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Wirtschaft: NTT Docomo: Mobil auf der Jagd nach einsamen Herzen

Dem Mobilfunkunternehmen NTT Docomo gelingt in Japan, was europäische Anbieter auf ihrem Heimatmarkt nicht schaffen. NTT Docomo verdient Geld mit Internet-Handys.

Dem Mobilfunkunternehmen NTT Docomo gelingt in Japan, was europäische Anbieter auf ihrem Heimatmarkt nicht schaffen. NTT Docomo verdient Geld mit Internet-Handys. Im Dezember kamen wöchentlich rund 400 000 zu den bisher schon 17 Millionen Kunden des NTT-Docomo-Dienstes "I-Mode" hinzu. "Ich bekomme jeden Tag eine andere Hello-Kitty-Figur auf mein Handy. Und in der Schulpause maile ich heimlich meinem Freund in der anderen Mittelschule lustige Bildchen", antwortet die 15jährige Yurie Oyama, auf die Frage, was sie so mit ihrem Handy macht. Der seit Februar 1999 angebotene Dienst I-Mode bietet mehr als die drögen Textzeilen, die ein europäisches WAP-Handy nach langwieriger Einwahl und - bezahlter! - Wartezeit darstellen kann. Bei I-Mode ist das Handy immer für Daten online und subjektiv schnell. Die Handys, die I-Mode empfangen können - Personal Handy System oder PHS genannt -, gibt es von winzigen Formaten in Feuerzeuggröße bis zu benutzerfreundlichen Modellen mit handtellergroßem Bildschirm. I-Mode kann auch kleine Grafiken darstellen - in Farbe, versteht sich. Die "Mail" erlaubt richtige Texte in japanischen Zeichen. Demnächst sind interaktive Inhalte mit der Programmiersprache Java möglich.

NTT Docomo verdient mit seinem Angebot prächtig. Japans größter Mobilfunkanbieter gehört zur NTT Group, dem ehemaligen Telefonmonopolisten, der sich immer noch zu 59 Prozent in Händen des japanischen Staates befindet. Dabei ist Docomo mit einer Marktkapitalisierung von etwa 279 Milliarden Dollar zweimal größer als das Mutterunternehmen NTT. Im ersten Halbjahr 2000 lag der Gewinn bei über zwei Milliarden Dollar. Insgesamt hat das Unternehmen 32 Millionen Mobilfunkkunden.

20 000 Dienste im Angebot

Über 20 000 Anbieter von unterhaltsamen kleinen Diensten versuchen sich bei I-mode an Anziehungskraft zu überbieten. Es lassen sich beispielsweise Durchhalteparolen aufs Display holen, die helfen sollen, mit dem Rauchen aufzuhören; es gibt für einsame Herzen Dating-Dienste oder, wenn das nichts hilft, die virtuelle Freundin. Und natürlich banale Dinge wie Wetter und Aktien.

Das insgesamt verspielte Profil ergibt sich daher, dass sich PHS ursprünglich an das untere Marktsegment mit Schülern und Studenten wendet. Die Grundgebühr für I-mode liegt bei 300 Yen (etwa fünf Mark), die weitere Abrechnung läuft nach Datenpaketen und den Gebühren für den Anbieter des Dienstes. Yurie Oyama, oder vielmehr ihre Mutter, zahlt monatlich umgerechnet etwa 50 Mark.

Dass über 90 Prozent der Einnahmen an die Informationsanbieter gehen, hat diese ermutigt, nützliche und witzige Dienste anzubieten. Während in Deutschland T-Mobil acht Monate nach dem Start weniger als zwei Prozent seiner Handy-Kunden zu mobilen Internetnutzern machen konnte, waren es bei Docomo acht Monate nach Beginn bereits 8,4 Prozent. NTT Docomo profitiert noch von einer anderen Besonderheit. In Japan hat sich das Surfen am heimischen PC nicht so schnell entwickelt wie in Amerika und Europa. Ein Grund für die Berührungsangst könnte sein, dass die meisten Japaner sich vom englisch dominierten Word Wide Web überfordert fühlen. Die Internetdienste für Handys hingegen sind sorgfältig für die japanischen Kunden aufbereitet. Folge: Die Japaner gehen mobil online. Inklusive I-Mode gibt es jetzt 26,4 Millionen Nutzer von Internethandys in Japan - denn auch die anderen Mobilfunkanbieter haben den Markt entdeckt.

Die potenziellen WAP-Kunden hier zu Lande hingegen fragen angesichts magerer Angebote, was sie damit eigentlich sollen - zu Hause haben sie schließlich die bessere Internetplattform. Und kommt nicht demnächst UMTS und macht WAP obsolet?

Ehrgeizige Pläne

Stichwort UMTS. Der Mobilfunk der dritten Generation kommt in Japan bereits in diesem Jahr. Und zwar nahtlos. Ab Mai soll aus den Kunden der bestehenden Dienste nach und nach das werden, was die hiesigen Mobilfunker UMTS-Kunden nennnen. Langfristig hat NTT Docomo hier ehrgeizige Ziele. Durch Kooperationen und Beteiligungen an anderen Unternehmen versuchen die Strategen des Konzerns, ein weltweites Netz zu spannen. Über die niederländische KPN Mobile besteht Einfluß auf die deutsche E-Plus, Anteile an AT&T Wireless ermöglichen den Zugang zum US-Markt, ein Anteil an Hutchison Telecom deckt Hongkong und Großbritanien ab, die Allianz mit AOL soll für Inhalte sorgen, eine Kooperation mit Hewlett Packard bezieht sich auf die Entwicklung des Mobilfunks der vierten Generation. Angesichts ihres Vorsprungs von zwei Jahren bei UMTS wollen die Japaner ab 2002 in Europa Dienste mit dem eigenen Übertragungsstandard anbieten, den sie über AT & T auch in Amerika durchsetzen. Demnächst wollen sie an die New Yorker Börse gehen.

Docomo hat auch schon eine Vision für das Jahr 2010 formuliert. "Magic" steht für die totale weltweite Netzanbindung über winzige Geräte. Das Selbsbewußtsein des Unternehmens, hier Vorreiter zu sein, ist berechtigt. Es hat die Formel dafür gefunden, mit Internethandys Geld zu machen. Und "dokomo" heißt schließlich "überall".

Finn Meyer-Kuckuk

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