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Wirtschaft: Linde sucht nach neuen Geldquellen

Die Übernahme der britischen BOC wird teuer

Berlin - Wolfgang Reitzle will die Nummer eins werden. Der Chef des deutschen Technologiekonzerns Linde strebt nach der Weltmarktführerschaft im internationalen Geschäft mit Industrie- und Medizingasen. Um das zu erreichen, ist er angeblich sogar bereit, das Traditionsunternehmen aufzuspalten. Reitzle, der vor seinem Wechsel nach Wiesbaden die Luxusmarken des Ford-Konzerns (Jaguar, Aston Martin) gemanagt hatte, will den britischen Gasehersteller BOC kaufen und – falls nötig – dafür die eigene Gabelstaplersparte verkaufen, berichtete am Donnerstag die „Financial Times Deutschland“ unter Berufung auf Unternehmenskreise. Am Markt kursierte das unbestätigte Gerücht, BOC wolle den Spieß umdrehen und seinerseits Linde übernehmen. Bei Linde selbst wollte man am Donnerstag keine Stellung nehmen. Die Börse honorierte die Übernahmefantasien mit einem Kursanstieg um 0,95 Prozent auf 65,56 Euro. Im vergangenen März hatte die Aktie noch bei knapp 48 Euro notiert und sich seitdem um rund 36 Prozent verbessert.

Reitzle steht unter Druck. Linde hatte am Dienstag bestätigt, dass das Unternehmen dem britischen Konkurrenten ein milliardenschweres Übernahmeangebot gemacht hat. 15 Pfund je Aktie ist Linde bereit zu zahlen, insgesamt sind das rund elf Milliarden Euro. Doch dem BOC-Vorstand ist das zu wenig, er lehnte ab. Analysten warnen Reitzle davor, sich zu übernehmen und den Kaufpreis zu sehr in die Höhe zu schrauben. Linde ist mit einer Marktkapitalisierung von 7,45 Milliarden Euro deutlich kleiner als BOC (10,1 Milliarden Euro).

Dabei würden beide Unternehmen hervorragend zueinander passen. Ein Zusammenschluss würde den bisherigen Marktführer Air Liquide auf den zweiten Platz verdrängen. Auch regional würden sich beide Anbieter gut ergänzen, sagt Analyst Christian Weiz von der Hypo-Vereinsbank. Linde ist stark in Osteuropa vertreten, BOC in Asien. „Linde würde den Anlagenbau in das zusammengeführte Unternehmen einbringen“, betont Weiz, BOC sein Elektronikgasgeschäft.

Dass beide Unternehmen zusammengehen, hatte die Branche schon lange erwartet. Allerdings war Linde nicht als Käufer, sondern als Übernahmekandidat gehandelt worden. Dies umso mehr, als sich angeblich die drei Großaktionäre Allianz, Deutsche Bank und Commerzbank von ihrem Linde-Anteil, der bei über 30 Prozent liegt, trennen wollen. Nun drehe sich die Situation und Linde gehe in die Offensive, sagt Silke Stegmann von der Landesbank Rheinland-Pfalz.

Offen ist jedoch, wie die Deutschen die Übernahme finanzieren wollen. Nach Informationen der „Financial Times Deutschland“ sollen 40 Prozent über Kredite finanziert werden, der Rest der Summe soll über eine Kapitalerhöhung und den Kauf der Gabelstaplersparte zusammenkommen.

Die Gabelstaplersparte („Material Handling“) ist innerhalb des Konzerns der deutlich kleinere Bereich. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres machte die Sparte einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro und einen operativen Gewinn von 125 Millionen Euro. Der Bereich Gase und Anlagebau steuerte dagegen 4,2 Milliarden Euro zum Umsatz bei, davon entfielen allein auf die Gassparte 3,2 Milliarden Euro. Mit dem Gas- und Anlagebaugeschäft verdiente Linde in den ersten neun Monaten 2005 552 Millionen Euro.

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