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Wirtschaft: The Wall Street Journal: Japan öffnet sich nach einem verlorenen Jahrzehnt

In den 80er Jahren führte der US-amerikanische Elektronikverband über sein Tokioter Büro einen erbitterten Handelskrieg um Technologiegüter. Auch zuletzt herrschte im Büro geschäftiges Treiben - weil es geräumt wurde.

In den 80er Jahren führte der US-amerikanische Elektronikverband über sein Tokioter Büro einen erbitterten Handelskrieg um Technologiegüter. Auch zuletzt herrschte im Büro geschäftiges Treiben - weil es geräumt wurde. Am 15. Dezember wurde die Dependance für immer geschlossen. "Wir wollten über das Büro den japanischen Markt aufbrechen", sagt Tim Bennett, der Verbands-Vizepräsident für internationale Fragen. "Es hat seinen Zweck erfüllt, und nun brauchen wir es nicht länger."

Ein Jahrzehnt, nachdem die Sowjet-Panzer aus Ostdeutschland nach Hause rumpelten, neigt sich ein anderer Kalter Krieg dem Ende zu - der 150 Jahre andauernde Handelskonflikt zwischen dem Westen und Japan. Erinnern Sie sich an die Auseinandersetzung um den Halbleiterhandel in den 80er Jahren? Heute beherrscht das Silicon Valley den japanischen Markt für Mikroprozessoren, Software und Internet-Ausrüstung. Oder man denke zurück an das Jahr 1995, als Tokio und Washington sich einen erbitterten Kampf um den Handel mit Autos und Autoteilen lieferten und die USA drohten, den Import von in Japan hergestellten Luxusfahrzeugen mit Strafzöllen zu belegen. Berücksichtigt man Importe und ausländische Firmenbeteiligungen haben nun US-amerikanische und europäische Unternehmen einen Marktanteil von 18 Prozent am japanischen Fahrzeugmarkt; während es vor einem Jahrzehnt noch sieben Prozent waren. Wie kam es zu dem Tauwetter? Das "verlorene Jahrzehnt", wie in Japan viele die zehn Jahre ökonomischer Stagnation nennen, war mehr als nur eine Rezession. Die Notlage führte - neben Deregulierung und diplomatischem Druck - dazu, dass sich die japanische Wirtschaft dem Ausland in einem Maß öffnete, wie es wohl kaum jemand für möglich gehalten hätte. Am stärksten geöffnet hat sich der Markt in den Branchen, die US-Unterhändler als politisch am explosivsten eingeschätzt hatten: Autos, Elektronik und Finanzdienstleistungen.

Nicht verschwinden wird allerdings in nächster Zeit der japanische Handelsüberschuss gegenüber den USA, der 1999 ein Rekordhoch von 73,4 Milliarden Dollar erreichte. Das Ungleichgewicht hat vor allem makroökonomische Gründe, die sich der Kontrolle der Handelsschlichter entziehen: Amerika konsumiert mehr, als es produziert, Japan produziert mehr, als es konsumiert. Trotzdem: Heute ist Japan für einen sehr viel geringeren Anteil am gesamten US-Handelsdefizit (22 Prozent) verantwortlich als 1991 (65 Prozent). Das liegt zum Teil daran, dass japanische Unternehmen Fabriken ins Ausland verlagert haben, um die Kosten zu senken und mögliche Handelsstreitigkeiten zu vermeiden. Aber auch daran, dass Japan unter dem Kostensenkungsdruck mehr Güter im Ausland kauft. Ausländische Direktinvestitionen in Japan erreichten im Jahr 2000 einen Rekord und werden voraussichtlich noch stärker steigen.

Die Abschottung Japans änderte sich 1990 fundamental, als die japanischen Aktien- und Immobilienmärkte zusammenbrachen. Als die Banken wegen fauler Kredite gelähmt waren und die Pensionsfonds das Geld für die Renten ausging, begann die japanische Elite langsam einzusehen, dass Deregulierung und ausländische Investitionen keine Gefahr, sondern eine Lösung sein könnten. 1996 handelte der japanische Premierminister Ryutaro Hashimoto einen Plan aus, der die Wirtschaft vollkommen verändern sollte. Die Reformen wurden auch umgesetzt, obwohl viele daran zweifelten. Als das in Schwierigkeiten geratene Bankensystem 1997 und 1998 zu einer Kaskade von Konkursen führte, sprang zum ersten Mal ausländisches Kapital in die Bresche.

So hat GE Capital, eine Tochter von General Electric, für mehr als 30 Mrd. Dollar ein Finanzdienstleistungsimperium mit 13 000 Angestellten gekauft. Auch anderswo kam es zu Veränderungen: So haben die drei Autohersteller Nissan, Mazda und Mitsubishi große Anteile an den Westen verkauft. Nur Toyota und Honda sind die einzigen, noch unabhängigen Autohersteller. Ein Wandel auch in der Software- und Mikroprozessorenbranche: Noch 1987 belegte Washington japanische Elektronikgüter mit Zöllen, zum Teil als Ausgleich für den abgeschotteten japanischen Halbleitermarkt. Da japanische Unternehmen eigene PC-Technik verwandten und diese mit dem IBM-Standard in den USA nicht mithalten konnten, waren die Computer in Japan teuer und die Nachfrage nach US-Prozessoren und -software niedrig. Im Herbst 1992 zündete Compaq Computer eine Bombe: Es füllte die Elektronikgeschäfte mit PCs, die nur halb soviel wie die Geräte des japanischen Herstellers NEC kosteten. Unternehmen wie Fujitsu ließen daraufhin von ihrer eigenen Technologie ab und begannen, in großen Mengen Teile im Ausland zu kaufen. Intel und andere ausländische Chip-Hersteller haben nun einem Marktanteil von 34 Prozent - das ist drei Mal so viel wie Ende der 80er Jahre.

Ein Handelsparadies ist Japan gleichwohl noch nicht. Es ist weiter ein extrem teurer Standort. Nichtsdestotrotz werden Westler "das verlorene Jahrzehnt" des rezessionsmüden Japans als die Periode in Erinnerung behalten, in der dieser riesige Markt seine Tore geöffnet hat. Einen Höhepunkt der veränderten amerikanisch-japanischen Handelsbeziehungen gab es im Dezember: Bei einem exklusiven Dinner mit Regierungsvertretern regten Gesandte von Fidelity Investments, Citibank und Morgan Stanley Dean Witter an, Japan solle Pensionspläne nach amerikanischem Muster zulassen. Ehrengast Yuji Tsushima, damals Minister für Gesundheit und Wohlfahrt, versprach in britischem Englisch, das Parlament werde sich der Sache in Kürze annehmen.

P. Dvorak[P. Landers], T. Zaun

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