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Wirtschaft: Lust auf Luxus

Die Chinesen kaufen vor allem Autos der Oberklasse. Das Land ist der wichtigste Markt für den teuersten BMW und den Audi A6

Von Peter Wonacott

und Lee Hawkins jr.

Auch Sun Wanyi wird bald dem exklusiven BMW-Klub angehören. Nachdem sie eine Werbung über den neuen 325i gesehen hatte, dem ersten BMW, der in China hergestellt wurde, gab es kein Halten mehr. Der Listenpreis von 45894 US-Dollar (39919 Euro) sei „zu attraktiv, um ihn sich entgehen zu lassen“, sagt die 39-Jährige.

Beim Händler gab es aber erst einmal schlechte Nachrichten. Für den deutschen Luxuswagen gibt es eine dreimonatige Wartezeit und er kostet 12000 US-Dollar mehr als erwartet. Aber Sun Wanyi lässt sich nicht beirren. Selbst jetzt ist der in China hergestellte BMW noch erheblich billiger als das importierte Modell – und eine bedeutende Verbesserung gegenüber ihrem alten Volkswagen. „Der Preis spielt schon eine Rolle“, sagt sie. „Aber ich möchte ein besseres Auto.“

Es gibt sie jetzt in China, die Besitzer von Luxusautos. Im Vergleich zu anderen Ländern kaufen die chinesischen Verbraucher unverhältnismäßig viele Autos, die 30000 Dollar oder mehr kosten, und das, obwohl die meisten Chinesen nach westlichen Standards arm sind. Eine Nische haben die Autohersteller aber bei den Neureichen entdeckt. Und tatsächlich fallen etwa ein Drittel der neuen Autos, die in China verkauft werden, in die Luxuskategorie.

70 Prozent an Privatleute

Michael Ganal, Verkaufs- und Marketingchef bei BMW, sagt, man beachte bei der Entwicklung der Modelle den Geschmack der asiatischen Verbraucher. 1987 wurden 46 Prozent der Luxus-Limousinen des Konzerns in Europa verkauft. Jetzt machen die Märkte außerhalb Europas in diesem Bereich 78 Prozent aus. Der wichtigste Markt für den teuersten BMW, den 760er, sei China, sagt Ganal.

Auch wenn das Einkommen in China in den vergangenen Jahren schnell gewachsen ist, so ist der Wohlstand doch ungleich verteilt. In einem Land, wo das städtische Pro- Kopf-Einkommen immer noch unter 1000 US-Dollar jährlich liegt, verfügen nach Angaben des Nationalen Statistikbüros die reichsten zehn Prozent über 45 Prozent des Einkommens in den Städten. In Peking reiht sich ein BMW-, Bentley- und Porsche-Händler an den anderen, was zeigt, welch harter Kampf um die Luxus-Kunden entbrannt ist. Zunehmend verlagern die ausländischen Autokonzerne auch ihre Produktion nach China. Der Volkswagen-Konzern baut in China Audis und auch BMW hat im vergangenen Monat seine erste in China hergestellte Limousine vorgestellt. Toyota, Daimler-Chrysler und General Motors (GM) planen ebenfalls, bald in China zu produzieren.

Erwartet wird, dass die Autoverkäufe in China in diesem Jahr die 4,3 Millionen- Grenze überschreiten und 70 Prozent der Neuwagen jetzt an Privatleute verkauft werden – vor zehn Jahren, als noch Regierungsbehörden und Unternehmen die Hauptabnehmer waren, waren es nur zehn Prozent.

Noch kommt die Nachfrage nach Luxuslimousinen von Chinas Neureichen – die ausländischen Autohersteller setzen aber langfristig auf eine wachsende Mittelschicht und den sich dadurch erschließenden Markt. Vor zehn Jahren praktisch noch nicht existent, besteht die Mittelschicht in China inzwischen aus etwa 60 Millionen Menschen. Sie hat zunehmend Zugang zu Krediten und mehr Geld zum Ausgeben. Seit 1999 ist das Pro-Kopf-Einkommen in den Städten um etwa elf Prozent jährlich gestiegen und schafft eine neue Verbraucherkultur.

Noch entscheidender ist, dass importierte Autos nicht länger Exoten sind, weil China im Rahmen seines Beitritts zur Welthandelsorganisation (WTO) vor zwei Jahren Zölle und Bürokratie abgebaut hat.

Die deutschen Autokonzerne Audi, BMW und Mercedes machen 90 Prozent des Luxusmarktes in China aus. Audi baut den A4 und den A6 in einem Gemeinschaftsunternehmen im nordchinesischen Changchun und verkauft nirgendwo mehr A6 als in China. Der Autohersteller wird wahrscheinlich insgesamt etwa 65000 A4 und A6 in diesem Jahr verkaufen. Über die Konkurrenz mache man sich keine Sorgen, heißt es bei Audi. „Wir werden immer die führende Marke in China sein“, sagt John de Nysschen, Präsident von Audi in Japan. „In Europa mussten wir daran arbeiten, als erstklassige Marke anerkannt zu werden, aber in China waren wir nie anders bekannt.“

Ebenso überzeugt von ihrem Erfolg in China sind allerdings die deutschen Rivalen von Audi. Analysten schätzen, dass auch BMW und Mercedes bis Jahresende je 12000 Autos in China verkauft haben werden. „Es gibt in China ein großes Interesse an Mercedes. Wir importieren 8000 Autos jährlich und davon gehören 5000 zur S-Klasse“, sagt Mercedes-Benz- Chef Jürgen Hubbert.

Anfänglich waren Regierungsbeamte und Führungskräfte staatlicher Unternehmen die Hauptkunden für die Luxuskarossen. Die Angst, durch den Kauf dieser Autos den Unmut des Volkes zu entfachen, führte aber dazu, dass Beamte fortan nicht mehr importierte Autos fahren durften. Unternehmen, die nach China exportierten, wurde so das Wasser abgegraben. Audi und Volkswagen dagegen, die Luxuslimousinen im Nordosten Chinas herstellten, profitierten.

Übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Wal-Mart), Svenja Weidenfeld (China), Tina Specht (Frankreich), Christian Frobenius (Spirituelles Kapital) und Matthias Petermann (Abtreibung).

Peter Wonacott, Lee Hawkins jr.

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