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Der Ernst der Lage. Im Deutschen Bundestag konnte Winterkorn nicht viel zur Aufklärung beitragen.

© REUTERS

Untersuchungsausschuss zur VW-Abgasaffäre: Die traurige Gestalt Martin Winterkorn

Der ehemalige VW-Chef gibt im Bundestag kein gutes Bild ab. VW sollte ihn ganz unabhängig von seinem Wissen um die Dieselaffäre zur Kasse bitten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Alfons Frese

Am 24. Mai wird Martin Winterkorn 70 Jahre alt, zwei Wochen nach der diesjährigen Hauptversammlung von VW. Spätestens bis zum Treffen der Aktionäre sollen die Ermittlungen der US-Kanzlei Jones Day veröffentlicht sein und damit Antworten auf die großen Fragen vorliegen: Wer hat sich die Motormanipulation ausgedacht? Welche Manager wussten Bescheid? Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Ist es denkbar, dass der allmächtige Konzernchef nichts wusste?

Im Bundestag hat Winterkorn am Donnerstag ein trauriges Bild abgegeben. Der Supermanager, unter dessen Führung VW immer größer und erfolgreicher wurde und dessen Detailbesessenheit zumindest in technischen Angelegenheiten legendär ist, der ein strenges Regime führte und ein Kontrollfreak war, versteht es einfach nicht, warum er „nicht frühzeitig und eindeutig über die Messprobleme aufgeklärt worden ist“. Wow – da ist ihm aber einiges entgangen. Oder wollte er nicht wissen? Das war jedenfalls die Methode seines Vorgängers und Mentors Ferdinand Piëch: bloß nicht zu viel wissen, wenn es unappetitlich wird. Nur so überlebte Piëch die Lopez- und die Hartz-Affäre.

Winterkorn hatte weniger Glück, und wir wissen inzwischen auch warum: 22 Milliarden Euro an Strafen und Wiedergutmachung und Nachrüstung der manipulierten Autos kosten die „Messprobleme“ (Winterkorn) mindestens. Damals, im September 2015, war das so nicht abzusehen, und der Alte saß fest auf dem Stuhl. Zum Rücktritt, dem „schwersten Schritt meines Lebens“, wurde er gezwungen von einer ungewöhnlichen Allianz: Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Berthold Huber, ehemals IG-Metall-Chef, erkannte mit einem Vertreter der Kapitalseite, dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil, die Dimension des Skandals. Die Schlussfolgerung konnte nur der Rücktritt des Mannes an der Spitze sein.

Was bringt Winterkorn das Geld? Sein Lebenswerk ist beschädigt

Huber und Weil setzten den Abgang durch – gegen Bedenken der Familien Piëch und Porsche, aber vor allem auch gegen Widerstände der VW-Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Die Belegschaft war viele Jahre gut gefahren mit Winterkorn, und ein Abgang des Patrons schien Betriebsratschef Bernd Osterloh kaum vorstellbar.

Winterkorn ging, bekam aber weiter Gehalt und ist inzwischen, nach dem Auslaufen des Vertrags, Rentner. Damit er seinen Lebensstandard halten kann, legte der Konzern im Laufe der Jahre rund 28 Millionen Euro für die Rente zurück – nur für Winterkorn. Das Volumen ist absurd, doch durchaus nicht unüblich in der Autoindustrie. Aber was bringt das viele Geld, wenn am Ende das Lebenswerk beschädigt ist und man vom Hof gejagt wird?

Zudem ist die Aufarbeitung des Skandals noch lange nicht beendet, und die Gremien von Volkswagen werden nicht umhin kommen, Schadensersatz von den Leuten zu verlangen, die in den ganzen Betrug verwickelt waren. Oder ihn nicht verhindert und mithin ihre Amtspflichten verletzt haben. Allein der Justiz darf VW die Sanktionierung nicht überlassen. Winterkorn wird also von „seinem“ Unternehmen zur Kasse gebeten werden müssen. Für die Eigenhygiene des Konzerns ist das unverzichtbar.

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