacht stehen, als Raser durch die Gegend zu brausen und deshalb mehr Unfälle zu bauen.

ZWANG ZUR GLEICHHEIT

Kleiner Unterschied, große Wirkung. Doch damit ist bald Schluss. Ab dem 21. Dezember dieses Jahres dürfen die Versicherer keine Tarife mehr auf den Markt bringen, die unterschiedliche Prämien für Männer und Frauen vorsehen. Bedanken können sich Versicherer und Versicherte beim Europäischen Gerichtshof. Das höchste europäische Gericht hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass Versicherer wegen des Diskriminierungsverbots nur noch einheitliche Verträge, sogenannte Unisex-Policen, verkaufen dürfen. Betroffen sind davon aber nur neue Verträge, Versicherungen, die vor dem Stichtag abgeschlossen werden, bleiben von der zwangsweisen Prämiengleichheit unberührt.

SCHLUSSSPURT

Das hat Konsequenzen: Wer mit der Geschlechtertrennung finanziell besser fährt, sollte daher in den nächsten Wochen tätig werden. „Für Männer empfiehlt es sich, eine private Kranken-, Pflege-, Renten- oder Berufsunfähigkeitsversicherung noch vor dem Stichtag abzuschließen“, raten die Versicherungsexperten vom Onlinedienst „1a Verbraucherportal“. Bei Kfz-Versicherungen könnte es sich für junge Männer dagegen lohnen, die bestehende Police zum November zu kündigen und auf den neuen Unisex-Tarif umzusteigen.

Für Frauen gilt logischerweise das Gegenteil. Junge Autobesitzerinnen sollten sich jetzt eher langfristig an ihren Autoversicherer binden. Auch wer eine Lebensversicherung abschließen möchte, sollte nicht zu lange warten. Bei privaten Kranken-, Pflege-, Renten- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen sind Frauen nach Meinung des Online-Portals dagegen gut beraten, den neuen Vertrag erst nach dem 21. Dezember zu unterschreiben.

WER JETZT HANDELN SOLLTE

Handlungsbedarf haben vor allem diejenigen, die Verschlechterungen zu befürchten haben. Denn im Vergleich zu den Prämienerhöhungen fallen die zu erwartenden Prämiensenkungen eher bescheiden aus, hat eine Umfrage der Stiftung Warentest unter neun Versicherungsgesellschaften ergeben. Beispiel: Während Frauen beim Abschluss einer Risikolebensversicherung in der neuen Unisex-Welt mit Aufschlägen von bis zu 55 Prozent rechnen müssen, wird es für Männer im Gegenzug um höchstens 22 Prozent billiger.

„Im Schnitt werden die Beiträge steigen“, vermuten die Tester.

Das befürchtet auch Lars Gatschke. „Die Branche versucht, Preiserhöhungen durchzusetzen“, kritisiert der Versicherungsexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Die Versicherungswirtschaft begründet das steigende Preisniveau mit den Unwägbarkeiten rund um die neuen Tarife. Da man nicht wisse, wie viele Frauen in die Unisex-Tarife gingen, brauche man ein Sicherheitspolster, heißt es etwa bei den privaten Krankenversicherern. Verbraucherschützer Gatschke sieht die Finanzaufsicht Bafin in der Pflicht: „Die Bafin soll schauen, was mit den Überschüssen passiert.“

TARIFVERGLEICH

Obwohl Versicherer und Banken den herannahenden Stichtag nutzen, um Kunden zum Vertragsabschluss zu bewegen, sollten sich Verbraucher davon nicht beeindrucken lassen, mahnt Gatschke. Das heißt: Man sollte nur die Versicherungen abschließen, die man ohnehin haben will – unabhängig von Unisex. Zudem sollte man, wie sonst auch, Angebote vergleichen: „Der Unterschied zwischen guten und schlechten Policen ist größer als der zwischen Bi- und Unisex-Tarifen“, warnt der Verbraucherschützer.

WECHSEL

In der privaten Krankenversicherung können sich Frauen ohnedies Zeit lassen. Diejenigen, die jetzt noch einen teuren geschlechtsspezifischen Tarif abschließen, können nämlich später auf einen der neuen Unisex-Tarife umsteigen. Dagegen soll der Weg in die andere Richtung versperrt werden. Aus Unisex-Tarifen sollen Versicherte nicht in herkömmliche Tarife wechseln können, hat das Bundeskabinett Ende August beschlossen. Damit will die Regierung Rosinenpickerei vermeiden. Konsequenzen hat das vor allem für Männer, die dann nicht mehr in die günstigeren Alttarife gehen können. Gemerkt haben sie das anscheinend aber noch nicht. Verstärkten Zulauf habe man derzeit vor allem von Frauen, heißt es bei Deutschlands größtem privaten Krankenversicherer, der Debeka.

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