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Wirtschaft: „Wir brauchen etwas Emotionales“

Deutsche Autos sind sauberer, als es ihr Schmuddelimage nahelegt – doch die Hersteller verzetteln sich

Sindelfingen - „Die Klimadebatte ist wie ein Gewitter über uns gekommen“, sagt Thomas Weber, Forschungsvorstand bei Daimler-Chrysler. „Es rüttelt uns ganz schön durch – und am Ende stehen wir nass da.“ Zur Illustration seiner Befindlichkeit lässt Weber Blitze über die Projektionswand des Sindelfinger Mercedes Event Centers zucken. Von Frühlingsgefühlen ist in der deutschen Automobilbranche derzeit wenig zu spüren. Auch den 650 Ingenieuren, Entwicklern und Zulieferern, die diese Woche zum 9. Technischen Kongress des Verbands der Automobilindustrie (VDA) nach Sindelfingen kamen, dürften die CO2-Diskussion und das schlechte Image deutscher Hersteller kalte Schauer über den Rücken jagen.

Viele ärgern sich, dass ihre Erfolge bei der Erforschung und Entwicklung moderner Autos kein Thema mehr ist. Hybrid – das machen die Japaner. CO2-Reduzierung – das können die Franzosen besser. „Die Leistungen deutscher Ingenieure werden nicht gewürdigt“, klagt Johannes Liebl, Leiter der Abteilung Energiemanagement bei BMW. „In der Öffentlichkeit heißt es nur: Ihr habt geschlafen.“ Bernd Gottschalk, der vor drei Wochen zurückgetretene VDA-Präsident, ist das prominenteste Opfer der Klimaaufregung. In Sindelfingen dankt man ihm für elf Jahre Lobbyarbeit; zu Wort kommt er nicht mehr. Zum Thema CO2 hatte er nach Meinung der Autokonzerne zu wenig zu sagen. Sein Nachfolger, Exverkehrsminister und Fahrradfahrer Matthias Wissmann, will es ab Juni besser machen und auf Umweltschützer zugehen.

Dabei zeigt sich in Sindelfingen, dass es die deutsche Branche eigentlich gar nicht so schlecht macht. Daimler-Chrysler-Chef Dieter Zetsche hob die Leistungen der Industrie hervor: Seit Ende der 90er Jahre seien mehr als 15 Millionen Tonnen CO2 eingespart worden – trotz höheren Fahrzeugbestands und gestiegener Verkehrsleistung. Deutsche Neufahrzeuge verbrauchten heute 25 Prozent weniger Kraftstoff als Anfang der 90er Jahre – und 40 Prozent weniger als in den 70er Jahren. Allein, auch andere Autonationen haben sich angestrengt. Und die Europäische Union hat mit ihrem CO2-Grenzwert von 130 Gramm pro Kilometer bis 2012 die Messlatte noch höher gelegt. Aktuell liegt das Niveau aller europäischen Hersteller im Schnitt bei 161 Gramm. BMW, Mercedes und Audi liegen noch darüber.

In den kommenden fünf Jahren, so sagt Daimler-Forschungsvorstand Weber, müssten die deutschen Hersteller deshalb noch einmal „enorm große Herausforderungen“ meistern. Und Continental-Chef Manfred Wennemer, der in Sindelfingen den Rückstand der Deutschen beim Thema Hybridantriebe geißelt, wittert gleichzeitig ein Geschäft: „Würde man alle Innovationen von Conti in einem Auto einsetzen, könnte der CO2-Ausstoß um vier bis fünf Prozent sinken.“

Überhaupt überbieten sich die großen Marken der deutschen Autowirtschaft dieser Tage mit Superlativen in Sachen Sauberkeit. Dieter Zetsche ist mit dem neuen Smart (88 Gramm/Kilometer) „CO2-Weltmeister“. Opel könnte „über Nacht“ Fahrzeuge mit geringem Verbrauch anbieten. VW weitet die umweltfreundliche „For Motion“-Serie auf weitere Modelle aus. BMW verkauft seit März seine optimierten Dieselfahrzeuge, die deutlich weniger verbrauchen. Doch die hektische Betriebsamkeit der letzten Wochen wirkt wie ein Rückzugsgefecht. In Sindelfingen versucht die Branche, wieder in die Offensive zu kommen und sich deutlich hörbar als umweltfreundlich darzustellen. Doch so komplex wie der Klimawandel, so kompliziert sind die technischen Antworten, die die Industrie zu bieten hat.

Und der Konsument? „C02-Reduzierung allein reicht nicht aus“, räumt BMW-Experte Liebl ein. „Wir brauchen etwas Emotionales.“ Fahrspaß, Komfort, Design – wer ein Auto kauft, will nichts von Antriebsstrangoptimierung oder Abgasnachbehandlung wissen. „Man darf den Autos nicht ansehen, dass sie wenig verbrauchen und ausstoßen“, sagt Liebl. Das ist nicht nur für die Karosseriebauer und Marketingleute eine Herausforderung. Denn je mehr unsichtbare Hochtechnologie in den Autos steckt, desto teurer werden sie. „Wir müssen den Konsumenten geben, was sie wollen“, sagt Ford-Europachef John Fleming. „Aber wir müssen uns auch klarmachen, was sie nicht wollen – mehr Geld ausgeben.“

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